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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Betrachtungen über die Malerei der Gegenwart.

Vor ungefähr zwei Jahren wohnte Cornelius in Rom im Palast Zuccheri
auf Monte Pincio. Das kleine Zimmer im zweiten Stock, mit der Aussicht
auf die Dächer, Kuppeln und Thürme Roms, in dem er seine Gäste zu em¬
pfangen pflegte, rief jedem, der seine Blicke an den Wänden umherschweifen
ließ, den Anbruch einer neuen Morgenröthe für die deutsche Kunst ins Ge¬
dächtniß. Es war dasselbe Zimmer, das der preußische Generalconsul
Bartholdy von den damals jungen und strebenden deutschen Künstlern Veit,
Overbeck, Schadow und Cornelius mit Fresken aus der Geschichte Josephs
hatte verzieren lassen. Dies in hohem Grade uneigennützige Unternehmen ei¬
nes Privatmannes -- Bartholdy bewohnte den Palast, den er mit dieser un¬
vergänglichen Zierde schmückte, nur zur Miethe -- hat nicht blos die jungen
Künstler und die durch sie vertretene Richtung mächtig gefördert, es ist auch
für die Wiederaufnahme der monumentalen Malerei äußerst folgenreich ge¬
wesen'.

Als ich an einem Abende'in dies Zimmer trat, fand ich einen jungen
spanischen Maler bei Cornelius, der ihm eine kleine Zeichnung von sich vor¬
gelegt hatte, eine Coa nach dem Sündenfall, von großer Feinheit und Leben¬
digkeit. Der alte Meister äußerte seinen lebhaften Beifall 'über die Leistung
und ertheilte einige Rathschläge; es war immer eine Freude, ihn mit jungen
Künstlern verkehren zu sehen, die von ihm Aufmunterung und Zurechtweisung
wünschten; er wußte auch seinen Tadel in so liebenswürdige Form zu kleiden,
daß er nicht verletzte, und hatte für jedes redliche Streben die freudigste, un¬
umwundenste Anerkennung.

Als der Spanier sich entfernt hatte/sagte Cornelius, daß er mit Freude
von ihm gehört habe, wie vielen Anklang seine Compositionen in Spanien
gefunden hätten und wie verbreitet sie dort durch Kupferstiche seien, besonders
die Entwürfe zum Campo Santo in Berlin. Der junge Mann hatte geäußert,
daß die spanischen Künstler sich von der neufranzöstschen Kunst mit ihrer Richtung
aus Aeußerlichkeit, sinnliche Wirkung und Effect eher abgestoßen als angezo¬
gen fühlten, daß sie dagegen zwischen dem deutschen Geiste und ihrem eignen
eine innere Verwandtschaft zu empfinden glaubten, und sich daher an den


Grenzboten. II. ->8ö6. ^ 41
Betrachtungen über die Malerei der Gegenwart.

Vor ungefähr zwei Jahren wohnte Cornelius in Rom im Palast Zuccheri
auf Monte Pincio. Das kleine Zimmer im zweiten Stock, mit der Aussicht
auf die Dächer, Kuppeln und Thürme Roms, in dem er seine Gäste zu em¬
pfangen pflegte, rief jedem, der seine Blicke an den Wänden umherschweifen
ließ, den Anbruch einer neuen Morgenröthe für die deutsche Kunst ins Ge¬
dächtniß. Es war dasselbe Zimmer, das der preußische Generalconsul
Bartholdy von den damals jungen und strebenden deutschen Künstlern Veit,
Overbeck, Schadow und Cornelius mit Fresken aus der Geschichte Josephs
hatte verzieren lassen. Dies in hohem Grade uneigennützige Unternehmen ei¬
nes Privatmannes — Bartholdy bewohnte den Palast, den er mit dieser un¬
vergänglichen Zierde schmückte, nur zur Miethe — hat nicht blos die jungen
Künstler und die durch sie vertretene Richtung mächtig gefördert, es ist auch
für die Wiederaufnahme der monumentalen Malerei äußerst folgenreich ge¬
wesen'.

Als ich an einem Abende'in dies Zimmer trat, fand ich einen jungen
spanischen Maler bei Cornelius, der ihm eine kleine Zeichnung von sich vor¬
gelegt hatte, eine Coa nach dem Sündenfall, von großer Feinheit und Leben¬
digkeit. Der alte Meister äußerte seinen lebhaften Beifall 'über die Leistung
und ertheilte einige Rathschläge; es war immer eine Freude, ihn mit jungen
Künstlern verkehren zu sehen, die von ihm Aufmunterung und Zurechtweisung
wünschten; er wußte auch seinen Tadel in so liebenswürdige Form zu kleiden,
daß er nicht verletzte, und hatte für jedes redliche Streben die freudigste, un¬
umwundenste Anerkennung.

Als der Spanier sich entfernt hatte/sagte Cornelius, daß er mit Freude
von ihm gehört habe, wie vielen Anklang seine Compositionen in Spanien
gefunden hätten und wie verbreitet sie dort durch Kupferstiche seien, besonders
die Entwürfe zum Campo Santo in Berlin. Der junge Mann hatte geäußert,
daß die spanischen Künstler sich von der neufranzöstschen Kunst mit ihrer Richtung
aus Aeußerlichkeit, sinnliche Wirkung und Effect eher abgestoßen als angezo¬
gen fühlten, daß sie dagegen zwischen dem deutschen Geiste und ihrem eignen
eine innere Verwandtschaft zu empfinden glaubten, und sich daher an den


Grenzboten. II. ->8ö6. ^ 41
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[0329] Betrachtungen über die Malerei der Gegenwart. Vor ungefähr zwei Jahren wohnte Cornelius in Rom im Palast Zuccheri auf Monte Pincio. Das kleine Zimmer im zweiten Stock, mit der Aussicht auf die Dächer, Kuppeln und Thürme Roms, in dem er seine Gäste zu em¬ pfangen pflegte, rief jedem, der seine Blicke an den Wänden umherschweifen ließ, den Anbruch einer neuen Morgenröthe für die deutsche Kunst ins Ge¬ dächtniß. Es war dasselbe Zimmer, das der preußische Generalconsul Bartholdy von den damals jungen und strebenden deutschen Künstlern Veit, Overbeck, Schadow und Cornelius mit Fresken aus der Geschichte Josephs hatte verzieren lassen. Dies in hohem Grade uneigennützige Unternehmen ei¬ nes Privatmannes — Bartholdy bewohnte den Palast, den er mit dieser un¬ vergänglichen Zierde schmückte, nur zur Miethe — hat nicht blos die jungen Künstler und die durch sie vertretene Richtung mächtig gefördert, es ist auch für die Wiederaufnahme der monumentalen Malerei äußerst folgenreich ge¬ wesen'. Als ich an einem Abende'in dies Zimmer trat, fand ich einen jungen spanischen Maler bei Cornelius, der ihm eine kleine Zeichnung von sich vor¬ gelegt hatte, eine Coa nach dem Sündenfall, von großer Feinheit und Leben¬ digkeit. Der alte Meister äußerte seinen lebhaften Beifall 'über die Leistung und ertheilte einige Rathschläge; es war immer eine Freude, ihn mit jungen Künstlern verkehren zu sehen, die von ihm Aufmunterung und Zurechtweisung wünschten; er wußte auch seinen Tadel in so liebenswürdige Form zu kleiden, daß er nicht verletzte, und hatte für jedes redliche Streben die freudigste, un¬ umwundenste Anerkennung. Als der Spanier sich entfernt hatte/sagte Cornelius, daß er mit Freude von ihm gehört habe, wie vielen Anklang seine Compositionen in Spanien gefunden hätten und wie verbreitet sie dort durch Kupferstiche seien, besonders die Entwürfe zum Campo Santo in Berlin. Der junge Mann hatte geäußert, daß die spanischen Künstler sich von der neufranzöstschen Kunst mit ihrer Richtung aus Aeußerlichkeit, sinnliche Wirkung und Effect eher abgestoßen als angezo¬ gen fühlten, daß sie dagegen zwischen dem deutschen Geiste und ihrem eignen eine innere Verwandtschaft zu empfinden glaubten, und sich daher an den Grenzboten. II. ->8ö6. ^ 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/329>, abgerufen am 22.06.2024.