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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Sehr schöne Einzelheiten enthalten die Gedichte von Theodor Storm
(2. Aufl. Berlin, Schindler). Wir heben ein kleines Scherzgedicht daraus her¬
vor, im Interesse der verschiedenen Lyriker, die allen Seufzern der Kritik zum
Trotz in ihrer Arbeit forfahren.


Hör mir nicht auf solche Geschwätze,
Liebes Herz, daß wir Poeten
Schon genug der Liebeslieder,
Ja, zu viel gedichtet hätten.
Ach, es sind so kläglich wenig,
Denn ich' zählte sie im Stillen,
Kaum genug, dein Nadelbüchlein
schicklich damit anzufüllen.
Lieder, die von Liebe reimen,
Kommen Tag sür Tage wieder;
Doch wie zwei Verliebte sprechen:
Das sind keine Liebeslieder.

Die Soldatenlaunen von einem östreichischen Reiter (Darmstadt, Leske) sind
nicht im Tone eines Landsknechts geschrieben, sie behandeln vielmehr das
Soldatenleben mit viel behaglicher Ironie. -- Die Gedichte von Curt Oswald
(Aus voller Seele, Dresden, Adler Dietze) enthalten einige recht innige
Klänge, die nur zuweilen durch Heinesche Anflüge verkümmert werden. -- Die
Gedichte von Bruno Strahlau (Klänge aus dem Norden. Hannover, Rümpler)
schließen mit dem Nachwort:


Ist bald ein Lied gar frei gesungen,
Bald eins in bitterm Ernst erklungen,
So möget ihr es mir vergeben:
Denn in der Dichtung ruht das Leben.
Und nur nach Wahrheit ging mein Streben. --

Ein christlicher Dithyrambus von Kirchhofs: Israel und die Völker (Kiel,
Akademische Buchhandlung) ist in der Schillerschen Manier gehalten. -- Eine
Uebersetzung des hohen Liedes von Blauhand (Berlin, Nelke) sucht in das alte
Gedicht eine gewisse logische Ordnung zu bringen. Wir möchten das Unter¬
nehmen nicht ganz von Willkürlichkeit freisprechen. -- Zwei Gedichtsammlungen
von Gustav Bernhard (Leipzig, Roßberg) und Robert Nitzsche (Altona. Lehm-
kuhl), die in stilistischer Beziehung viel zu wünschen übrig lassen, haben uns
insofern interresstrt, als sie zeigen, daß eine gemüthliche Beschäftigung mit der
Poesie wenigstens theilweise sür ein verkümmertes Leben tröstet. -- Zwei
Sammlungen: "In einsamen Stunden. Erbauliches und Beschauliches in
Liedern". 2. Aufl. und: Saat und Garben. Zur Beachtung und Betrach¬
tung aus deutschen Prosaikern. (Berlin, Guttentag), sind durch ihren Inhalt,


Sehr schöne Einzelheiten enthalten die Gedichte von Theodor Storm
(2. Aufl. Berlin, Schindler). Wir heben ein kleines Scherzgedicht daraus her¬
vor, im Interesse der verschiedenen Lyriker, die allen Seufzern der Kritik zum
Trotz in ihrer Arbeit forfahren.


Hör mir nicht auf solche Geschwätze,
Liebes Herz, daß wir Poeten
Schon genug der Liebeslieder,
Ja, zu viel gedichtet hätten.
Ach, es sind so kläglich wenig,
Denn ich' zählte sie im Stillen,
Kaum genug, dein Nadelbüchlein
schicklich damit anzufüllen.
Lieder, die von Liebe reimen,
Kommen Tag sür Tage wieder;
Doch wie zwei Verliebte sprechen:
Das sind keine Liebeslieder.

Die Soldatenlaunen von einem östreichischen Reiter (Darmstadt, Leske) sind
nicht im Tone eines Landsknechts geschrieben, sie behandeln vielmehr das
Soldatenleben mit viel behaglicher Ironie. — Die Gedichte von Curt Oswald
(Aus voller Seele, Dresden, Adler Dietze) enthalten einige recht innige
Klänge, die nur zuweilen durch Heinesche Anflüge verkümmert werden. — Die
Gedichte von Bruno Strahlau (Klänge aus dem Norden. Hannover, Rümpler)
schließen mit dem Nachwort:


Ist bald ein Lied gar frei gesungen,
Bald eins in bitterm Ernst erklungen,
So möget ihr es mir vergeben:
Denn in der Dichtung ruht das Leben.
Und nur nach Wahrheit ging mein Streben. —

Ein christlicher Dithyrambus von Kirchhofs: Israel und die Völker (Kiel,
Akademische Buchhandlung) ist in der Schillerschen Manier gehalten. — Eine
Uebersetzung des hohen Liedes von Blauhand (Berlin, Nelke) sucht in das alte
Gedicht eine gewisse logische Ordnung zu bringen. Wir möchten das Unter¬
nehmen nicht ganz von Willkürlichkeit freisprechen. — Zwei Gedichtsammlungen
von Gustav Bernhard (Leipzig, Roßberg) und Robert Nitzsche (Altona. Lehm-
kuhl), die in stilistischer Beziehung viel zu wünschen übrig lassen, haben uns
insofern interresstrt, als sie zeigen, daß eine gemüthliche Beschäftigung mit der
Poesie wenigstens theilweise sür ein verkümmertes Leben tröstet. — Zwei
Sammlungen: „In einsamen Stunden. Erbauliches und Beschauliches in
Liedern". 2. Aufl. und: Saat und Garben. Zur Beachtung und Betrach¬
tung aus deutschen Prosaikern. (Berlin, Guttentag), sind durch ihren Inhalt,


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[0240] Sehr schöne Einzelheiten enthalten die Gedichte von Theodor Storm (2. Aufl. Berlin, Schindler). Wir heben ein kleines Scherzgedicht daraus her¬ vor, im Interesse der verschiedenen Lyriker, die allen Seufzern der Kritik zum Trotz in ihrer Arbeit forfahren. Hör mir nicht auf solche Geschwätze, Liebes Herz, daß wir Poeten Schon genug der Liebeslieder, Ja, zu viel gedichtet hätten. Ach, es sind so kläglich wenig, Denn ich' zählte sie im Stillen, Kaum genug, dein Nadelbüchlein schicklich damit anzufüllen. Lieder, die von Liebe reimen, Kommen Tag sür Tage wieder; Doch wie zwei Verliebte sprechen: Das sind keine Liebeslieder. Die Soldatenlaunen von einem östreichischen Reiter (Darmstadt, Leske) sind nicht im Tone eines Landsknechts geschrieben, sie behandeln vielmehr das Soldatenleben mit viel behaglicher Ironie. — Die Gedichte von Curt Oswald (Aus voller Seele, Dresden, Adler Dietze) enthalten einige recht innige Klänge, die nur zuweilen durch Heinesche Anflüge verkümmert werden. — Die Gedichte von Bruno Strahlau (Klänge aus dem Norden. Hannover, Rümpler) schließen mit dem Nachwort: Ist bald ein Lied gar frei gesungen, Bald eins in bitterm Ernst erklungen, So möget ihr es mir vergeben: Denn in der Dichtung ruht das Leben. Und nur nach Wahrheit ging mein Streben. — Ein christlicher Dithyrambus von Kirchhofs: Israel und die Völker (Kiel, Akademische Buchhandlung) ist in der Schillerschen Manier gehalten. — Eine Uebersetzung des hohen Liedes von Blauhand (Berlin, Nelke) sucht in das alte Gedicht eine gewisse logische Ordnung zu bringen. Wir möchten das Unter¬ nehmen nicht ganz von Willkürlichkeit freisprechen. — Zwei Gedichtsammlungen von Gustav Bernhard (Leipzig, Roßberg) und Robert Nitzsche (Altona. Lehm- kuhl), die in stilistischer Beziehung viel zu wünschen übrig lassen, haben uns insofern interresstrt, als sie zeigen, daß eine gemüthliche Beschäftigung mit der Poesie wenigstens theilweise sür ein verkümmertes Leben tröstet. — Zwei Sammlungen: „In einsamen Stunden. Erbauliches und Beschauliches in Liedern". 2. Aufl. und: Saat und Garben. Zur Beachtung und Betrach¬ tung aus deutschen Prosaikern. (Berlin, Guttentag), sind durch ihren Inhalt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/240>, abgerufen am 27.06.2024.