Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.richtungen. Zu den letztern rechnet er z.B. die Cyropädie und den Telemcich- richtungen. Zu den letztern rechnet er z.B. die Cyropädie und den Telemcich- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101751"/> <p xml:id="ID_556" prev="#ID_555" next="#ID_557"> richtungen. Zu den letztern rechnet er z.B. die Cyropädie und den Telemcich-<lb/> Er schließt seine Darstellung mit folgender Betrachtung. „Von einem unmittel¬<lb/> baren Gewinn für das Leben kann wol nicht die Rede sein. Es hat sich nie<lb/> begeben, daß irgend ein Staat sich die in einem Romane geschilderten Ein¬<lb/> richtungen zum Muster genommen hätte. Und es wird sich dies auch wol<lb/> schwerlich je zutragen. Dem praktischen Staatsmanne ist in der Regel schon die<lb/> Form, in welcher diese Gedanken vorgetragen werden, völlig antipathisch, wenn<lb/> er überhaupt Kenntniß von dem Dasein solcher luftigen Gebilde nimmt. Ueber-<lb/> dies sind die bisher hauptsächlich gemachten Borschläge, nämlich Gütergemein¬<lb/> schaft mit allgemeiner Arbeit auf Rechnung der Gesellschaft, und Lockerung, wo<lb/> nicht gar Aufhebung der Ehe und Familie, keineswegs von der Art, daß sie einem<lb/> über die Natur des Menschen und die Grundlagen der Gesellschaft mit sich im<lb/> Klaren befindlichen Manne irgendwie wünschenswert!) und ausführbar erschei¬<lb/> nen könnten. Allein damit ist nicht gesagt, daß dem Staatsromane nicht den¬<lb/> noch ein mittelbarer Einfluß auf das Leben zugeschrieben werden könne.<lb/> Und man ist in der Thal wohl berechtigt, einen solchen in nicht unbedeutendem,<lb/> wenn schon nicht genau meßbarem Grade anzunehmen. Einige dieser Bücher<lb/> sind doch sehr viel von den Gebildeten aller europäischen Völker gelesen worden<lb/> und wenn auch keinen andern Eindruck, so müssen sie doch die Ueberzeugung<lb/> beigebracht haben, daß die in der Wirklichkeit bestehenden Staatseinrichtungen<lb/> nicht die einzig denkbaren und gerechten seien, vielmehr mannigfachem Uebel<lb/> und Elende Raum, wo nicht gar den Ursprung geben." — Auf die Staats¬<lb/> romane folgt eine Geschichte des philosophischen Staatsrechts in ihren Grund¬<lb/> zügen entwickelt, jedoch so, daß das allgemeine konstitutionelle Stciatsrccht<lb/> und das Völkerrecht davon gesondert werden. — Für das Alterthum und<lb/> das Mittelalter ergibt sich diese Sonderung ganz von. selbst, ohnehin sind<lb/> diese Perioden sehr kurz und summarisch behandelt. Für die neuere<lb/> Zeit dagegen hat sie ihre Uebelstände, denn daß Ballanche, Burke, Hal¬<lb/> ler u. s. w. vor Montesquieu durchgenommen werden, daß Wel<ter und<lb/> Leo in einem Abschnitt stehen, Stahl, Haller, Jarcke u. s. w. im andern, ist<lb/> gewiß ein Uebelstand; und hier dürfen wir uns nicht versagen, in der schein¬<lb/> baren Systematik den Mangel an System zu rügen. Wäre das Buch lediglich<lb/> eine Encyklopädie zum Nachschlagen, so wäre die einzige Anforderung, die<lb/> man daran zu stellen hätte, eine Klarheit und Ueberstchtlichkeit der Anordnung-<lb/> Aber es macht doch zugleich wenigstens hin und wieder den Anspruch auf<lb/> historische Darstellung und daraus geht bei der Zerstreuung des Stoffes der<lb/> Uebelstand hervor, daß der Verfasser sich häufig wiederholen muß, ein Uebel¬<lb/> stand, der sich um so empfindlicher geltend macht, da der Verfasser, ohnehin zur<lb/> Breite geneigt ist. Wir müssen ihm dankbar sein für das reiche Material, das<lb/> er uns gibt, wir freuen uns an dem sichern und gediegenen Urtheil, aber wir</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0224]
richtungen. Zu den letztern rechnet er z.B. die Cyropädie und den Telemcich-
Er schließt seine Darstellung mit folgender Betrachtung. „Von einem unmittel¬
baren Gewinn für das Leben kann wol nicht die Rede sein. Es hat sich nie
begeben, daß irgend ein Staat sich die in einem Romane geschilderten Ein¬
richtungen zum Muster genommen hätte. Und es wird sich dies auch wol
schwerlich je zutragen. Dem praktischen Staatsmanne ist in der Regel schon die
Form, in welcher diese Gedanken vorgetragen werden, völlig antipathisch, wenn
er überhaupt Kenntniß von dem Dasein solcher luftigen Gebilde nimmt. Ueber-
dies sind die bisher hauptsächlich gemachten Borschläge, nämlich Gütergemein¬
schaft mit allgemeiner Arbeit auf Rechnung der Gesellschaft, und Lockerung, wo
nicht gar Aufhebung der Ehe und Familie, keineswegs von der Art, daß sie einem
über die Natur des Menschen und die Grundlagen der Gesellschaft mit sich im
Klaren befindlichen Manne irgendwie wünschenswert!) und ausführbar erschei¬
nen könnten. Allein damit ist nicht gesagt, daß dem Staatsromane nicht den¬
noch ein mittelbarer Einfluß auf das Leben zugeschrieben werden könne.
Und man ist in der Thal wohl berechtigt, einen solchen in nicht unbedeutendem,
wenn schon nicht genau meßbarem Grade anzunehmen. Einige dieser Bücher
sind doch sehr viel von den Gebildeten aller europäischen Völker gelesen worden
und wenn auch keinen andern Eindruck, so müssen sie doch die Ueberzeugung
beigebracht haben, daß die in der Wirklichkeit bestehenden Staatseinrichtungen
nicht die einzig denkbaren und gerechten seien, vielmehr mannigfachem Uebel
und Elende Raum, wo nicht gar den Ursprung geben." — Auf die Staats¬
romane folgt eine Geschichte des philosophischen Staatsrechts in ihren Grund¬
zügen entwickelt, jedoch so, daß das allgemeine konstitutionelle Stciatsrccht
und das Völkerrecht davon gesondert werden. — Für das Alterthum und
das Mittelalter ergibt sich diese Sonderung ganz von. selbst, ohnehin sind
diese Perioden sehr kurz und summarisch behandelt. Für die neuere
Zeit dagegen hat sie ihre Uebelstände, denn daß Ballanche, Burke, Hal¬
ler u. s. w. vor Montesquieu durchgenommen werden, daß Wel<ter und
Leo in einem Abschnitt stehen, Stahl, Haller, Jarcke u. s. w. im andern, ist
gewiß ein Uebelstand; und hier dürfen wir uns nicht versagen, in der schein¬
baren Systematik den Mangel an System zu rügen. Wäre das Buch lediglich
eine Encyklopädie zum Nachschlagen, so wäre die einzige Anforderung, die
man daran zu stellen hätte, eine Klarheit und Ueberstchtlichkeit der Anordnung-
Aber es macht doch zugleich wenigstens hin und wieder den Anspruch auf
historische Darstellung und daraus geht bei der Zerstreuung des Stoffes der
Uebelstand hervor, daß der Verfasser sich häufig wiederholen muß, ein Uebel¬
stand, der sich um so empfindlicher geltend macht, da der Verfasser, ohnehin zur
Breite geneigt ist. Wir müssen ihm dankbar sein für das reiche Material, das
er uns gibt, wir freuen uns an dem sichern und gediegenen Urtheil, aber wir
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