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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Monarchen ebenso freistehen, wie jedem Privatmann, sich seinen Umgang ans
den Kreisen zu wählen, die ihm zusagen; aber durch das sogenannte Gesetz
der Etikette, welches den Hofvienft auf einen bestimmten Staub beschränkt,
nimmt er sich seine eigne Freiheit, ohne etwas zu gewinnen. Jene Etikette
schreibt sich aus ven Zeiten Ludwigs XlV. her, wo man die Majestät des
Throns dadurch sicher zu stellen glaubte, daß man ihn so unnahbar als möglich
machte. Der Erfolg hat gelehrt, was diese Kasteneintheilung fruchtet. Der
Bürgerstand verabscheut," den gestimmten Hof, weil er ihm versagt war, und
der Adel wußte sein leeres Leben nicht besser auszufüllen, als durch Verbreitung
skandalöser Geschichten über jenen Hof, dem er zu nahe stand, um ihn zu
achten. Es ist ein altes Sprichwort, daß es für den Bedienten keinen Helden
gibt; es ist weder für die Monarchie noch für den Adel ein Gewinn, wenn
man ven letztern ven Dienst im'"eigentlichsten Sinn als höchste Ehre zu be¬
trachten gewöhnt. -- Schwieriger wirv die Concurrenz in dem sehr wichtigen
Punkt des Gutöbesitzeö auszuschließen sein. Den Bürgerlichen gravezu von
dem Kauf eines Rittergutes auszuschließen, wirv ernstlich wol kaum noch der
äußersten Adelsfractiou einfallen, so sehr sie es im Geheimen wünschen mag.
Hier kreuzen sich bei ihr die widersprechendsten Empfindungen, denn einerseits
ist sie zu sehr ne die Mysterien des modernen Geldverkchrs eingeweiht, um an
die Möglichkeit eines solchen Verbots zu denken, andererseits fühlt sie recht
wohl, daß seit der Einführung des freien Güterkaufs die Ritterschaft aufgehört
hat ein Stand zu sein. Man fragt sich häusig, worin eigentlich der Unter¬
schied zwischen der äußersten Rechten und der ministeriellen Rechten liegt, ab¬
gesehen von der Metaphysik des Parteistandpunktes, die viel zu tiefsinnig ist,
um von der Mehrzahl der Parteigenossen auch nur verstanden zu werden. Am
einfachsten könnte man ihn dahin definiren: die ministerielle Rechte will die
absolute Herrschaft der Regierung in allen Kreisen des Lebens, die äußerste
Rechte will dasselbe, mit Ausschluß ver Rittergüter. Theoretisch wird zwar hin
und wiever davon gesprochen, es sollen auf dem Wege der Corporation or¬
ganische Bildungen hervorgehen, die endlich in ihrer höchsten Spitze die Staats¬
regierung enthalten; paß aber praktisch niemand daran denkt, zeigt am deut¬
lichsten das Verhalten der äußersten Rechten bei Gelegenheit der rheinischen
Gemeindeordnung., Freilich will der Adel regieren, aber nicht als stänvische
Corporation, sondern in ver hergebrachten bureaukratischen Form. Für sich als
Stand verlangt er nur Ungenirtheit in seinen Privatverhältnissen. Wenn diese
Ungenirtheit auch zuweilen zu Uebertreibungen führt, wie sie in der Rede des
Grafen Pfeil und in einem gleich darauf folgenden Criminalproceß zur Sprache
kamen, so könnte man eS doch bis zu einer gewissen Grenze hin billigen, voraus¬
gesetzt, daß den andern Lebenskreisen eine ähnliche Ungenirtheit zu Theil
würde. Aber dazu wird sich die äußerste Rechte am allerwenigsten hergeben,


Monarchen ebenso freistehen, wie jedem Privatmann, sich seinen Umgang ans
den Kreisen zu wählen, die ihm zusagen; aber durch das sogenannte Gesetz
der Etikette, welches den Hofvienft auf einen bestimmten Staub beschränkt,
nimmt er sich seine eigne Freiheit, ohne etwas zu gewinnen. Jene Etikette
schreibt sich aus ven Zeiten Ludwigs XlV. her, wo man die Majestät des
Throns dadurch sicher zu stellen glaubte, daß man ihn so unnahbar als möglich
machte. Der Erfolg hat gelehrt, was diese Kasteneintheilung fruchtet. Der
Bürgerstand verabscheut,« den gestimmten Hof, weil er ihm versagt war, und
der Adel wußte sein leeres Leben nicht besser auszufüllen, als durch Verbreitung
skandalöser Geschichten über jenen Hof, dem er zu nahe stand, um ihn zu
achten. Es ist ein altes Sprichwort, daß es für den Bedienten keinen Helden
gibt; es ist weder für die Monarchie noch für den Adel ein Gewinn, wenn
man ven letztern ven Dienst im'"eigentlichsten Sinn als höchste Ehre zu be¬
trachten gewöhnt. — Schwieriger wirv die Concurrenz in dem sehr wichtigen
Punkt des Gutöbesitzeö auszuschließen sein. Den Bürgerlichen gravezu von
dem Kauf eines Rittergutes auszuschließen, wirv ernstlich wol kaum noch der
äußersten Adelsfractiou einfallen, so sehr sie es im Geheimen wünschen mag.
Hier kreuzen sich bei ihr die widersprechendsten Empfindungen, denn einerseits
ist sie zu sehr ne die Mysterien des modernen Geldverkchrs eingeweiht, um an
die Möglichkeit eines solchen Verbots zu denken, andererseits fühlt sie recht
wohl, daß seit der Einführung des freien Güterkaufs die Ritterschaft aufgehört
hat ein Stand zu sein. Man fragt sich häusig, worin eigentlich der Unter¬
schied zwischen der äußersten Rechten und der ministeriellen Rechten liegt, ab¬
gesehen von der Metaphysik des Parteistandpunktes, die viel zu tiefsinnig ist,
um von der Mehrzahl der Parteigenossen auch nur verstanden zu werden. Am
einfachsten könnte man ihn dahin definiren: die ministerielle Rechte will die
absolute Herrschaft der Regierung in allen Kreisen des Lebens, die äußerste
Rechte will dasselbe, mit Ausschluß ver Rittergüter. Theoretisch wird zwar hin
und wiever davon gesprochen, es sollen auf dem Wege der Corporation or¬
ganische Bildungen hervorgehen, die endlich in ihrer höchsten Spitze die Staats¬
regierung enthalten; paß aber praktisch niemand daran denkt, zeigt am deut¬
lichsten das Verhalten der äußersten Rechten bei Gelegenheit der rheinischen
Gemeindeordnung., Freilich will der Adel regieren, aber nicht als stänvische
Corporation, sondern in ver hergebrachten bureaukratischen Form. Für sich als
Stand verlangt er nur Ungenirtheit in seinen Privatverhältnissen. Wenn diese
Ungenirtheit auch zuweilen zu Uebertreibungen führt, wie sie in der Rede des
Grafen Pfeil und in einem gleich darauf folgenden Criminalproceß zur Sprache
kamen, so könnte man eS doch bis zu einer gewissen Grenze hin billigen, voraus¬
gesetzt, daß den andern Lebenskreisen eine ähnliche Ungenirtheit zu Theil
würde. Aber dazu wird sich die äußerste Rechte am allerwenigsten hergeben,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/192>, abgerufen am 05.07.2024.