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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Aufforderung. "Sintemal George Grey, Barbier und Perückenmacher, gegen¬
über der Windspieltavcrne in Black Fryers, London, verpflichtet ist, einige aus¬
gezeichnete Personen von sehr hohem Rang und Stande mit seiner Arbeit zu
bedienen: so wird deshalb aus seinen Wunsch bekannt gemacht, daß jeder, der
langes blondes Haar (lwxc-n Iisir) zu verkaufen hat, sich zu dem besagten
George Grey verfügen mag, und sie sollen zehn Schilling für die Unze be¬
kommen und für andres langes schönes Haar nach dem Preise von sieben und
fünf Schilling die Unze."

Den "wilden Carneval der Restauration", wie Macaulay die Zeit Karls II.
nennt, charakterisirt nicht blos die tiefste Korruption und die äußerste Frechheit
der Sitten, sondern diese und die folgende Negierung sind auch durch eine
Rotzige Verachtung der Gesetze und einen auffallenden Hang zu Attentaten
ans Sicherheit und Leben befleckt. Am 22. December 1679 bezeichnet unter
andern die London Gazette ein Attentat auf den ruhmreichen John Dryden, der
am 18. d. M. in der Rosenstraße, Coventgarden von verschiedenen unbekannten
Männern "barbarisch angegriffen und verwundet wurde". Fünfzig Pfund wer¬
den dem versprochen, der die Thäter anzeigt; ist er ein Mitschuldiger oder mittel¬
bar betheiligt, so geruht seine Majestät ihm in Gnade Verzeihung zu versprechen:
2n dieser Periode fing das romantische Verbrechen des Straßenraubs an in
Aufnahme zu kommen. Folgende Bekanntmachung zeigt, daß Männer von
hoher gesellschaftlicher Stellung unter Umständen nicht verschmähten, sich den
Rittern der Heerstraße beizugesellen. ,,Sintemal Herr Herbert Jones, Sach¬
walter in der Stadt Monmouth, wohlbekannt als mehrjähriger Untersheriff
>u derselben Grafschaft, kürzlich zu verschiedenen Malen die Briefpost beraubt
hat, die von besagter Stadt nach London geht und verschiedene Schriften und
Briefe herausgenommen und jetzt vor der Gerechtigkeit geflohen ist und aueh
maßlich sich unter den neu aufgehobenen Truppen versteckt hat" -- wird dem
Entdecker dieses juristischen Highwaymen eine Belohnung (von nur einer
Guinee) versprochen.

Den Geschmack, den die jacobitischen Zeiten an Bechern fanden, verrathen
Zahllose Nachforschungen nach Verlornen oder gestohlenen silbernen Humpen und
unaufhörliche Verkäufe von Claret und Canariensect. Man bediente sich
damals bei Auctionen nicht des Hammers, sondern die Verkäufe erfolgten
durch einen ,,Zoll Lichtkerze"; ein Gebrauch, der seine Erklärung in dem
gleichzeitigen, von Macaulay so viel benutzten Tagebuch von Pepys findet. Er
^'zählt, wie ergötzlich es bei einer SchiffSauction gewesen, zu sehn, wie lang¬
sam die Leute anfangs im Bieten sind, wie sie aber, wenn die Kerze im Aus¬
gehen ist, schrien und nachträglich streiten, wer dgS meiste geboten habe. Einer
der Mitbietenden hatte eine Bemerkung gemacht, die ihn in den Stand setzte,
immer im letzten Augenblick zu bieten und so die andern zu schlagen, er hatte


Aufforderung. „Sintemal George Grey, Barbier und Perückenmacher, gegen¬
über der Windspieltavcrne in Black Fryers, London, verpflichtet ist, einige aus¬
gezeichnete Personen von sehr hohem Rang und Stande mit seiner Arbeit zu
bedienen: so wird deshalb aus seinen Wunsch bekannt gemacht, daß jeder, der
langes blondes Haar (lwxc-n Iisir) zu verkaufen hat, sich zu dem besagten
George Grey verfügen mag, und sie sollen zehn Schilling für die Unze be¬
kommen und für andres langes schönes Haar nach dem Preise von sieben und
fünf Schilling die Unze."

Den „wilden Carneval der Restauration", wie Macaulay die Zeit Karls II.
nennt, charakterisirt nicht blos die tiefste Korruption und die äußerste Frechheit
der Sitten, sondern diese und die folgende Negierung sind auch durch eine
Rotzige Verachtung der Gesetze und einen auffallenden Hang zu Attentaten
ans Sicherheit und Leben befleckt. Am 22. December 1679 bezeichnet unter
andern die London Gazette ein Attentat auf den ruhmreichen John Dryden, der
am 18. d. M. in der Rosenstraße, Coventgarden von verschiedenen unbekannten
Männern „barbarisch angegriffen und verwundet wurde". Fünfzig Pfund wer¬
den dem versprochen, der die Thäter anzeigt; ist er ein Mitschuldiger oder mittel¬
bar betheiligt, so geruht seine Majestät ihm in Gnade Verzeihung zu versprechen:
2n dieser Periode fing das romantische Verbrechen des Straßenraubs an in
Aufnahme zu kommen. Folgende Bekanntmachung zeigt, daß Männer von
hoher gesellschaftlicher Stellung unter Umständen nicht verschmähten, sich den
Rittern der Heerstraße beizugesellen. ,,Sintemal Herr Herbert Jones, Sach¬
walter in der Stadt Monmouth, wohlbekannt als mehrjähriger Untersheriff
>u derselben Grafschaft, kürzlich zu verschiedenen Malen die Briefpost beraubt
hat, die von besagter Stadt nach London geht und verschiedene Schriften und
Briefe herausgenommen und jetzt vor der Gerechtigkeit geflohen ist und aueh
maßlich sich unter den neu aufgehobenen Truppen versteckt hat" — wird dem
Entdecker dieses juristischen Highwaymen eine Belohnung (von nur einer
Guinee) versprochen.

Den Geschmack, den die jacobitischen Zeiten an Bechern fanden, verrathen
Zahllose Nachforschungen nach Verlornen oder gestohlenen silbernen Humpen und
unaufhörliche Verkäufe von Claret und Canariensect. Man bediente sich
damals bei Auctionen nicht des Hammers, sondern die Verkäufe erfolgten
durch einen ,,Zoll Lichtkerze"; ein Gebrauch, der seine Erklärung in dem
gleichzeitigen, von Macaulay so viel benutzten Tagebuch von Pepys findet. Er
^'zählt, wie ergötzlich es bei einer SchiffSauction gewesen, zu sehn, wie lang¬
sam die Leute anfangs im Bieten sind, wie sie aber, wenn die Kerze im Aus¬
gehen ist, schrien und nachträglich streiten, wer dgS meiste geboten habe. Einer
der Mitbietenden hatte eine Bemerkung gemacht, die ihn in den Stand setzte,
immer im letzten Augenblick zu bieten und so die andern zu schlagen, er hatte


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[0133] Aufforderung. „Sintemal George Grey, Barbier und Perückenmacher, gegen¬ über der Windspieltavcrne in Black Fryers, London, verpflichtet ist, einige aus¬ gezeichnete Personen von sehr hohem Rang und Stande mit seiner Arbeit zu bedienen: so wird deshalb aus seinen Wunsch bekannt gemacht, daß jeder, der langes blondes Haar (lwxc-n Iisir) zu verkaufen hat, sich zu dem besagten George Grey verfügen mag, und sie sollen zehn Schilling für die Unze be¬ kommen und für andres langes schönes Haar nach dem Preise von sieben und fünf Schilling die Unze." Den „wilden Carneval der Restauration", wie Macaulay die Zeit Karls II. nennt, charakterisirt nicht blos die tiefste Korruption und die äußerste Frechheit der Sitten, sondern diese und die folgende Negierung sind auch durch eine Rotzige Verachtung der Gesetze und einen auffallenden Hang zu Attentaten ans Sicherheit und Leben befleckt. Am 22. December 1679 bezeichnet unter andern die London Gazette ein Attentat auf den ruhmreichen John Dryden, der am 18. d. M. in der Rosenstraße, Coventgarden von verschiedenen unbekannten Männern „barbarisch angegriffen und verwundet wurde". Fünfzig Pfund wer¬ den dem versprochen, der die Thäter anzeigt; ist er ein Mitschuldiger oder mittel¬ bar betheiligt, so geruht seine Majestät ihm in Gnade Verzeihung zu versprechen: 2n dieser Periode fing das romantische Verbrechen des Straßenraubs an in Aufnahme zu kommen. Folgende Bekanntmachung zeigt, daß Männer von hoher gesellschaftlicher Stellung unter Umständen nicht verschmähten, sich den Rittern der Heerstraße beizugesellen. ,,Sintemal Herr Herbert Jones, Sach¬ walter in der Stadt Monmouth, wohlbekannt als mehrjähriger Untersheriff >u derselben Grafschaft, kürzlich zu verschiedenen Malen die Briefpost beraubt hat, die von besagter Stadt nach London geht und verschiedene Schriften und Briefe herausgenommen und jetzt vor der Gerechtigkeit geflohen ist und aueh maßlich sich unter den neu aufgehobenen Truppen versteckt hat" — wird dem Entdecker dieses juristischen Highwaymen eine Belohnung (von nur einer Guinee) versprochen. Den Geschmack, den die jacobitischen Zeiten an Bechern fanden, verrathen Zahllose Nachforschungen nach Verlornen oder gestohlenen silbernen Humpen und unaufhörliche Verkäufe von Claret und Canariensect. Man bediente sich damals bei Auctionen nicht des Hammers, sondern die Verkäufe erfolgten durch einen ,,Zoll Lichtkerze"; ein Gebrauch, der seine Erklärung in dem gleichzeitigen, von Macaulay so viel benutzten Tagebuch von Pepys findet. Er ^'zählt, wie ergötzlich es bei einer SchiffSauction gewesen, zu sehn, wie lang¬ sam die Leute anfangs im Bieten sind, wie sie aber, wenn die Kerze im Aus¬ gehen ist, schrien und nachträglich streiten, wer dgS meiste geboten habe. Einer der Mitbietenden hatte eine Bemerkung gemacht, die ihn in den Stand setzte, immer im letzten Augenblick zu bieten und so die andern zu schlagen, er hatte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/133>, abgerufen am 27.06.2024.