Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Festung in der Stadt, und die fränkischen Consulate befinden sich im nörd¬
lichen Theil derselben. Das beste und schönste Hans der Stadt besaß der
britische Consul unter dem Namen eines Pächters, als nomineller Eigenthümer
galt ein Muselmann.

Erzerum ist die gewerbreichste Stadt Armeniens. Besonders erwähnens¬
wert!) sind die Fabriken für Seidenzeuge, Baumwollenwaren, Ledermaroquiu,
Teppiche, Kupfergeschirr und andere Metallwaaren, und die in Erzerum ver¬
fertigten Säbel nach Damascenerart gelten für die besten im osmanischen
Reiche. Besonders aber ist es der lebhafte Handel, namentlich der Transito-
handel, durch welchen die Stadt es zu einem im Orient seltenen Zustand der
Blüte gebracht hat. Seinen bedeutenden Waarentransit verdankt Erzerum
seiner geographischen Lage, welche ihm zugleich eine große politische und stra¬
tegische Bedeutung verleiht. Auf dem Handelswege von Trapezunt nach
Mittelasien und im Brennpunkte mehrer andern Handelsstraßen gelegen, die
es beherrscht, und die von hier im Osten nach Persien, im Norden nach Kars
und mithin nach Georgien oder Grusien, im Westen nach Tokat und Angora
in Anatolien oder Kleinasten, im Nordwesten nach dem Pontus Eurinus, im
Süden und Südosten nach Kurdistan und Mesopotamien führen, ist Erzerum
ein Hauptstapelplatz, welcher den Handel zwischen Europa und der Hafenstadt
Trapezunt einerseits und Kaukasien, Persien, Vorder- und Mittelasien andrer¬
seits vermittelt. Karawanen aus Konstantinopel, Smyrna, Arabien, Persien
". s. w- strömen hier das ganze Jahr hindurch zusammen, und^ hier findet
Tausch oder Verkauf und die Anordnung zur weitern Versendung statt. In
den Karawanserais findet man die reichsten orientalischen Stoffe aller Art,
Perlen, Edelsteine :c. Auf den wöchentlich stattfindenden Märkten wird unter
anderm auch ein lebhafter Handel mit Pferden getrieben, unter denen es echt
arabische gibt, welche von den Karawanen aus Mekka gebracht werden. Im
Sommer sind die Märkte mit Früchten überhäuft, welche größtentheils aus
Erzingan kommen. In jeder Jahreszeit herrscht ein großes Gewühl und Ge¬
tümmel von Menschen, Pferden, Maulthieren und Kameelen, und immer treibt
sich in den Straßen und Bazaren eine Menge von Persern, Kurden, Gru-
siern :e. umher. -- In der Nähe von Erzerum befindet sich ver Berg Egerli-Dagh
mit dem Riesengrabe des Bakaam Ben Baur lBileam Ben Beor), armenische
Klöster und schöne Gräber.

Erzerum wird von einigen für die alte armenische Stadt Aziris (Arzes),
Hauptstadt von Großarmenien, angeblich von einem armenischen Prinzen er¬
baut, von andern für römischen Ursprungs (Arr Romanorum, Ars el Rum,
Arzerum, Ars der Römer) gehalten. Einige halten Erzerum für die von Theo-
dostus dem Großen erbaute, in der Folge als Handelsplatz berühmte Berg¬
festung Theodostopolis. Gewiß ist wenigstens so viel, daß die Stadt durch


Festung in der Stadt, und die fränkischen Consulate befinden sich im nörd¬
lichen Theil derselben. Das beste und schönste Hans der Stadt besaß der
britische Consul unter dem Namen eines Pächters, als nomineller Eigenthümer
galt ein Muselmann.

Erzerum ist die gewerbreichste Stadt Armeniens. Besonders erwähnens¬
wert!) sind die Fabriken für Seidenzeuge, Baumwollenwaren, Ledermaroquiu,
Teppiche, Kupfergeschirr und andere Metallwaaren, und die in Erzerum ver¬
fertigten Säbel nach Damascenerart gelten für die besten im osmanischen
Reiche. Besonders aber ist es der lebhafte Handel, namentlich der Transito-
handel, durch welchen die Stadt es zu einem im Orient seltenen Zustand der
Blüte gebracht hat. Seinen bedeutenden Waarentransit verdankt Erzerum
seiner geographischen Lage, welche ihm zugleich eine große politische und stra¬
tegische Bedeutung verleiht. Auf dem Handelswege von Trapezunt nach
Mittelasien und im Brennpunkte mehrer andern Handelsstraßen gelegen, die
es beherrscht, und die von hier im Osten nach Persien, im Norden nach Kars
und mithin nach Georgien oder Grusien, im Westen nach Tokat und Angora
in Anatolien oder Kleinasten, im Nordwesten nach dem Pontus Eurinus, im
Süden und Südosten nach Kurdistan und Mesopotamien führen, ist Erzerum
ein Hauptstapelplatz, welcher den Handel zwischen Europa und der Hafenstadt
Trapezunt einerseits und Kaukasien, Persien, Vorder- und Mittelasien andrer¬
seits vermittelt. Karawanen aus Konstantinopel, Smyrna, Arabien, Persien
». s. w- strömen hier das ganze Jahr hindurch zusammen, und^ hier findet
Tausch oder Verkauf und die Anordnung zur weitern Versendung statt. In
den Karawanserais findet man die reichsten orientalischen Stoffe aller Art,
Perlen, Edelsteine :c. Auf den wöchentlich stattfindenden Märkten wird unter
anderm auch ein lebhafter Handel mit Pferden getrieben, unter denen es echt
arabische gibt, welche von den Karawanen aus Mekka gebracht werden. Im
Sommer sind die Märkte mit Früchten überhäuft, welche größtentheils aus
Erzingan kommen. In jeder Jahreszeit herrscht ein großes Gewühl und Ge¬
tümmel von Menschen, Pferden, Maulthieren und Kameelen, und immer treibt
sich in den Straßen und Bazaren eine Menge von Persern, Kurden, Gru-
siern :e. umher. — In der Nähe von Erzerum befindet sich ver Berg Egerli-Dagh
mit dem Riesengrabe des Bakaam Ben Baur lBileam Ben Beor), armenische
Klöster und schöne Gräber.

Erzerum wird von einigen für die alte armenische Stadt Aziris (Arzes),
Hauptstadt von Großarmenien, angeblich von einem armenischen Prinzen er¬
baut, von andern für römischen Ursprungs (Arr Romanorum, Ars el Rum,
Arzerum, Ars der Römer) gehalten. Einige halten Erzerum für die von Theo-
dostus dem Großen erbaute, in der Folge als Handelsplatz berühmte Berg¬
festung Theodostopolis. Gewiß ist wenigstens so viel, daß die Stadt durch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0092" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101085"/>
          <p xml:id="ID_262" prev="#ID_261"> Festung in der Stadt, und die fränkischen Consulate befinden sich im nörd¬<lb/>
lichen Theil derselben. Das beste und schönste Hans der Stadt besaß der<lb/>
britische Consul unter dem Namen eines Pächters, als nomineller Eigenthümer<lb/>
galt ein Muselmann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_263"> Erzerum ist die gewerbreichste Stadt Armeniens. Besonders erwähnens¬<lb/>
wert!) sind die Fabriken für Seidenzeuge, Baumwollenwaren, Ledermaroquiu,<lb/>
Teppiche, Kupfergeschirr und andere Metallwaaren, und die in Erzerum ver¬<lb/>
fertigten Säbel nach Damascenerart gelten für die besten im osmanischen<lb/>
Reiche. Besonders aber ist es der lebhafte Handel, namentlich der Transito-<lb/>
handel, durch welchen die Stadt es zu einem im Orient seltenen Zustand der<lb/>
Blüte gebracht hat. Seinen bedeutenden Waarentransit verdankt Erzerum<lb/>
seiner geographischen Lage, welche ihm zugleich eine große politische und stra¬<lb/>
tegische Bedeutung verleiht. Auf dem Handelswege von Trapezunt nach<lb/>
Mittelasien und im Brennpunkte mehrer andern Handelsstraßen gelegen, die<lb/>
es beherrscht, und die von hier im Osten nach Persien, im Norden nach Kars<lb/>
und mithin nach Georgien oder Grusien, im Westen nach Tokat und Angora<lb/>
in Anatolien oder Kleinasten, im Nordwesten nach dem Pontus Eurinus, im<lb/>
Süden und Südosten nach Kurdistan und Mesopotamien führen, ist Erzerum<lb/>
ein Hauptstapelplatz, welcher den Handel zwischen Europa und der Hafenstadt<lb/>
Trapezunt einerseits und Kaukasien, Persien, Vorder- und Mittelasien andrer¬<lb/>
seits vermittelt. Karawanen aus Konstantinopel, Smyrna, Arabien, Persien<lb/>
». s. w- strömen hier das ganze Jahr hindurch zusammen, und^ hier findet<lb/>
Tausch oder Verkauf und die Anordnung zur weitern Versendung statt. In<lb/>
den Karawanserais findet man die reichsten orientalischen Stoffe aller Art,<lb/>
Perlen, Edelsteine :c. Auf den wöchentlich stattfindenden Märkten wird unter<lb/>
anderm auch ein lebhafter Handel mit Pferden getrieben, unter denen es echt<lb/>
arabische gibt, welche von den Karawanen aus Mekka gebracht werden. Im<lb/>
Sommer sind die Märkte mit Früchten überhäuft, welche größtentheils aus<lb/>
Erzingan kommen. In jeder Jahreszeit herrscht ein großes Gewühl und Ge¬<lb/>
tümmel von Menschen, Pferden, Maulthieren und Kameelen, und immer treibt<lb/>
sich in den Straßen und Bazaren eine Menge von Persern, Kurden, Gru-<lb/>
siern :e. umher. &#x2014; In der Nähe von Erzerum befindet sich ver Berg Egerli-Dagh<lb/>
mit dem Riesengrabe des Bakaam Ben Baur lBileam Ben Beor), armenische<lb/>
Klöster und schöne Gräber.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_264" next="#ID_265"> Erzerum wird von einigen für die alte armenische Stadt Aziris (Arzes),<lb/>
Hauptstadt von Großarmenien, angeblich von einem armenischen Prinzen er¬<lb/>
baut, von andern für römischen Ursprungs (Arr Romanorum, Ars el Rum,<lb/>
Arzerum, Ars der Römer) gehalten. Einige halten Erzerum für die von Theo-<lb/>
dostus dem Großen erbaute, in der Folge als Handelsplatz berühmte Berg¬<lb/>
festung Theodostopolis.  Gewiß ist wenigstens so viel, daß die Stadt durch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0092] Festung in der Stadt, und die fränkischen Consulate befinden sich im nörd¬ lichen Theil derselben. Das beste und schönste Hans der Stadt besaß der britische Consul unter dem Namen eines Pächters, als nomineller Eigenthümer galt ein Muselmann. Erzerum ist die gewerbreichste Stadt Armeniens. Besonders erwähnens¬ wert!) sind die Fabriken für Seidenzeuge, Baumwollenwaren, Ledermaroquiu, Teppiche, Kupfergeschirr und andere Metallwaaren, und die in Erzerum ver¬ fertigten Säbel nach Damascenerart gelten für die besten im osmanischen Reiche. Besonders aber ist es der lebhafte Handel, namentlich der Transito- handel, durch welchen die Stadt es zu einem im Orient seltenen Zustand der Blüte gebracht hat. Seinen bedeutenden Waarentransit verdankt Erzerum seiner geographischen Lage, welche ihm zugleich eine große politische und stra¬ tegische Bedeutung verleiht. Auf dem Handelswege von Trapezunt nach Mittelasien und im Brennpunkte mehrer andern Handelsstraßen gelegen, die es beherrscht, und die von hier im Osten nach Persien, im Norden nach Kars und mithin nach Georgien oder Grusien, im Westen nach Tokat und Angora in Anatolien oder Kleinasten, im Nordwesten nach dem Pontus Eurinus, im Süden und Südosten nach Kurdistan und Mesopotamien führen, ist Erzerum ein Hauptstapelplatz, welcher den Handel zwischen Europa und der Hafenstadt Trapezunt einerseits und Kaukasien, Persien, Vorder- und Mittelasien andrer¬ seits vermittelt. Karawanen aus Konstantinopel, Smyrna, Arabien, Persien ». s. w- strömen hier das ganze Jahr hindurch zusammen, und^ hier findet Tausch oder Verkauf und die Anordnung zur weitern Versendung statt. In den Karawanserais findet man die reichsten orientalischen Stoffe aller Art, Perlen, Edelsteine :c. Auf den wöchentlich stattfindenden Märkten wird unter anderm auch ein lebhafter Handel mit Pferden getrieben, unter denen es echt arabische gibt, welche von den Karawanen aus Mekka gebracht werden. Im Sommer sind die Märkte mit Früchten überhäuft, welche größtentheils aus Erzingan kommen. In jeder Jahreszeit herrscht ein großes Gewühl und Ge¬ tümmel von Menschen, Pferden, Maulthieren und Kameelen, und immer treibt sich in den Straßen und Bazaren eine Menge von Persern, Kurden, Gru- siern :e. umher. — In der Nähe von Erzerum befindet sich ver Berg Egerli-Dagh mit dem Riesengrabe des Bakaam Ben Baur lBileam Ben Beor), armenische Klöster und schöne Gräber. Erzerum wird von einigen für die alte armenische Stadt Aziris (Arzes), Hauptstadt von Großarmenien, angeblich von einem armenischen Prinzen er¬ baut, von andern für römischen Ursprungs (Arr Romanorum, Ars el Rum, Arzerum, Ars der Römer) gehalten. Einige halten Erzerum für die von Theo- dostus dem Großen erbaute, in der Folge als Handelsplatz berühmte Berg¬ festung Theodostopolis. Gewiß ist wenigstens so viel, daß die Stadt durch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/92
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/92>, abgerufen am 23.07.2024.