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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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den ^H'. Jahrgang. Die unterzeichnete Verlagshandlung erlaubt
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Leipzig, im December 1855.Friedr. Ludw .Herbig.

Erzerum.

Die Stadt Erzerum, die Hauptstadt deö türkischen Armeniens und des
Paschaliks oder Ejaletö Erzerum, ist eine der vorzüglichsten und reichsten Städte
der asiatischen Türkei und höchst wichtig durch ihre militärische Lage, da sie
gewissermaßen den Grenzmittelpunkt gegen die beiden benachbarten Mächte,
Rußland und Persien, bildet. Erzerum liegt am Ostende der weiten/ vom nörd¬
lichen Euphratarme bewässerten Hochebene, im Owathale, das mit Dörfern
besäet ist und auf zwei Seiten von der Stadt beherrscht wirb, wahrend diese
gegen Norden und Osten an Berge stößt. Ihre geographische Lage ist unter
39"S^ nördlicher Breite und i-I°-I8' östlicher Länge von Greenwich, also
südlicher als die von Konstantinopel und Trapezunt. Die Entfernung von
Kars beträgt ungefähr 2S, die von Tiflis 60 Meilen. Erzerum theilt sich
gleich den meisten größern Städten der Türkei in Festung und Stadt, waS
etwa der bei uns gebräuchlichen Bezeichnung innere und äußere Stadt ent¬
spricht. Auf dem höchsten Punkte der Festung liegt die Citadelle, Jeses-Kate
genannt, welche die ganze Stadt beherrscht und aus einem mit acht Thürmen
besetzten länglichen Viereck von hohen und dicke" Mauern besteht. Die östlich
diese Citadelle berührende Festung hat vier Thore und eine doppelte, mit
Zinnen versehene Ringmauer von gleicher Stärke wie die der Citadelle, mit
einem ringsum laufenden äußern und innern Graben, die innere Mauer ist
durch 62 Thürme verstärkt. Auf der Nordseite befindet sich in der Ringmauer
eine beträchtliche Lücke, welche nicht durch das russische Geschütz im Jahre
1829, sondern durch ein Erdbeben entstanden ist. Auch die weiten, mit Schutt
bedeckten Plätze im Innern der Festung verdanken diesem Naturereignis; ihr
Dasein. Obgleich seit jenem Erdbeben mehr als zwanzig Jahre verstrichen
sind, so hat die türkische Indolenz doch bis vor kurzem noch nicht an die Aus¬
füllung jener Mauerlücke und an den Wiederaufbau der eingestürzten Häuser
gedacht. In der Stadt oder vielmehr in den außerhalb der Festung liegenden
Vorstädten, die sich gegen den mit der Citadelle in gleicher Höhe liegenden
Top-Dagh (Kanoncnberg) hinziehen, sind dagegen die Trümmer fast ganz ver¬
schwunden. Außer den erwähnten Befestigungen besitzt Erzerum noch einen
Graben mit Erdanfwurf, der sich um die Festung und die Stadt hinzieht.


Grenzboten. I. 11

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Leipzig, im December 1855.Friedr. Ludw .Herbig.

Erzerum.

Die Stadt Erzerum, die Hauptstadt deö türkischen Armeniens und des
Paschaliks oder Ejaletö Erzerum, ist eine der vorzüglichsten und reichsten Städte
der asiatischen Türkei und höchst wichtig durch ihre militärische Lage, da sie
gewissermaßen den Grenzmittelpunkt gegen die beiden benachbarten Mächte,
Rußland und Persien, bildet. Erzerum liegt am Ostende der weiten/ vom nörd¬
lichen Euphratarme bewässerten Hochebene, im Owathale, das mit Dörfern
besäet ist und auf zwei Seiten von der Stadt beherrscht wirb, wahrend diese
gegen Norden und Osten an Berge stößt. Ihre geographische Lage ist unter
39"S^ nördlicher Breite und i-I°-I8' östlicher Länge von Greenwich, also
südlicher als die von Konstantinopel und Trapezunt. Die Entfernung von
Kars beträgt ungefähr 2S, die von Tiflis 60 Meilen. Erzerum theilt sich
gleich den meisten größern Städten der Türkei in Festung und Stadt, waS
etwa der bei uns gebräuchlichen Bezeichnung innere und äußere Stadt ent¬
spricht. Auf dem höchsten Punkte der Festung liegt die Citadelle, Jeses-Kate
genannt, welche die ganze Stadt beherrscht und aus einem mit acht Thürmen
besetzten länglichen Viereck von hohen und dicke» Mauern besteht. Die östlich
diese Citadelle berührende Festung hat vier Thore und eine doppelte, mit
Zinnen versehene Ringmauer von gleicher Stärke wie die der Citadelle, mit
einem ringsum laufenden äußern und innern Graben, die innere Mauer ist
durch 62 Thürme verstärkt. Auf der Nordseite befindet sich in der Ringmauer
eine beträchtliche Lücke, welche nicht durch das russische Geschütz im Jahre
1829, sondern durch ein Erdbeben entstanden ist. Auch die weiten, mit Schutt
bedeckten Plätze im Innern der Festung verdanken diesem Naturereignis; ihr
Dasein. Obgleich seit jenem Erdbeben mehr als zwanzig Jahre verstrichen
sind, so hat die türkische Indolenz doch bis vor kurzem noch nicht an die Aus¬
füllung jener Mauerlücke und an den Wiederaufbau der eingestürzten Häuser
gedacht. In der Stadt oder vielmehr in den außerhalb der Festung liegenden
Vorstädten, die sich gegen den mit der Citadelle in gleicher Höhe liegenden
Top-Dagh (Kanoncnberg) hinziehen, sind dagegen die Trümmer fast ganz ver¬
schwunden. Außer den erwähnten Befestigungen besitzt Erzerum noch einen
Graben mit Erdanfwurf, der sich um die Festung und die Stadt hinzieht.


Grenzboten. I. 11
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/89>, abgerufen am 23.07.2024.