Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ich setze hinzu, daß diese Summe ziemlich knapp bemessen ist und daß andere
Rechner möglicherweise zu einer größern gelangen werden.

Es wird kaum von irgendeiner Seite her ein Zweifel dagegen erhoben wer¬
den, daß die wider Nußland verbündeten Mächte im Stande sein werden,
eine Streitmasse, wie die, welche der in vorangehenden Abschnitt angestellte
Calcül ermittelte, für den großen Zweck, die Dinge in der Krim durch die
Bedrohung von Perckop zum Abschluß zu bringen und eine weitgespannte
Basis für einen spätern Feldzug, der sich Kiew zum Hauptoperationsobject
setzen möchte, in Bessarabien zu vereinigen. Im Gegensatz zu einer früher vielfach
von Russenfreunden aufgestellten Behauptung, wonach die letzte Campagne in
der Krim schon die englischen Hecreskräfte erschöpft und Frankreich in eine
der Erschöpfung nahe Lage gebracht hätte, beweisen die Rüstungen, welche eben
jetzt in beiden Ländern im Gange sind, daß der Krieg seither nur dazu bei¬
getragen hat, die militärischen Kräfte derselben zur freieren und ausgedehn¬
teren Entwicklung zu bringen. Die Aufstellung von einer Viertelmillion Sol¬
daten über die heute zur Verwendung gebrachte Zahl hinaus, würde die Lei¬
stungsfähigkeit beider Mächte, die außerdem nicht allein stehen, sondern am
Pontus auch auf die Unterstützung Sardiniens und der Pforte, vielleicht auch
Spaniens zählen können, so wenig übersteigen, daß man dreist sagen kann,
sie würden allenfalls eine halbe Million zur Stelle schaffen können; aber es
gibt einen Grund, der es unwahrscheinlich erscheinen läßt, daß man schon im
nächsten Frühjahr die besprochene Unternehmung einleiten werde, was mit
andern Worten so viel sagen will, als daß man überhaupt die Entscheidung
in der Krim durch einen Marsch vom Pruth gegen Perekop herbeiführen wird:
die jenem Termin schon ziemlich weit entgegengeschrittene Zeit. Ein so uner¬
meßliches Vorhaben, wie ein überseeischer Feldzug, bei dem dritthalbhundert-
tausend Mann zur Verwendung kommen, erheischt Vorbereitungen, die schlechter¬
dings nicht in einer kleinen Zahl von Monaten beendet werden können und
die spätestens gleich nach dem Fall von Sebastvpol hätten begonnen werden
müssen, wenn man im März oder April, ja wenn man auch nur im Mai erst
schlagfertig dastehen wollte. Um diese Consequenz in ihrer ganzen Nothwendig¬
keit zu empfinden, möge man sich erinnern, welche außerordentliche Anstren¬
gungen es gekostet, um im März d. I. die französische Armee in der Krim
aus den Bestand von 110,000 Mann ZU erheben. Die bei weitem größere
Hälfte der französischen Kriegsmarine wurde zu diesem Zweck vom November
v. I. (18iiL) an zu diesem Zwecke im Transporldieust Verwender und schließlich
fehlte der gedachten Armee im entscheidenden Augenblick ihrer Wirksamkeit noch
so manches. Wen" aber die Verbündeten im nächsten Frühjahr keinen bessarabi-
schen Feldzug eröffnen werden, weil die Vorbereitungen für solches Unter¬
nehmen bis dahin nicht beendigt werden können, so entsteht die Frage, auf


ich setze hinzu, daß diese Summe ziemlich knapp bemessen ist und daß andere
Rechner möglicherweise zu einer größern gelangen werden.

Es wird kaum von irgendeiner Seite her ein Zweifel dagegen erhoben wer¬
den, daß die wider Nußland verbündeten Mächte im Stande sein werden,
eine Streitmasse, wie die, welche der in vorangehenden Abschnitt angestellte
Calcül ermittelte, für den großen Zweck, die Dinge in der Krim durch die
Bedrohung von Perckop zum Abschluß zu bringen und eine weitgespannte
Basis für einen spätern Feldzug, der sich Kiew zum Hauptoperationsobject
setzen möchte, in Bessarabien zu vereinigen. Im Gegensatz zu einer früher vielfach
von Russenfreunden aufgestellten Behauptung, wonach die letzte Campagne in
der Krim schon die englischen Hecreskräfte erschöpft und Frankreich in eine
der Erschöpfung nahe Lage gebracht hätte, beweisen die Rüstungen, welche eben
jetzt in beiden Ländern im Gange sind, daß der Krieg seither nur dazu bei¬
getragen hat, die militärischen Kräfte derselben zur freieren und ausgedehn¬
teren Entwicklung zu bringen. Die Aufstellung von einer Viertelmillion Sol¬
daten über die heute zur Verwendung gebrachte Zahl hinaus, würde die Lei¬
stungsfähigkeit beider Mächte, die außerdem nicht allein stehen, sondern am
Pontus auch auf die Unterstützung Sardiniens und der Pforte, vielleicht auch
Spaniens zählen können, so wenig übersteigen, daß man dreist sagen kann,
sie würden allenfalls eine halbe Million zur Stelle schaffen können; aber es
gibt einen Grund, der es unwahrscheinlich erscheinen läßt, daß man schon im
nächsten Frühjahr die besprochene Unternehmung einleiten werde, was mit
andern Worten so viel sagen will, als daß man überhaupt die Entscheidung
in der Krim durch einen Marsch vom Pruth gegen Perekop herbeiführen wird:
die jenem Termin schon ziemlich weit entgegengeschrittene Zeit. Ein so uner¬
meßliches Vorhaben, wie ein überseeischer Feldzug, bei dem dritthalbhundert-
tausend Mann zur Verwendung kommen, erheischt Vorbereitungen, die schlechter¬
dings nicht in einer kleinen Zahl von Monaten beendet werden können und
die spätestens gleich nach dem Fall von Sebastvpol hätten begonnen werden
müssen, wenn man im März oder April, ja wenn man auch nur im Mai erst
schlagfertig dastehen wollte. Um diese Consequenz in ihrer ganzen Nothwendig¬
keit zu empfinden, möge man sich erinnern, welche außerordentliche Anstren¬
gungen es gekostet, um im März d. I. die französische Armee in der Krim
aus den Bestand von 110,000 Mann ZU erheben. Die bei weitem größere
Hälfte der französischen Kriegsmarine wurde zu diesem Zweck vom November
v. I. (18iiL) an zu diesem Zwecke im Transporldieust Verwender und schließlich
fehlte der gedachten Armee im entscheidenden Augenblick ihrer Wirksamkeit noch
so manches. Wen» aber die Verbündeten im nächsten Frühjahr keinen bessarabi-
schen Feldzug eröffnen werden, weil die Vorbereitungen für solches Unter¬
nehmen bis dahin nicht beendigt werden können, so entsteht die Frage, auf


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0084" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101077"/>
          <p xml:id="ID_245" prev="#ID_244"> ich setze hinzu, daß diese Summe ziemlich knapp bemessen ist und daß andere<lb/>
Rechner möglicherweise zu einer größern gelangen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_246" next="#ID_247"> Es wird kaum von irgendeiner Seite her ein Zweifel dagegen erhoben wer¬<lb/>
den, daß die wider Nußland verbündeten Mächte im Stande sein werden,<lb/>
eine Streitmasse, wie die, welche der in vorangehenden Abschnitt angestellte<lb/>
Calcül ermittelte, für den großen Zweck, die Dinge in der Krim durch die<lb/>
Bedrohung von Perckop zum Abschluß zu bringen und eine weitgespannte<lb/>
Basis für einen spätern Feldzug, der sich Kiew zum Hauptoperationsobject<lb/>
setzen möchte, in Bessarabien zu vereinigen. Im Gegensatz zu einer früher vielfach<lb/>
von Russenfreunden aufgestellten Behauptung, wonach die letzte Campagne in<lb/>
der Krim schon die englischen Hecreskräfte erschöpft und Frankreich in eine<lb/>
der Erschöpfung nahe Lage gebracht hätte, beweisen die Rüstungen, welche eben<lb/>
jetzt in beiden Ländern im Gange sind, daß der Krieg seither nur dazu bei¬<lb/>
getragen hat, die militärischen Kräfte derselben zur freieren und ausgedehn¬<lb/>
teren Entwicklung zu bringen.  Die Aufstellung von einer Viertelmillion Sol¬<lb/>
daten über die heute zur Verwendung gebrachte Zahl hinaus, würde die Lei¬<lb/>
stungsfähigkeit beider Mächte, die außerdem nicht allein stehen, sondern am<lb/>
Pontus auch auf die Unterstützung Sardiniens und der Pforte, vielleicht auch<lb/>
Spaniens zählen können, so wenig übersteigen, daß man dreist sagen kann,<lb/>
sie würden allenfalls eine halbe Million zur Stelle schaffen können; aber es<lb/>
gibt einen Grund, der es unwahrscheinlich erscheinen läßt, daß man schon im<lb/>
nächsten Frühjahr die besprochene Unternehmung einleiten werde, was mit<lb/>
andern Worten so viel sagen will, als daß man überhaupt die Entscheidung<lb/>
in der Krim durch einen Marsch vom Pruth gegen Perekop herbeiführen wird:<lb/>
die jenem Termin schon ziemlich weit entgegengeschrittene Zeit.  Ein so uner¬<lb/>
meßliches Vorhaben, wie ein überseeischer Feldzug, bei dem dritthalbhundert-<lb/>
tausend Mann zur Verwendung kommen, erheischt Vorbereitungen, die schlechter¬<lb/>
dings nicht in einer kleinen Zahl von Monaten beendet werden können und<lb/>
die spätestens gleich nach dem Fall von Sebastvpol hätten begonnen werden<lb/>
müssen, wenn man im März oder April, ja wenn man auch nur im Mai erst<lb/>
schlagfertig dastehen wollte. Um diese Consequenz in ihrer ganzen Nothwendig¬<lb/>
keit zu empfinden, möge man sich erinnern, welche außerordentliche Anstren¬<lb/>
gungen es gekostet, um im März d. I. die französische Armee in der Krim<lb/>
aus den Bestand von 110,000 Mann ZU erheben.  Die bei weitem größere<lb/>
Hälfte der französischen Kriegsmarine wurde zu diesem Zweck vom November<lb/>
v. I. (18iiL) an zu diesem Zwecke im Transporldieust Verwender und schließlich<lb/>
fehlte der gedachten Armee im entscheidenden Augenblick ihrer Wirksamkeit noch<lb/>
so manches. Wen» aber die Verbündeten im nächsten Frühjahr keinen bessarabi-<lb/>
schen Feldzug eröffnen werden, weil die Vorbereitungen für solches Unter¬<lb/>
nehmen bis dahin nicht beendigt werden können, so entsteht die Frage, auf</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0084] ich setze hinzu, daß diese Summe ziemlich knapp bemessen ist und daß andere Rechner möglicherweise zu einer größern gelangen werden. Es wird kaum von irgendeiner Seite her ein Zweifel dagegen erhoben wer¬ den, daß die wider Nußland verbündeten Mächte im Stande sein werden, eine Streitmasse, wie die, welche der in vorangehenden Abschnitt angestellte Calcül ermittelte, für den großen Zweck, die Dinge in der Krim durch die Bedrohung von Perckop zum Abschluß zu bringen und eine weitgespannte Basis für einen spätern Feldzug, der sich Kiew zum Hauptoperationsobject setzen möchte, in Bessarabien zu vereinigen. Im Gegensatz zu einer früher vielfach von Russenfreunden aufgestellten Behauptung, wonach die letzte Campagne in der Krim schon die englischen Hecreskräfte erschöpft und Frankreich in eine der Erschöpfung nahe Lage gebracht hätte, beweisen die Rüstungen, welche eben jetzt in beiden Ländern im Gange sind, daß der Krieg seither nur dazu bei¬ getragen hat, die militärischen Kräfte derselben zur freieren und ausgedehn¬ teren Entwicklung zu bringen. Die Aufstellung von einer Viertelmillion Sol¬ daten über die heute zur Verwendung gebrachte Zahl hinaus, würde die Lei¬ stungsfähigkeit beider Mächte, die außerdem nicht allein stehen, sondern am Pontus auch auf die Unterstützung Sardiniens und der Pforte, vielleicht auch Spaniens zählen können, so wenig übersteigen, daß man dreist sagen kann, sie würden allenfalls eine halbe Million zur Stelle schaffen können; aber es gibt einen Grund, der es unwahrscheinlich erscheinen läßt, daß man schon im nächsten Frühjahr die besprochene Unternehmung einleiten werde, was mit andern Worten so viel sagen will, als daß man überhaupt die Entscheidung in der Krim durch einen Marsch vom Pruth gegen Perekop herbeiführen wird: die jenem Termin schon ziemlich weit entgegengeschrittene Zeit. Ein so uner¬ meßliches Vorhaben, wie ein überseeischer Feldzug, bei dem dritthalbhundert- tausend Mann zur Verwendung kommen, erheischt Vorbereitungen, die schlechter¬ dings nicht in einer kleinen Zahl von Monaten beendet werden können und die spätestens gleich nach dem Fall von Sebastvpol hätten begonnen werden müssen, wenn man im März oder April, ja wenn man auch nur im Mai erst schlagfertig dastehen wollte. Um diese Consequenz in ihrer ganzen Nothwendig¬ keit zu empfinden, möge man sich erinnern, welche außerordentliche Anstren¬ gungen es gekostet, um im März d. I. die französische Armee in der Krim aus den Bestand von 110,000 Mann ZU erheben. Die bei weitem größere Hälfte der französischen Kriegsmarine wurde zu diesem Zweck vom November v. I. (18iiL) an zu diesem Zwecke im Transporldieust Verwender und schließlich fehlte der gedachten Armee im entscheidenden Augenblick ihrer Wirksamkeit noch so manches. Wen» aber die Verbündeten im nächsten Frühjahr keinen bessarabi- schen Feldzug eröffnen werden, weil die Vorbereitungen für solches Unter¬ nehmen bis dahin nicht beendigt werden können, so entsteht die Frage, auf

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/84
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/84>, abgerufen am 23.07.2024.