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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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sein werden, bis zum nächsten Frühjahr aus das Doppelte wird vermehren las¬
sen; d. h. ich würde es als nichts Außerordentliches ansehen, wenn Paniu-
tine im nächsten Monat März über 70--80,000 Mann disponiren könnte.
Diese Masse würde, "in den letztgedachten Zeitpunkt in Marsch gesetzt, im
Stande sein, zu Anfang Mai bei Odessa oder Nikolajew einzutreffen, indeß
würde solche Verwendung d. h. die Vereinigung der Centralarmee mit der des
schwarzen Meeres (unter Lüders) kaum dem russischen Defeuslvinteresse ent¬
sprechen , und ist darum wenig wahrscheinlich; als viel glaublicher stellt sich
dar> daß Nußland durch diese Armee den Rückstoß in die linke Flanke deö
Angriffs vorbereiten lassen und aus diesem Grunde sie erst spät in Action
treten lassen wird. Sie kann sich inzwischen verstärken, und im Laufe des
Sommers, wenn die Verbündeten am Dniepr stehen werden, den Bestand von
100,000 Mann erreichen. Der Effect, den das plötzliche Vorgehen dieser
Masse bewirken würde, wäre dann sicher ein großer, vorausgesetzt, daß man
selten des Angriffs nicht rückweisende Vorkehrungen getroffen hätte.

Um es hier noch einmal zu wiederholen, sind es also, abgesehen von allen
kleinen Corps, zu deren Formirung das russische Defensivinteresse sich möglicher¬
weise bestimmen lassen mag', zwei Hauptarmeen, eine frontale von 60,000
und eine andere in der Flanke stehende von etwa 80,000 Mann (oder im
schlimmsten Falle von 100,000), mit denen es die Verbündeten zu thun
haben werden. Diese Verhältnisse sind insofern abnormer Art, als der Haupt-
accent der Vertheidigung dabei ersichtlich im voraus auf den Rückstoß von der
Seite her gelegt ist und wie eben nachgewiesen worden, gelegt werden mußte.
Der Angriff wird sich ihnen gegenüber in der Nothwendigkeit befinden, seinen
in die linke Flanke des Vorgangs disponirten Streitkräften eine ganz außer¬
gewöhnliche Stärke zu ertheilen, die mit 70--80,000 Mann vielleicht nicht zu
hoch angeschlagen ist, wenn auch in einer besonders geschickten Hand 60,000 Mann
genügen mögen. Ich nehme hier 70,000 Mann als eine mittlere Ziffer an.
Die Basis am Pruth kann nicht füglich ohne 20,000 Mann gelassen werden;
ebensoviel wird eine Zwischenbasis am Dniester und Bug wegnehmen, was
die zur Deckung des Rückens nothwendigen Streitkräfte auf 110,000 Mann
feststellt. Endlich mag daS Flügelcorps mit 20,000 Mann in Rechnung gestellt
werden. Da die Hauptarmee es unter allen Umständen mit 60,000 Mann zu
thun haben wird, die außerdem noch durch LocaUruppen um ein Bedeutendes
verstärkt werden dürften (Denn wir konnten uns im Obigen der Annahme nicht
entziehen, daß Druschinen die Besatzungen von Odessa, Nikolajew und Cher-
son ersetzen würden), so scheint ihre Festsetzung auf 100,000 Mann eine ge¬
rechtfertigte zu sein. Die Gesammtmasse an Streitkräften, welche das Kriegs¬
theater erfordert, beliefe sich, sie einbegriffen, sonach ans 230,000 Mann und


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sein werden, bis zum nächsten Frühjahr aus das Doppelte wird vermehren las¬
sen; d. h. ich würde es als nichts Außerordentliches ansehen, wenn Paniu-
tine im nächsten Monat März über 70—80,000 Mann disponiren könnte.
Diese Masse würde, „in den letztgedachten Zeitpunkt in Marsch gesetzt, im
Stande sein, zu Anfang Mai bei Odessa oder Nikolajew einzutreffen, indeß
würde solche Verwendung d. h. die Vereinigung der Centralarmee mit der des
schwarzen Meeres (unter Lüders) kaum dem russischen Defeuslvinteresse ent¬
sprechen , und ist darum wenig wahrscheinlich; als viel glaublicher stellt sich
dar> daß Nußland durch diese Armee den Rückstoß in die linke Flanke deö
Angriffs vorbereiten lassen und aus diesem Grunde sie erst spät in Action
treten lassen wird. Sie kann sich inzwischen verstärken, und im Laufe des
Sommers, wenn die Verbündeten am Dniepr stehen werden, den Bestand von
100,000 Mann erreichen. Der Effect, den das plötzliche Vorgehen dieser
Masse bewirken würde, wäre dann sicher ein großer, vorausgesetzt, daß man
selten des Angriffs nicht rückweisende Vorkehrungen getroffen hätte.

Um es hier noch einmal zu wiederholen, sind es also, abgesehen von allen
kleinen Corps, zu deren Formirung das russische Defensivinteresse sich möglicher¬
weise bestimmen lassen mag', zwei Hauptarmeen, eine frontale von 60,000
und eine andere in der Flanke stehende von etwa 80,000 Mann (oder im
schlimmsten Falle von 100,000), mit denen es die Verbündeten zu thun
haben werden. Diese Verhältnisse sind insofern abnormer Art, als der Haupt-
accent der Vertheidigung dabei ersichtlich im voraus auf den Rückstoß von der
Seite her gelegt ist und wie eben nachgewiesen worden, gelegt werden mußte.
Der Angriff wird sich ihnen gegenüber in der Nothwendigkeit befinden, seinen
in die linke Flanke des Vorgangs disponirten Streitkräften eine ganz außer¬
gewöhnliche Stärke zu ertheilen, die mit 70—80,000 Mann vielleicht nicht zu
hoch angeschlagen ist, wenn auch in einer besonders geschickten Hand 60,000 Mann
genügen mögen. Ich nehme hier 70,000 Mann als eine mittlere Ziffer an.
Die Basis am Pruth kann nicht füglich ohne 20,000 Mann gelassen werden;
ebensoviel wird eine Zwischenbasis am Dniester und Bug wegnehmen, was
die zur Deckung des Rückens nothwendigen Streitkräfte auf 110,000 Mann
feststellt. Endlich mag daS Flügelcorps mit 20,000 Mann in Rechnung gestellt
werden. Da die Hauptarmee es unter allen Umständen mit 60,000 Mann zu
thun haben wird, die außerdem noch durch LocaUruppen um ein Bedeutendes
verstärkt werden dürften (Denn wir konnten uns im Obigen der Annahme nicht
entziehen, daß Druschinen die Besatzungen von Odessa, Nikolajew und Cher-
son ersetzen würden), so scheint ihre Festsetzung auf 100,000 Mann eine ge¬
rechtfertigte zu sein. Die Gesammtmasse an Streitkräften, welche das Kriegs¬
theater erfordert, beliefe sich, sie einbegriffen, sonach ans 230,000 Mann und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/83>, abgerufen am 25.08.2024.