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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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sich auch durch literarische Bildung aus, er machte dichterische Versuche und
wir werden ihn später bei deutschen Opernterten für Mozart betheiligt finden.
Er verkehrte sehr viel im mozartschen Hause, und wie warm und treu er an
demselben hing bezeugt dieser Brief, welchen er bald nach Mozarts Tode an
dessen Schwester schrieb. Die Wärme und Treuherzigkeit, die Unmittelbarkeit
der Erinnerungen, welche sich darin ausspricht, kaun in jeder Bearbeitung nur
verlieren; auch deshalb gebe ich ihn wörtlich"

"Hochwohledelgeborne gnädige Frau!"

"Deroselben sehr angenehmes Schreiben krass mich nicht in Salzburg,
sondern in der Hammerau an, wo ich eben bey meinem Sohne, dortigem Mit¬
beamten beim Obverwesamt auf einen Besuch war; aus meiner sonstigen
Willfährigkeit gegen Jedermann, und vorzüglich gegen das Mozartische Haus,
können Sie schließen, wie sehr leid mir war, daß ich nicht auf der Stelle
ihren Auftrag befriedigen konnte. Zur Sache also! auf Ihre erste Frage was
Ihr seel. Hr. Bruder in seiner Kindheit "M. anßer seiner Beschäftigung in
der Musik) für LieblingSspiele hatte: auf diese Frage ist nichts zu beantworten:
den" sobald er mit der Musik sich abzugeben anfieng, waren alle seine Sinne
für alle übrigen Geschäfte, soviel als todt"), und selbst die Kindereyen Und
Tändelspiele mußten, wenn sie für ihn interssZÄNt seyn sollten, von der Musik
begleitet werden: wenn wir, Er und Ich, Spielzeuge zum Tändeln von einem
Zimmer ins andere trugen, mußte allemal derjenige von uns, so leer ging,
einen Marsch dazu singen und geigen. Vor 'dieser Zeit aber, eh er die Musik
anfieng, war er für jede Kinderey, die mit ein bischen Witz gewürzt war, so
empfänglich, daß er darüber Essen und Trinken und alles andere vergessen
konnte. Ich ward ihm daher, weil ich, wie Sie wissen, mich mit ihm abgab,
so äußerst lieb, daß er mich oft zehnmal an einem Tage fragte, ob ich ihn
lieb hätte und wenn ich es zuweilen, auch nur zum Spaß verneinte, stunden
ihm gleich die hellichten Zähren im Auge, so zärtlich und so wohlwollend war
sein gutes Herzchen."

"Zweite Frage, wie er sich als Kind gegen die Großen benahm, wenn
sie sein Talent und Kunst in der Älusik bewunderten?"

"Wahrhaftig da verrieth er nichts weniger als Stolz oder Ehrsucht: denn
diese hätte er nie besser befriedigen können, als wenn er Leuten die die Musik
wenig oder gar nicht verstanden, vorgespielt hätte, aber er wollte nie spielen,



') "Als Kind und Knab warst Dn mehr ernsthaft als kindisch", schreibt L. Mozart
-Il>. Febr. 1778 "und wenn D" beym Klavier saßest oder sonst mit Musik zu thun hattest,
so durste sich niemand unterstehen dir den "lindester Spaß zu machen. Ja'Dn wärest selbst
in Deiner Gesichtsbildung so ernsthaft, daß viele einsichtsvolle Personen wegen dem zu früh
anstciiycndcn Talente und Deiner immer ernsthaft nachdenkende" Gesichtsbildung für Dein
langes Leben besorgt waren."

sich auch durch literarische Bildung aus, er machte dichterische Versuche und
wir werden ihn später bei deutschen Opernterten für Mozart betheiligt finden.
Er verkehrte sehr viel im mozartschen Hause, und wie warm und treu er an
demselben hing bezeugt dieser Brief, welchen er bald nach Mozarts Tode an
dessen Schwester schrieb. Die Wärme und Treuherzigkeit, die Unmittelbarkeit
der Erinnerungen, welche sich darin ausspricht, kaun in jeder Bearbeitung nur
verlieren; auch deshalb gebe ich ihn wörtlich"

„Hochwohledelgeborne gnädige Frau!"

„Deroselben sehr angenehmes Schreiben krass mich nicht in Salzburg,
sondern in der Hammerau an, wo ich eben bey meinem Sohne, dortigem Mit¬
beamten beim Obverwesamt auf einen Besuch war; aus meiner sonstigen
Willfährigkeit gegen Jedermann, und vorzüglich gegen das Mozartische Haus,
können Sie schließen, wie sehr leid mir war, daß ich nicht auf der Stelle
ihren Auftrag befriedigen konnte. Zur Sache also! auf Ihre erste Frage was
Ihr seel. Hr. Bruder in seiner Kindheit «M. anßer seiner Beschäftigung in
der Musik) für LieblingSspiele hatte: auf diese Frage ist nichts zu beantworten:
den» sobald er mit der Musik sich abzugeben anfieng, waren alle seine Sinne
für alle übrigen Geschäfte, soviel als todt"), und selbst die Kindereyen Und
Tändelspiele mußten, wenn sie für ihn interssZÄNt seyn sollten, von der Musik
begleitet werden: wenn wir, Er und Ich, Spielzeuge zum Tändeln von einem
Zimmer ins andere trugen, mußte allemal derjenige von uns, so leer ging,
einen Marsch dazu singen und geigen. Vor 'dieser Zeit aber, eh er die Musik
anfieng, war er für jede Kinderey, die mit ein bischen Witz gewürzt war, so
empfänglich, daß er darüber Essen und Trinken und alles andere vergessen
konnte. Ich ward ihm daher, weil ich, wie Sie wissen, mich mit ihm abgab,
so äußerst lieb, daß er mich oft zehnmal an einem Tage fragte, ob ich ihn
lieb hätte und wenn ich es zuweilen, auch nur zum Spaß verneinte, stunden
ihm gleich die hellichten Zähren im Auge, so zärtlich und so wohlwollend war
sein gutes Herzchen."

„Zweite Frage, wie er sich als Kind gegen die Großen benahm, wenn
sie sein Talent und Kunst in der Älusik bewunderten?"

„Wahrhaftig da verrieth er nichts weniger als Stolz oder Ehrsucht: denn
diese hätte er nie besser befriedigen können, als wenn er Leuten die die Musik
wenig oder gar nicht verstanden, vorgespielt hätte, aber er wollte nie spielen,



') „Als Kind und Knab warst Dn mehr ernsthaft als kindisch", schreibt L. Mozart
-Il>. Febr. 1778 „und wenn D» beym Klavier saßest oder sonst mit Musik zu thun hattest,
so durste sich niemand unterstehen dir den »lindester Spaß zu machen. Ja'Dn wärest selbst
in Deiner Gesichtsbildung so ernsthaft, daß viele einsichtsvolle Personen wegen dem zu früh
anstciiycndcn Talente und Deiner immer ernsthaft nachdenkende» Gesichtsbildung für Dein
langes Leben besorgt waren."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/55>, abgerufen am 23.07.2024.