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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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jähre Mozarts umfaßt: seine Knabenjahre, mit den in diese Periode stillen¬
der Kunstreisen, und seinen Aufenthalt in Italien und Salzburg bis zum
I. 1777,

Die Knabenjahre Mozarts haben rücksichtlich der Art, in der sich seine
musikalische Anlage fast schon in der frühesten Kindheit zu erkennen gibt, noch
jetzt den Reiz des Außerordentlichen und Miracnlöseu, den sie damals überall,
wo der Vater den Sohn hinführte, gleichmäßig ausübten; aber das Interesse
daran gewinnt seinen rechten Beziehungspunkt erst durch die späteren Schöpfun¬
gen Mozarts; ohne die Leistungen des Mannes wäre der Knabe doch nur eins
jener Wunderkinder gewesen,, die wie eine ungewöhnliche meteorische Erscheinung
vor dem Auge deö erstaunten Beobachters vorüberziehen, ohne eine bemerkbare
Spur ihres Daseins zu hinterlassen. So wenig daher auch der Verfasser dem
Leser das Vergnügen an den vielen merkwürdigen, in die Kindheit seines
Helden fallenden Thatsachen verkümmert, so ist es doch hauptsächlich die frei¬
lich in ganz rapide" Progressionen fortschreitende Entwicklung des Componisten,
aus welche er die Aufmerksamkeit des Lesers lenkt. Rücksichtlich der in dem
vorliegenden Bande behandelten Lebensperiode findet sich jedoch, man weiß
nicht, soll man sagen der Verfasser dem Leser, oder der Leser dem Verfasser
gegenüber wenigstens in einer Beziehung in einer ungünstigen Stellung.
Von deu spätern Compositionen Mozarts hat jeder eine eigne, selbstgewon¬
nene Anschauung; und in seiner eignen Erfahrung für eine Analyse der¬
selben in technischer und ästhetischer Beziehung ausreichende Anknüpfungs¬
punkte. Von den in diese frühere Lebensperiode fallenden Compositionen, da¬
gegen sind außer der Oper in, tiMa xwi'6inisra, einigen Kirchenstücken und
manchen kleineren Clavier- und Instrumentalsachen die allermeisten nur hand¬
schriftlich vorhanden; die Opern w linea sempliev und die fast gleichzeitig
nach Rousseaus ele-vin as poa^s bearbeitete Operette Baseler und Bastienne
".beide aus dem 12. Lebensjahre Mozarts), die Opern WtriäiUk-rs all ?vno,
U se>z;un ni 8Lipivn"z, l.new SM-r, it le- paswrk, das Oratorium 1" Letulia
liberale, die meisten Messen und sonstigen Kirchenstücke, endlich der größte
Theil der Jnstrumentalcompositionen sind sür die meisten Leser bloße Namen.
Gewiß ist es ein großes Verdienst des Verfassers, daß er dieser ganzen Reihe von
Compositionen, die er zum Theil sür die Kunstgeschichte erst entdeckt hat, eine
sachkundige und eingehende, technische und Ästhetische Charakteristik gewidmet
hat; aber so lange nicht, wie jetzt mit der Oper it rö pastors geschehen ist,
die Kenntniß dieser Dinge wenigstens durch Clavierauszüge möglich gemacht
ist, fehlen für den-Verfasser und seine Leser die Bedingungen eines unmittel¬
baren geistigen Verkehrs, zu welchem anzuregen die Darstellung doch übrigens
so vortrefflich geeignet ist. In dieser Beziehung wird der für den zweiten Theil
noch übrige Stoff dem Verfasser die Arbeit erleichtern und dem Leser den Ge-
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jähre Mozarts umfaßt: seine Knabenjahre, mit den in diese Periode stillen¬
der Kunstreisen, und seinen Aufenthalt in Italien und Salzburg bis zum
I. 1777,

Die Knabenjahre Mozarts haben rücksichtlich der Art, in der sich seine
musikalische Anlage fast schon in der frühesten Kindheit zu erkennen gibt, noch
jetzt den Reiz des Außerordentlichen und Miracnlöseu, den sie damals überall,
wo der Vater den Sohn hinführte, gleichmäßig ausübten; aber das Interesse
daran gewinnt seinen rechten Beziehungspunkt erst durch die späteren Schöpfun¬
gen Mozarts; ohne die Leistungen des Mannes wäre der Knabe doch nur eins
jener Wunderkinder gewesen,, die wie eine ungewöhnliche meteorische Erscheinung
vor dem Auge deö erstaunten Beobachters vorüberziehen, ohne eine bemerkbare
Spur ihres Daseins zu hinterlassen. So wenig daher auch der Verfasser dem
Leser das Vergnügen an den vielen merkwürdigen, in die Kindheit seines
Helden fallenden Thatsachen verkümmert, so ist es doch hauptsächlich die frei¬
lich in ganz rapide» Progressionen fortschreitende Entwicklung des Componisten,
aus welche er die Aufmerksamkeit des Lesers lenkt. Rücksichtlich der in dem
vorliegenden Bande behandelten Lebensperiode findet sich jedoch, man weiß
nicht, soll man sagen der Verfasser dem Leser, oder der Leser dem Verfasser
gegenüber wenigstens in einer Beziehung in einer ungünstigen Stellung.
Von deu spätern Compositionen Mozarts hat jeder eine eigne, selbstgewon¬
nene Anschauung; und in seiner eignen Erfahrung für eine Analyse der¬
selben in technischer und ästhetischer Beziehung ausreichende Anknüpfungs¬
punkte. Von den in diese frühere Lebensperiode fallenden Compositionen, da¬
gegen sind außer der Oper in, tiMa xwi'6inisra, einigen Kirchenstücken und
manchen kleineren Clavier- und Instrumentalsachen die allermeisten nur hand¬
schriftlich vorhanden; die Opern w linea sempliev und die fast gleichzeitig
nach Rousseaus ele-vin as poa^s bearbeitete Operette Baseler und Bastienne
«.beide aus dem 12. Lebensjahre Mozarts), die Opern WtriäiUk-rs all ?vno,
U se>z;un ni 8Lipivn«z, l.new SM-r, it le- paswrk, das Oratorium 1» Letulia
liberale, die meisten Messen und sonstigen Kirchenstücke, endlich der größte
Theil der Jnstrumentalcompositionen sind sür die meisten Leser bloße Namen.
Gewiß ist es ein großes Verdienst des Verfassers, daß er dieser ganzen Reihe von
Compositionen, die er zum Theil sür die Kunstgeschichte erst entdeckt hat, eine
sachkundige und eingehende, technische und Ästhetische Charakteristik gewidmet
hat; aber so lange nicht, wie jetzt mit der Oper it rö pastors geschehen ist,
die Kenntniß dieser Dinge wenigstens durch Clavierauszüge möglich gemacht
ist, fehlen für den-Verfasser und seine Leser die Bedingungen eines unmittel¬
baren geistigen Verkehrs, zu welchem anzuregen die Darstellung doch übrigens
so vortrefflich geeignet ist. In dieser Beziehung wird der für den zweiten Theil
noch übrige Stoff dem Verfasser die Arbeit erleichtern und dem Leser den Ge-
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[0051] jähre Mozarts umfaßt: seine Knabenjahre, mit den in diese Periode stillen¬ der Kunstreisen, und seinen Aufenthalt in Italien und Salzburg bis zum I. 1777, Die Knabenjahre Mozarts haben rücksichtlich der Art, in der sich seine musikalische Anlage fast schon in der frühesten Kindheit zu erkennen gibt, noch jetzt den Reiz des Außerordentlichen und Miracnlöseu, den sie damals überall, wo der Vater den Sohn hinführte, gleichmäßig ausübten; aber das Interesse daran gewinnt seinen rechten Beziehungspunkt erst durch die späteren Schöpfun¬ gen Mozarts; ohne die Leistungen des Mannes wäre der Knabe doch nur eins jener Wunderkinder gewesen,, die wie eine ungewöhnliche meteorische Erscheinung vor dem Auge deö erstaunten Beobachters vorüberziehen, ohne eine bemerkbare Spur ihres Daseins zu hinterlassen. So wenig daher auch der Verfasser dem Leser das Vergnügen an den vielen merkwürdigen, in die Kindheit seines Helden fallenden Thatsachen verkümmert, so ist es doch hauptsächlich die frei¬ lich in ganz rapide» Progressionen fortschreitende Entwicklung des Componisten, aus welche er die Aufmerksamkeit des Lesers lenkt. Rücksichtlich der in dem vorliegenden Bande behandelten Lebensperiode findet sich jedoch, man weiß nicht, soll man sagen der Verfasser dem Leser, oder der Leser dem Verfasser gegenüber wenigstens in einer Beziehung in einer ungünstigen Stellung. Von deu spätern Compositionen Mozarts hat jeder eine eigne, selbstgewon¬ nene Anschauung; und in seiner eignen Erfahrung für eine Analyse der¬ selben in technischer und ästhetischer Beziehung ausreichende Anknüpfungs¬ punkte. Von den in diese frühere Lebensperiode fallenden Compositionen, da¬ gegen sind außer der Oper in, tiMa xwi'6inisra, einigen Kirchenstücken und manchen kleineren Clavier- und Instrumentalsachen die allermeisten nur hand¬ schriftlich vorhanden; die Opern w linea sempliev und die fast gleichzeitig nach Rousseaus ele-vin as poa^s bearbeitete Operette Baseler und Bastienne «.beide aus dem 12. Lebensjahre Mozarts), die Opern WtriäiUk-rs all ?vno, U se>z;un ni 8Lipivn«z, l.new SM-r, it le- paswrk, das Oratorium 1» Letulia liberale, die meisten Messen und sonstigen Kirchenstücke, endlich der größte Theil der Jnstrumentalcompositionen sind sür die meisten Leser bloße Namen. Gewiß ist es ein großes Verdienst des Verfassers, daß er dieser ganzen Reihe von Compositionen, die er zum Theil sür die Kunstgeschichte erst entdeckt hat, eine sachkundige und eingehende, technische und Ästhetische Charakteristik gewidmet hat; aber so lange nicht, wie jetzt mit der Oper it rö pastors geschehen ist, die Kenntniß dieser Dinge wenigstens durch Clavierauszüge möglich gemacht ist, fehlen für den-Verfasser und seine Leser die Bedingungen eines unmittel¬ baren geistigen Verkehrs, zu welchem anzuregen die Darstellung doch übrigens so vortrefflich geeignet ist. In dieser Beziehung wird der für den zweiten Theil noch übrige Stoff dem Verfasser die Arbeit erleichtern und dem Leser den Ge- " 6»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/51>, abgerufen am 23.07.2024.