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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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faßt sein könnten, zu der Einsicht gekmnnu-n ist, daß der Verfasser seine
Aufgabe in engeren Grenzen zu lösen nicht wohl in, Stande gewesen sein
winde.

Die Ursache davon ist vor allem das, was den Verfasser veranlaßt
und berechtigt hat, den vorhandenen Biographien Mozarts gegenüber dem
Gegenstande eine neue umfassende Arbeit zu widmen, die Sorgfalt nämlich und
der'glückliche Erfolg, mit welchem es ihm gelungen ist, sich des gesammten über
die äußern Lebensverhältnisse, den innern Entwicklungsgang und die Leistungen
Mozarts jetzt noch zugänglichen Materials zu bemächtigen. Die reichste Quelle
dieses Materials war bis jetzt die Biographie von Nissen, dem durch seine Ver¬
heiratung mit der Witwe Mozarts die sich auf ihn beziehenden Familien¬
papiere und Familientraditionen zugänglich geworden waren; und Nissens Buch
ist bei der Verzettlung vieler Originaldokumente auch jetzt noch für den Ver¬
fasser in vieler Beziehung Quelle geblieben. Aber die Art, wie Nissen seine
Hilfsmittel benutzt und verarbeitet -- oder,, vielmehr nicht verarbeitet hat,
rechtfertigt den Wunsch nach einer Biographie, die mehr ist, als bloße Ma¬
terialiensammlung; !zumal da der Verfasser sich überzeugen mußte, daß Nis¬
sen den wichtigsten Theil der Korrespondenz Mozarts, den aus den Jah¬
ren 1777---1781', den er in Salzburg vergleichen konnte, nicht blos im Ein¬
zelnen ungenau und willkürlich wiedergegeben, sondern auch ausführliche
Nachrichten über wichtige Verhältnisse und Begebenheiten ganz unterdrückt hat.
Außerdem hat dem Verfasser ein längerer Aufenthalt in Wien nicht nur die
Handschriften Mozarts ans der kaiserlichen Bibliothek, sondern auch die reiche
Sammlung von Aloys Fuchs zugänglich gemacht; mit ähnlicher Gefälligkeit,
wie Fuchs, gestatteten ihm die Herren Andrv in Frankfurt, die in ihrem Besitze
befindliche Sammlung der Originalhandschriften Mozarts zu benutzen; und da
ihm auch noch von anderen Seiten her ergänzende Mittheilungen geboten
worden sind, so darf er sich des Glückes rühmen, nicht allein die Compostlionen
Mozarts mit verhältnißmäßig geringen Ausnahmen vollständig, sonder weitaus
die meisten unmittelbar aus seiner Handschrift kennen gelernt zu haben.

Ein so ausgiebiges Material würde sich nun nicht leicht wieder in den
Händen eines Mannes zusammengefunden haben, der zu seiner Ausbeutung
gleich befähigt gewesen wäre. Denn in der That vereinigen sich musikalische
Kenntniß und Befähigung, Geschick und Uebung in historischer Untersuchung,
künstlerischer Sinn, und die Grundlagen einer allgemeinen wissenschaftlichen
Durchbildung, die zu einer solchen Arbeit sämmtlich gleich unentbehrlich sind,
nur äußerst selten in dem glücklichen Verhältnisse, von dem dieses Wort ein
so schönes Zeugniß ablegt. Durch die Fülle des Materials und durch die
Art, wie der Versasser dasselbe zu verarbeiten befähigt war, ist nun freilich das
Buch so angewachsen, daß der vorliegende Band nur die ersten 2-1 Lebens-


faßt sein könnten, zu der Einsicht gekmnnu-n ist, daß der Verfasser seine
Aufgabe in engeren Grenzen zu lösen nicht wohl in, Stande gewesen sein
winde.

Die Ursache davon ist vor allem das, was den Verfasser veranlaßt
und berechtigt hat, den vorhandenen Biographien Mozarts gegenüber dem
Gegenstande eine neue umfassende Arbeit zu widmen, die Sorgfalt nämlich und
der'glückliche Erfolg, mit welchem es ihm gelungen ist, sich des gesammten über
die äußern Lebensverhältnisse, den innern Entwicklungsgang und die Leistungen
Mozarts jetzt noch zugänglichen Materials zu bemächtigen. Die reichste Quelle
dieses Materials war bis jetzt die Biographie von Nissen, dem durch seine Ver¬
heiratung mit der Witwe Mozarts die sich auf ihn beziehenden Familien¬
papiere und Familientraditionen zugänglich geworden waren; und Nissens Buch
ist bei der Verzettlung vieler Originaldokumente auch jetzt noch für den Ver¬
fasser in vieler Beziehung Quelle geblieben. Aber die Art, wie Nissen seine
Hilfsmittel benutzt und verarbeitet — oder,, vielmehr nicht verarbeitet hat,
rechtfertigt den Wunsch nach einer Biographie, die mehr ist, als bloße Ma¬
terialiensammlung; !zumal da der Verfasser sich überzeugen mußte, daß Nis¬
sen den wichtigsten Theil der Korrespondenz Mozarts, den aus den Jah¬
ren 1777—-1781', den er in Salzburg vergleichen konnte, nicht blos im Ein¬
zelnen ungenau und willkürlich wiedergegeben, sondern auch ausführliche
Nachrichten über wichtige Verhältnisse und Begebenheiten ganz unterdrückt hat.
Außerdem hat dem Verfasser ein längerer Aufenthalt in Wien nicht nur die
Handschriften Mozarts ans der kaiserlichen Bibliothek, sondern auch die reiche
Sammlung von Aloys Fuchs zugänglich gemacht; mit ähnlicher Gefälligkeit,
wie Fuchs, gestatteten ihm die Herren Andrv in Frankfurt, die in ihrem Besitze
befindliche Sammlung der Originalhandschriften Mozarts zu benutzen; und da
ihm auch noch von anderen Seiten her ergänzende Mittheilungen geboten
worden sind, so darf er sich des Glückes rühmen, nicht allein die Compostlionen
Mozarts mit verhältnißmäßig geringen Ausnahmen vollständig, sonder weitaus
die meisten unmittelbar aus seiner Handschrift kennen gelernt zu haben.

Ein so ausgiebiges Material würde sich nun nicht leicht wieder in den
Händen eines Mannes zusammengefunden haben, der zu seiner Ausbeutung
gleich befähigt gewesen wäre. Denn in der That vereinigen sich musikalische
Kenntniß und Befähigung, Geschick und Uebung in historischer Untersuchung,
künstlerischer Sinn, und die Grundlagen einer allgemeinen wissenschaftlichen
Durchbildung, die zu einer solchen Arbeit sämmtlich gleich unentbehrlich sind,
nur äußerst selten in dem glücklichen Verhältnisse, von dem dieses Wort ein
so schönes Zeugniß ablegt. Durch die Fülle des Materials und durch die
Art, wie der Versasser dasselbe zu verarbeiten befähigt war, ist nun freilich das
Buch so angewachsen, daß der vorliegende Band nur die ersten 2-1 Lebens-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/50>, abgerufen am 23.07.2024.