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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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diei liegt und eine zu starke Unterhöhlung der Fundamente diesen Städten ge¬
fährlich werden würde. Man begnügte sich daher, Gänge schachtartig zu
graben, die gefundenen Malereien, Bildwerke und Inschriften ans Licht zu
schassen und dann das Aufgegrabene wieder zuzuschütten. Nur wenige dieser
unterirdischen, labyrinthisch sich kreuzenden Gänge sind jetzt sichtbar unh ihre
Besichtigung auf schlüpfrigem Boden, in feuchtkalter Lust, bei Fackellicht, nicht
sehr belohnend. Dieser Umstand ist um so mehr zu bedauern, als Herculanum
eine bedeutendere Stadt war als Pompeji. In einigen Beziehungen sind
seine Ueberreste auch jetzt belehrender, als die pompejanischen, weil sich hier
Holzconstructionen der Privathäuser, Thüren u. a. in verkohltem Zustande er¬
halten haben, so daß die Formen allenthalben deutlich zu erkennen sind. In
Pompeji dagegen ist alles Holz vermodert. Nur ein kleiner Theil Hercula-
nums ist von unbebauten Lande bedeckt und hier sind die Ausgrabungen seit
1828 wieder aufgenommen worden und man hat nach Wegräumung einer fünfzig
Fuß hohen vulkanischen Masse die hier stehenden Häuser freigelegt.

Keins von den Hindernissen, welche die Ausgrabung Herculanums unmög¬
lich machen, steht der von Pompeji im Wege. Hier ist keine Lava geflossen,
sondern nur lockere, mit Bimstein und Schlacken vermischte Asche bedeckt die
Stadt in einer Höhe von 13--18 Fuß. Nur Weinberge sind auf dem moder¬
nen Boden angelegt, unter dem sie sich hinzieht. Die Ausgrabung ist also leicht
und verhältnißmäßig wenig kostspielig, ihre Ergiebigkeit sicher und doch kennen
wir nach hundert Jahren erst ein starkes Viertheil oder ein kleines Drittheil
der Stadt. Karl til., der Interesse für die Entdeckungen gehabt zu haben
scheint , verliest Neapel schon 1739; leider hat Folletta in seiner Geschichte
Neapels den Antheil der Regierungen an dieser Angelegenheit so gut wie gar
nicht berührt. Der halbthierische Monarch, der auf Karl folgte, der Lazzaroni-
könig Ferdinand hatte natürlich gar kein Interesse; am meisten geschah unter
Joachim Murat und Joseph Bonaparte. Der östreichische Jngenieuroffizier
Goro von Agyagfalva veranschlagt die Kosten der Ausgrabung von ganz
Pompeji auf 1,177,632 Gulden. "Arbeiteten täglich, wie im Jahr 1812 ge¬
schah, 600 Menschen, so würde nach seiner Rechnung Pompeji in 7 Jahren
und 2 Monaten vollständig aufgedeckt sein.

Da nun in den neuentdeckten Häusern die werthvolleren Gemälde sogleich
von den Wänden abgesägt, die Mosaiken aus den Fußböden gelöst werden, um
in Neapel im Museum ihren Platz zu finden, da Statuen, Geräthe, Schmucksachen,
selbst die hart gewordenen Früchte und Speisen ebenfalls sogleich dorthin tranö-
Povtirt werden: so können die ohnedies dachlosen nackten Mauern und Säulen
keinen sehr wohlthuenden Eindruck machen. Die Restauration eins der größern
Häuser würde nach den vorhandenen Ueberresten mit ziemlicher Sicherheit aus¬
geführt werden können und einen sehr belehrenden Anblick gewähren. Gegen-


diei liegt und eine zu starke Unterhöhlung der Fundamente diesen Städten ge¬
fährlich werden würde. Man begnügte sich daher, Gänge schachtartig zu
graben, die gefundenen Malereien, Bildwerke und Inschriften ans Licht zu
schassen und dann das Aufgegrabene wieder zuzuschütten. Nur wenige dieser
unterirdischen, labyrinthisch sich kreuzenden Gänge sind jetzt sichtbar unh ihre
Besichtigung auf schlüpfrigem Boden, in feuchtkalter Lust, bei Fackellicht, nicht
sehr belohnend. Dieser Umstand ist um so mehr zu bedauern, als Herculanum
eine bedeutendere Stadt war als Pompeji. In einigen Beziehungen sind
seine Ueberreste auch jetzt belehrender, als die pompejanischen, weil sich hier
Holzconstructionen der Privathäuser, Thüren u. a. in verkohltem Zustande er¬
halten haben, so daß die Formen allenthalben deutlich zu erkennen sind. In
Pompeji dagegen ist alles Holz vermodert. Nur ein kleiner Theil Hercula-
nums ist von unbebauten Lande bedeckt und hier sind die Ausgrabungen seit
1828 wieder aufgenommen worden und man hat nach Wegräumung einer fünfzig
Fuß hohen vulkanischen Masse die hier stehenden Häuser freigelegt.

Keins von den Hindernissen, welche die Ausgrabung Herculanums unmög¬
lich machen, steht der von Pompeji im Wege. Hier ist keine Lava geflossen,
sondern nur lockere, mit Bimstein und Schlacken vermischte Asche bedeckt die
Stadt in einer Höhe von 13—18 Fuß. Nur Weinberge sind auf dem moder¬
nen Boden angelegt, unter dem sie sich hinzieht. Die Ausgrabung ist also leicht
und verhältnißmäßig wenig kostspielig, ihre Ergiebigkeit sicher und doch kennen
wir nach hundert Jahren erst ein starkes Viertheil oder ein kleines Drittheil
der Stadt. Karl til., der Interesse für die Entdeckungen gehabt zu haben
scheint , verliest Neapel schon 1739; leider hat Folletta in seiner Geschichte
Neapels den Antheil der Regierungen an dieser Angelegenheit so gut wie gar
nicht berührt. Der halbthierische Monarch, der auf Karl folgte, der Lazzaroni-
könig Ferdinand hatte natürlich gar kein Interesse; am meisten geschah unter
Joachim Murat und Joseph Bonaparte. Der östreichische Jngenieuroffizier
Goro von Agyagfalva veranschlagt die Kosten der Ausgrabung von ganz
Pompeji auf 1,177,632 Gulden. "Arbeiteten täglich, wie im Jahr 1812 ge¬
schah, 600 Menschen, so würde nach seiner Rechnung Pompeji in 7 Jahren
und 2 Monaten vollständig aufgedeckt sein.

Da nun in den neuentdeckten Häusern die werthvolleren Gemälde sogleich
von den Wänden abgesägt, die Mosaiken aus den Fußböden gelöst werden, um
in Neapel im Museum ihren Platz zu finden, da Statuen, Geräthe, Schmucksachen,
selbst die hart gewordenen Früchte und Speisen ebenfalls sogleich dorthin tranö-
Povtirt werden: so können die ohnedies dachlosen nackten Mauern und Säulen
keinen sehr wohlthuenden Eindruck machen. Die Restauration eins der größern
Häuser würde nach den vorhandenen Ueberresten mit ziemlicher Sicherheit aus¬
geführt werden können und einen sehr belehrenden Anblick gewähren. Gegen-


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[0455] diei liegt und eine zu starke Unterhöhlung der Fundamente diesen Städten ge¬ fährlich werden würde. Man begnügte sich daher, Gänge schachtartig zu graben, die gefundenen Malereien, Bildwerke und Inschriften ans Licht zu schassen und dann das Aufgegrabene wieder zuzuschütten. Nur wenige dieser unterirdischen, labyrinthisch sich kreuzenden Gänge sind jetzt sichtbar unh ihre Besichtigung auf schlüpfrigem Boden, in feuchtkalter Lust, bei Fackellicht, nicht sehr belohnend. Dieser Umstand ist um so mehr zu bedauern, als Herculanum eine bedeutendere Stadt war als Pompeji. In einigen Beziehungen sind seine Ueberreste auch jetzt belehrender, als die pompejanischen, weil sich hier Holzconstructionen der Privathäuser, Thüren u. a. in verkohltem Zustande er¬ halten haben, so daß die Formen allenthalben deutlich zu erkennen sind. In Pompeji dagegen ist alles Holz vermodert. Nur ein kleiner Theil Hercula- nums ist von unbebauten Lande bedeckt und hier sind die Ausgrabungen seit 1828 wieder aufgenommen worden und man hat nach Wegräumung einer fünfzig Fuß hohen vulkanischen Masse die hier stehenden Häuser freigelegt. Keins von den Hindernissen, welche die Ausgrabung Herculanums unmög¬ lich machen, steht der von Pompeji im Wege. Hier ist keine Lava geflossen, sondern nur lockere, mit Bimstein und Schlacken vermischte Asche bedeckt die Stadt in einer Höhe von 13—18 Fuß. Nur Weinberge sind auf dem moder¬ nen Boden angelegt, unter dem sie sich hinzieht. Die Ausgrabung ist also leicht und verhältnißmäßig wenig kostspielig, ihre Ergiebigkeit sicher und doch kennen wir nach hundert Jahren erst ein starkes Viertheil oder ein kleines Drittheil der Stadt. Karl til., der Interesse für die Entdeckungen gehabt zu haben scheint , verliest Neapel schon 1739; leider hat Folletta in seiner Geschichte Neapels den Antheil der Regierungen an dieser Angelegenheit so gut wie gar nicht berührt. Der halbthierische Monarch, der auf Karl folgte, der Lazzaroni- könig Ferdinand hatte natürlich gar kein Interesse; am meisten geschah unter Joachim Murat und Joseph Bonaparte. Der östreichische Jngenieuroffizier Goro von Agyagfalva veranschlagt die Kosten der Ausgrabung von ganz Pompeji auf 1,177,632 Gulden. "Arbeiteten täglich, wie im Jahr 1812 ge¬ schah, 600 Menschen, so würde nach seiner Rechnung Pompeji in 7 Jahren und 2 Monaten vollständig aufgedeckt sein. Da nun in den neuentdeckten Häusern die werthvolleren Gemälde sogleich von den Wänden abgesägt, die Mosaiken aus den Fußböden gelöst werden, um in Neapel im Museum ihren Platz zu finden, da Statuen, Geräthe, Schmucksachen, selbst die hart gewordenen Früchte und Speisen ebenfalls sogleich dorthin tranö- Povtirt werden: so können die ohnedies dachlosen nackten Mauern und Säulen keinen sehr wohlthuenden Eindruck machen. Die Restauration eins der größern Häuser würde nach den vorhandenen Ueberresten mit ziemlicher Sicherheit aus¬ geführt werden können und einen sehr belehrenden Anblick gewähren. Gegen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/455>, abgerufen am 23.07.2024.