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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Herausgabe eines Schatzes im eigentlichen Wortsinne verpflichtet, der auf sei¬
nem Gebiet gefunden werde, und verweigerte die Auslieferung; worauf ihm
weitere Grabungen (die seinigen hatten S Jahre gedauert) verboten wurden.
Hierauf kam die Sache in Vergessenheit, bis 1738 König Karl der dritte den
spanischen Ingenieur Don Rocco Alcubierre mit dem Bau eines Landhauses
bei Portici beauftragte. Auf seinen Rath ging man in den von d'Elboeuf
aufgegrabenen Brunnen tiefer hinab, und stieß bald auf das Theater von
Herculanum, das man als solches an einer dort gefundenen Inschrift erkannte.
Es wurde nun eine bequemere Treppe angelegt (auf welcher man noch jetzt
hinabsteigt) und der König beehrte das alte Theater mit seiner Gegenwart.
Man mußte bis zu einer Tiefe von 82 Fuß aufräumen, um bis auf die Fun¬
damente dieses (30 Fuß über dem Meeresspiegel gelegenen) Theaters zukommen;
denn seine eigne Höhe beträgt 60 Fuß, darüber aber liegen 22 Fuß hoch die
Schichten verschiedener Vesuvausbrüche zu einer steinharten, schwer zerbrechlichen
Masse erstarrt.

Die Leitung der Ausgrabungen wurde unglücklicherweise dem obenge¬
nannten spanischen Ingenieur übertragen, der, wie Winkelmann sagt, mit den
Alterthümern so wenig zu thun gehabt hatte, als nach dem wälschen Sprich¬
wort der Mond mit den Krebsen, und daher zu diesem Geschäft durchaus un¬
tauglich war. Von seiner Art mit den Alterthümern umzugehen, erzählte Win¬
kelmann folgende zwei Beispiele. Man entdeckte eine große Inschrift von zwei
Zoll langen Erzbuchstaben. Ohne daß 'man daran dachte sie zu copiren, wur¬
den die Buchstaben abgerissen und in einen Korb geworfen; worauf sich dann
die Gelehrten den Kopf damit zerbrachen, sie auf alle mögliche Art zu com-
biniren, aber ohne Erfolg. Auf dem Theater fand man ein Viergespann aus
vergoldeter Bronze, zwar von der Lava zerdrückt und zerstückelt, aber es fehlte
bei der Entdeckung kein Stück. "Wie verfuhr man aber mit diesen kostbaren
Trümmern? Es wurden alle Stücke gesammelt, auf Wagen geladen, nach
Neapel geführt und in dem Schloß Hof abgeladen, wo dieselben in einer Ecke
aufeinander geworfen wurden. Hier lag dieses Erz, wie altes Eisen geraume
Zeit und nachdem hier ein Stück und dort ein andres war weggetragen wor¬
den, so entschloß man sich, diesen Ueberresten eine Ehre anzuthun, und worin
bestand dieselbe? Es wurde ein großer Theil davon zerschmolzen, zu zwei
großen, erhaben gearbeiteten Brustbildern des Königs und der Königin." An
Alcubierres Stelle kam später der schweizer Jngenieurmajor Weber 0I'17Ki), der
den ersten Plan von Pompeji herausgegeben hat, an Webers Stelle Fran¬
cesco Lavega.

Die ungeheure harte Masse, die über Herculanum geschichtet ist, erschwerte
natürlich die Ausgrabungen außerordentlich; überdies war an ein Bloßlegen
der-alten Stadt nicht zu denken, da sie größtentheils unter Resena und Por-


Herausgabe eines Schatzes im eigentlichen Wortsinne verpflichtet, der auf sei¬
nem Gebiet gefunden werde, und verweigerte die Auslieferung; worauf ihm
weitere Grabungen (die seinigen hatten S Jahre gedauert) verboten wurden.
Hierauf kam die Sache in Vergessenheit, bis 1738 König Karl der dritte den
spanischen Ingenieur Don Rocco Alcubierre mit dem Bau eines Landhauses
bei Portici beauftragte. Auf seinen Rath ging man in den von d'Elboeuf
aufgegrabenen Brunnen tiefer hinab, und stieß bald auf das Theater von
Herculanum, das man als solches an einer dort gefundenen Inschrift erkannte.
Es wurde nun eine bequemere Treppe angelegt (auf welcher man noch jetzt
hinabsteigt) und der König beehrte das alte Theater mit seiner Gegenwart.
Man mußte bis zu einer Tiefe von 82 Fuß aufräumen, um bis auf die Fun¬
damente dieses (30 Fuß über dem Meeresspiegel gelegenen) Theaters zukommen;
denn seine eigne Höhe beträgt 60 Fuß, darüber aber liegen 22 Fuß hoch die
Schichten verschiedener Vesuvausbrüche zu einer steinharten, schwer zerbrechlichen
Masse erstarrt.

Die Leitung der Ausgrabungen wurde unglücklicherweise dem obenge¬
nannten spanischen Ingenieur übertragen, der, wie Winkelmann sagt, mit den
Alterthümern so wenig zu thun gehabt hatte, als nach dem wälschen Sprich¬
wort der Mond mit den Krebsen, und daher zu diesem Geschäft durchaus un¬
tauglich war. Von seiner Art mit den Alterthümern umzugehen, erzählte Win¬
kelmann folgende zwei Beispiele. Man entdeckte eine große Inschrift von zwei
Zoll langen Erzbuchstaben. Ohne daß 'man daran dachte sie zu copiren, wur¬
den die Buchstaben abgerissen und in einen Korb geworfen; worauf sich dann
die Gelehrten den Kopf damit zerbrachen, sie auf alle mögliche Art zu com-
biniren, aber ohne Erfolg. Auf dem Theater fand man ein Viergespann aus
vergoldeter Bronze, zwar von der Lava zerdrückt und zerstückelt, aber es fehlte
bei der Entdeckung kein Stück. „Wie verfuhr man aber mit diesen kostbaren
Trümmern? Es wurden alle Stücke gesammelt, auf Wagen geladen, nach
Neapel geführt und in dem Schloß Hof abgeladen, wo dieselben in einer Ecke
aufeinander geworfen wurden. Hier lag dieses Erz, wie altes Eisen geraume
Zeit und nachdem hier ein Stück und dort ein andres war weggetragen wor¬
den, so entschloß man sich, diesen Ueberresten eine Ehre anzuthun, und worin
bestand dieselbe? Es wurde ein großer Theil davon zerschmolzen, zu zwei
großen, erhaben gearbeiteten Brustbildern des Königs und der Königin." An
Alcubierres Stelle kam später der schweizer Jngenieurmajor Weber 0I'17Ki), der
den ersten Plan von Pompeji herausgegeben hat, an Webers Stelle Fran¬
cesco Lavega.

Die ungeheure harte Masse, die über Herculanum geschichtet ist, erschwerte
natürlich die Ausgrabungen außerordentlich; überdies war an ein Bloßlegen
der-alten Stadt nicht zu denken, da sie größtentheils unter Resena und Por-


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[0454] Herausgabe eines Schatzes im eigentlichen Wortsinne verpflichtet, der auf sei¬ nem Gebiet gefunden werde, und verweigerte die Auslieferung; worauf ihm weitere Grabungen (die seinigen hatten S Jahre gedauert) verboten wurden. Hierauf kam die Sache in Vergessenheit, bis 1738 König Karl der dritte den spanischen Ingenieur Don Rocco Alcubierre mit dem Bau eines Landhauses bei Portici beauftragte. Auf seinen Rath ging man in den von d'Elboeuf aufgegrabenen Brunnen tiefer hinab, und stieß bald auf das Theater von Herculanum, das man als solches an einer dort gefundenen Inschrift erkannte. Es wurde nun eine bequemere Treppe angelegt (auf welcher man noch jetzt hinabsteigt) und der König beehrte das alte Theater mit seiner Gegenwart. Man mußte bis zu einer Tiefe von 82 Fuß aufräumen, um bis auf die Fun¬ damente dieses (30 Fuß über dem Meeresspiegel gelegenen) Theaters zukommen; denn seine eigne Höhe beträgt 60 Fuß, darüber aber liegen 22 Fuß hoch die Schichten verschiedener Vesuvausbrüche zu einer steinharten, schwer zerbrechlichen Masse erstarrt. Die Leitung der Ausgrabungen wurde unglücklicherweise dem obenge¬ nannten spanischen Ingenieur übertragen, der, wie Winkelmann sagt, mit den Alterthümern so wenig zu thun gehabt hatte, als nach dem wälschen Sprich¬ wort der Mond mit den Krebsen, und daher zu diesem Geschäft durchaus un¬ tauglich war. Von seiner Art mit den Alterthümern umzugehen, erzählte Win¬ kelmann folgende zwei Beispiele. Man entdeckte eine große Inschrift von zwei Zoll langen Erzbuchstaben. Ohne daß 'man daran dachte sie zu copiren, wur¬ den die Buchstaben abgerissen und in einen Korb geworfen; worauf sich dann die Gelehrten den Kopf damit zerbrachen, sie auf alle mögliche Art zu com- biniren, aber ohne Erfolg. Auf dem Theater fand man ein Viergespann aus vergoldeter Bronze, zwar von der Lava zerdrückt und zerstückelt, aber es fehlte bei der Entdeckung kein Stück. „Wie verfuhr man aber mit diesen kostbaren Trümmern? Es wurden alle Stücke gesammelt, auf Wagen geladen, nach Neapel geführt und in dem Schloß Hof abgeladen, wo dieselben in einer Ecke aufeinander geworfen wurden. Hier lag dieses Erz, wie altes Eisen geraume Zeit und nachdem hier ein Stück und dort ein andres war weggetragen wor¬ den, so entschloß man sich, diesen Ueberresten eine Ehre anzuthun, und worin bestand dieselbe? Es wurde ein großer Theil davon zerschmolzen, zu zwei großen, erhaben gearbeiteten Brustbildern des Königs und der Königin." An Alcubierres Stelle kam später der schweizer Jngenieurmajor Weber 0I'17Ki), der den ersten Plan von Pompeji herausgegeben hat, an Webers Stelle Fran¬ cesco Lavega. Die ungeheure harte Masse, die über Herculanum geschichtet ist, erschwerte natürlich die Ausgrabungen außerordentlich; überdies war an ein Bloßlegen der-alten Stadt nicht zu denken, da sie größtentheils unter Resena und Por-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/454>, abgerufen am 25.08.2024.