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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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vorliegende Buch auch seine guten Seiten hat. Die Ausstattung läßt nichts zu
wünschen übrig , und man findet eine große, zweckmäßig gewählte und geordnete
Sammlung von Abbildungen, die vielen um so Wünschenswerther sein wird,
als die großen Werke über Pompeji in der That sehr schwer zugänglich sind.
Die Holzschnitte verdienen im Ganzen alles Lob, und die Mängel der farbigen
Darstellung der Aleranderschlacht alle Nachsicht, um so mehr, als dies unseres
Wissens die erste der Art ist, welche durch den Buchhandel verbreitet wird.
Auch der Tert ist meistens, insofern nicht die oben gerügten Mängel hervor¬
treten,.dem angegebenen Zweck entsprechend. Nur gegen den Ton, den Herr
Overbeck mitunter anschlägt, hätten wir einige Einwendungen zu machen.
Deutschen Gelehrten wird es noch immer schwer, populär zu schreiben, entweder
sind sie zu trocken oder zu scherzhaft, und wir würden gegen Scherze an sich
durchaus nichts zu sagen haben, wenn sie nicht manchmal an den Kinderfreund
erinnerten. Dies ist auch in dem vorliegenden Buch, obwol nicht oft, der
Fall.

DaS Interesse an dem Gegenstand ist ein so großes und allgemein ver¬
breitetes, daß es den Lesern dieser Blätter hoffentlich nicht unerwünscht sein
wird, bei dieser Gelegenheit sich wieder einige Punkte aus diesem reichen Ca¬
pitel ins Gedächtniß zurückrufen zu lassen. Wir wählen hauptsächlich solche,
die Herr Overbeck nicht berührt hat, zum Theil weil sie außerhalb seines Pla¬
nes lagen.

Zu der "Stadt der Todten"/ wie Walter Scott Pompeji nannte, gelangt
man jetzt mit der Eisenbahn, die von Neapel nach Salerno führt. Noch wenn
man dicht davor ist, wird man sie nicht gewahr, weil die aus dem Schutt der
Grabungen aufgehäuften Wälle, spärlich überwachsen, die Aussicht verdecken.
Zu beiden Seiten der Bahn wächst Krapp und Baumwolle. Die Vegetation
des Landes hat seit dem Alterthum überhaupt zahlreiche Veränderungen erfahren,
welche der dänische Naturforscher Schouw in einem eignen Aufsatz über die
pompejanischen Pflanzen zusammengestellt hat.*) Auf pompejanischen Bildern
lassen sich hauptsächlich erkennen der Epheu, der Oleander (an Flußufern), die
aleppische Föhre, die Cypresse und Pinie, von welcher auch verkohlte Kerne
gefunden worden sind. Dagegen gab es im Alterthum nicht die Agave (Aloe)
und indische Feige, die heutzutage so charakteristisch für die süditalische Landschaft
sind, ebensowenig die Baumwolle, welche die Alten aus Indien und später
Aegypten bezogen. Der weiße Maulbeerbaum, Mais und Reis fehlten
iber letztere war auf Indien beschränkt). Von Getreide waren Gerste und
Wetzen allgemein, aber Hafer und Roggen fehlte. Auf Kirchenbildern in Poa-"
peji sieht man häufig Spargel, vermuthlich wilde, die angebauten scheinen un¬
bekannt gewesen zu sein. Diese abscheulich schmeckenden wilden Spargel sind auch



*) Schouw: die Erde, die Pflanze" und der Mensch. Leipzig

vorliegende Buch auch seine guten Seiten hat. Die Ausstattung läßt nichts zu
wünschen übrig , und man findet eine große, zweckmäßig gewählte und geordnete
Sammlung von Abbildungen, die vielen um so Wünschenswerther sein wird,
als die großen Werke über Pompeji in der That sehr schwer zugänglich sind.
Die Holzschnitte verdienen im Ganzen alles Lob, und die Mängel der farbigen
Darstellung der Aleranderschlacht alle Nachsicht, um so mehr, als dies unseres
Wissens die erste der Art ist, welche durch den Buchhandel verbreitet wird.
Auch der Tert ist meistens, insofern nicht die oben gerügten Mängel hervor¬
treten,.dem angegebenen Zweck entsprechend. Nur gegen den Ton, den Herr
Overbeck mitunter anschlägt, hätten wir einige Einwendungen zu machen.
Deutschen Gelehrten wird es noch immer schwer, populär zu schreiben, entweder
sind sie zu trocken oder zu scherzhaft, und wir würden gegen Scherze an sich
durchaus nichts zu sagen haben, wenn sie nicht manchmal an den Kinderfreund
erinnerten. Dies ist auch in dem vorliegenden Buch, obwol nicht oft, der
Fall.

DaS Interesse an dem Gegenstand ist ein so großes und allgemein ver¬
breitetes, daß es den Lesern dieser Blätter hoffentlich nicht unerwünscht sein
wird, bei dieser Gelegenheit sich wieder einige Punkte aus diesem reichen Ca¬
pitel ins Gedächtniß zurückrufen zu lassen. Wir wählen hauptsächlich solche,
die Herr Overbeck nicht berührt hat, zum Theil weil sie außerhalb seines Pla¬
nes lagen.

Zu der „Stadt der Todten"/ wie Walter Scott Pompeji nannte, gelangt
man jetzt mit der Eisenbahn, die von Neapel nach Salerno führt. Noch wenn
man dicht davor ist, wird man sie nicht gewahr, weil die aus dem Schutt der
Grabungen aufgehäuften Wälle, spärlich überwachsen, die Aussicht verdecken.
Zu beiden Seiten der Bahn wächst Krapp und Baumwolle. Die Vegetation
des Landes hat seit dem Alterthum überhaupt zahlreiche Veränderungen erfahren,
welche der dänische Naturforscher Schouw in einem eignen Aufsatz über die
pompejanischen Pflanzen zusammengestellt hat.*) Auf pompejanischen Bildern
lassen sich hauptsächlich erkennen der Epheu, der Oleander (an Flußufern), die
aleppische Föhre, die Cypresse und Pinie, von welcher auch verkohlte Kerne
gefunden worden sind. Dagegen gab es im Alterthum nicht die Agave (Aloe)
und indische Feige, die heutzutage so charakteristisch für die süditalische Landschaft
sind, ebensowenig die Baumwolle, welche die Alten aus Indien und später
Aegypten bezogen. Der weiße Maulbeerbaum, Mais und Reis fehlten
iber letztere war auf Indien beschränkt). Von Getreide waren Gerste und
Wetzen allgemein, aber Hafer und Roggen fehlte. Auf Kirchenbildern in Poa-"
peji sieht man häufig Spargel, vermuthlich wilde, die angebauten scheinen un¬
bekannt gewesen zu sein. Diese abscheulich schmeckenden wilden Spargel sind auch



*) Schouw: die Erde, die Pflanze» und der Mensch. Leipzig
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[0452] vorliegende Buch auch seine guten Seiten hat. Die Ausstattung läßt nichts zu wünschen übrig , und man findet eine große, zweckmäßig gewählte und geordnete Sammlung von Abbildungen, die vielen um so Wünschenswerther sein wird, als die großen Werke über Pompeji in der That sehr schwer zugänglich sind. Die Holzschnitte verdienen im Ganzen alles Lob, und die Mängel der farbigen Darstellung der Aleranderschlacht alle Nachsicht, um so mehr, als dies unseres Wissens die erste der Art ist, welche durch den Buchhandel verbreitet wird. Auch der Tert ist meistens, insofern nicht die oben gerügten Mängel hervor¬ treten,.dem angegebenen Zweck entsprechend. Nur gegen den Ton, den Herr Overbeck mitunter anschlägt, hätten wir einige Einwendungen zu machen. Deutschen Gelehrten wird es noch immer schwer, populär zu schreiben, entweder sind sie zu trocken oder zu scherzhaft, und wir würden gegen Scherze an sich durchaus nichts zu sagen haben, wenn sie nicht manchmal an den Kinderfreund erinnerten. Dies ist auch in dem vorliegenden Buch, obwol nicht oft, der Fall. DaS Interesse an dem Gegenstand ist ein so großes und allgemein ver¬ breitetes, daß es den Lesern dieser Blätter hoffentlich nicht unerwünscht sein wird, bei dieser Gelegenheit sich wieder einige Punkte aus diesem reichen Ca¬ pitel ins Gedächtniß zurückrufen zu lassen. Wir wählen hauptsächlich solche, die Herr Overbeck nicht berührt hat, zum Theil weil sie außerhalb seines Pla¬ nes lagen. Zu der „Stadt der Todten"/ wie Walter Scott Pompeji nannte, gelangt man jetzt mit der Eisenbahn, die von Neapel nach Salerno führt. Noch wenn man dicht davor ist, wird man sie nicht gewahr, weil die aus dem Schutt der Grabungen aufgehäuften Wälle, spärlich überwachsen, die Aussicht verdecken. Zu beiden Seiten der Bahn wächst Krapp und Baumwolle. Die Vegetation des Landes hat seit dem Alterthum überhaupt zahlreiche Veränderungen erfahren, welche der dänische Naturforscher Schouw in einem eignen Aufsatz über die pompejanischen Pflanzen zusammengestellt hat.*) Auf pompejanischen Bildern lassen sich hauptsächlich erkennen der Epheu, der Oleander (an Flußufern), die aleppische Föhre, die Cypresse und Pinie, von welcher auch verkohlte Kerne gefunden worden sind. Dagegen gab es im Alterthum nicht die Agave (Aloe) und indische Feige, die heutzutage so charakteristisch für die süditalische Landschaft sind, ebensowenig die Baumwolle, welche die Alten aus Indien und später Aegypten bezogen. Der weiße Maulbeerbaum, Mais und Reis fehlten iber letztere war auf Indien beschränkt). Von Getreide waren Gerste und Wetzen allgemein, aber Hafer und Roggen fehlte. Auf Kirchenbildern in Poa-" peji sieht man häufig Spargel, vermuthlich wilde, die angebauten scheinen un¬ bekannt gewesen zu sein. Diese abscheulich schmeckenden wilden Spargel sind auch *) Schouw: die Erde, die Pflanze» und der Mensch. Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/452>, abgerufen am 23.07.2024.