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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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nicht, wie früher im Zuschauer der Kreuzzeitung, gemeine persönliche Schimpfreden.
Im Ganzen ist Herr Wagener wol mehr Advocat, als Viceengel, oder wie sonst
das Amt heißt, das er in seiner Gemeinde bekleidet. -- Diesen beiden Führern zur
Seite thut sich ein Rittergutsbesitzer aus Pommern, Herr von Blankenburg, her¬
vor, der ganz in die Fußtapfen deö Herrn v. Bismark-Schönhausen zu treten scheint.
Von der Sache selbst redet er ebensowenig, als die beiden andern; er ist in
einer beständigen Philippina gegen den Liberalismus begriffen; aber er bewegt
sich auch bei Persönlichkeiten im Ganzen in schicklichen Formen. -- Von der
äußersten Rechten spricht sonst nur noch der Landrath Freiherr von der Horst,
im Ganzen mit mehr Eifer, als Sachkenntniß. -- Von der sogenannten ge¬
mäßigten Rechten sind als Redner nur noch der Staatsanwalt Heise aus
Halle und der Geheime Justizrath und Professor v. Keller von Bedeutung.
Den letztern habe ich nur in einzelnen persönlichen Bemerkungen gehört; der
erste gilt bei seiner Partei als zweiter Vincke, allein die einzige Ähnlichkeit
möchte darin liegen, daß beide sehr rasch und sehr laut sprechen. Herr Heise
bringt in wenigen Minuten eine Zahl von Worten zu Wege, die ihm kein
andrer in dieser Schnelligkeit nachsprechen würde, aber die Zahl der Gedanken
steht mit der Zahl der Worte in keinem Verhältniß und so wirkt diese Beredt-
samkeit, über die man anfangs erstaunt, zuletzt ermüdend, wie ein eintöniges
Wagengerassel. Herr Heise soll früher eifriger Demokrat gewesen sein. Nun
ist an sich gegen eine motivirte Aenderung seiner Ueberzeugung nichts ein¬
zuwenden, nur scheint mir das Behagen, mit dem er seine jetzige Function als
Staatsanwalt hervorhebt, mit dem er erzählt, wie er diese oder jene Broschüre
als hochverräthcrisch qualificirt habe, nicht am Platze zu sein. -- Mit diesen
Personen ist, so viel ich gehört habe, das Verzeichnis? der Redner auf der Rech¬
ten erschöpft. Bei den andern, die noch zuweilen hervortreten, ist es mehr ein
Stottern, als ein Sprechen. Die Phalanx der 70 Landräthe, die den Stamm
der ministeriellen Partei bilden, hat andre Aufgaben, als die Redekunst und
ich finde eS ganz begreiflich, daß sie regelmäßig bald nach Anfang der Debatte
den Schluß verlangen. "Thaten sind besser, als Worte!" sagt ein berühmter
Staatsmann. Nun noch zwei Männer will ich namhaft machen, die zuweilen
ihre eigne Partei in Verlegenheit bringen: der eine ist der Auditeur Mar-
card, der schon durch seine Uniform und seinen Schnurrbart ä, 1a Haynau
die Aufmerksamkeit auf sich zieht und der zuweilen die wunderbarsten Dinge
spricht. Bei Gelegenheit der Petition eines, Mäßigkeitsvereins ließ er sich im
Eifer zu der Bemerkung hinreißen, die Ritterschaft trüge nicht mehr den Helm,
sondern den Destillirkolben im Wappen;, eine Aeußerung, die nicht verfehlte,
bei der Rechten die lebhafteste Unzufriedenheit zu erregen und die den Chef deS
landwirthschaftlichen Departements zu der Versicherung veranlaßte, die Ritter¬
schaft werde unter Umständen auch den Helm zu tragen wissen. Daran ist gar


nicht, wie früher im Zuschauer der Kreuzzeitung, gemeine persönliche Schimpfreden.
Im Ganzen ist Herr Wagener wol mehr Advocat, als Viceengel, oder wie sonst
das Amt heißt, das er in seiner Gemeinde bekleidet. — Diesen beiden Führern zur
Seite thut sich ein Rittergutsbesitzer aus Pommern, Herr von Blankenburg, her¬
vor, der ganz in die Fußtapfen deö Herrn v. Bismark-Schönhausen zu treten scheint.
Von der Sache selbst redet er ebensowenig, als die beiden andern; er ist in
einer beständigen Philippina gegen den Liberalismus begriffen; aber er bewegt
sich auch bei Persönlichkeiten im Ganzen in schicklichen Formen. — Von der
äußersten Rechten spricht sonst nur noch der Landrath Freiherr von der Horst,
im Ganzen mit mehr Eifer, als Sachkenntniß. — Von der sogenannten ge¬
mäßigten Rechten sind als Redner nur noch der Staatsanwalt Heise aus
Halle und der Geheime Justizrath und Professor v. Keller von Bedeutung.
Den letztern habe ich nur in einzelnen persönlichen Bemerkungen gehört; der
erste gilt bei seiner Partei als zweiter Vincke, allein die einzige Ähnlichkeit
möchte darin liegen, daß beide sehr rasch und sehr laut sprechen. Herr Heise
bringt in wenigen Minuten eine Zahl von Worten zu Wege, die ihm kein
andrer in dieser Schnelligkeit nachsprechen würde, aber die Zahl der Gedanken
steht mit der Zahl der Worte in keinem Verhältniß und so wirkt diese Beredt-
samkeit, über die man anfangs erstaunt, zuletzt ermüdend, wie ein eintöniges
Wagengerassel. Herr Heise soll früher eifriger Demokrat gewesen sein. Nun
ist an sich gegen eine motivirte Aenderung seiner Ueberzeugung nichts ein¬
zuwenden, nur scheint mir das Behagen, mit dem er seine jetzige Function als
Staatsanwalt hervorhebt, mit dem er erzählt, wie er diese oder jene Broschüre
als hochverräthcrisch qualificirt habe, nicht am Platze zu sein. — Mit diesen
Personen ist, so viel ich gehört habe, das Verzeichnis? der Redner auf der Rech¬
ten erschöpft. Bei den andern, die noch zuweilen hervortreten, ist es mehr ein
Stottern, als ein Sprechen. Die Phalanx der 70 Landräthe, die den Stamm
der ministeriellen Partei bilden, hat andre Aufgaben, als die Redekunst und
ich finde eS ganz begreiflich, daß sie regelmäßig bald nach Anfang der Debatte
den Schluß verlangen. „Thaten sind besser, als Worte!" sagt ein berühmter
Staatsmann. Nun noch zwei Männer will ich namhaft machen, die zuweilen
ihre eigne Partei in Verlegenheit bringen: der eine ist der Auditeur Mar-
card, der schon durch seine Uniform und seinen Schnurrbart ä, 1a Haynau
die Aufmerksamkeit auf sich zieht und der zuweilen die wunderbarsten Dinge
spricht. Bei Gelegenheit der Petition eines, Mäßigkeitsvereins ließ er sich im
Eifer zu der Bemerkung hinreißen, die Ritterschaft trüge nicht mehr den Helm,
sondern den Destillirkolben im Wappen;, eine Aeußerung, die nicht verfehlte,
bei der Rechten die lebhafteste Unzufriedenheit zu erregen und die den Chef deS
landwirthschaftlichen Departements zu der Versicherung veranlaßte, die Ritter¬
schaft werde unter Umständen auch den Helm zu tragen wissen. Daran ist gar


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[0424] nicht, wie früher im Zuschauer der Kreuzzeitung, gemeine persönliche Schimpfreden. Im Ganzen ist Herr Wagener wol mehr Advocat, als Viceengel, oder wie sonst das Amt heißt, das er in seiner Gemeinde bekleidet. — Diesen beiden Führern zur Seite thut sich ein Rittergutsbesitzer aus Pommern, Herr von Blankenburg, her¬ vor, der ganz in die Fußtapfen deö Herrn v. Bismark-Schönhausen zu treten scheint. Von der Sache selbst redet er ebensowenig, als die beiden andern; er ist in einer beständigen Philippina gegen den Liberalismus begriffen; aber er bewegt sich auch bei Persönlichkeiten im Ganzen in schicklichen Formen. — Von der äußersten Rechten spricht sonst nur noch der Landrath Freiherr von der Horst, im Ganzen mit mehr Eifer, als Sachkenntniß. — Von der sogenannten ge¬ mäßigten Rechten sind als Redner nur noch der Staatsanwalt Heise aus Halle und der Geheime Justizrath und Professor v. Keller von Bedeutung. Den letztern habe ich nur in einzelnen persönlichen Bemerkungen gehört; der erste gilt bei seiner Partei als zweiter Vincke, allein die einzige Ähnlichkeit möchte darin liegen, daß beide sehr rasch und sehr laut sprechen. Herr Heise bringt in wenigen Minuten eine Zahl von Worten zu Wege, die ihm kein andrer in dieser Schnelligkeit nachsprechen würde, aber die Zahl der Gedanken steht mit der Zahl der Worte in keinem Verhältniß und so wirkt diese Beredt- samkeit, über die man anfangs erstaunt, zuletzt ermüdend, wie ein eintöniges Wagengerassel. Herr Heise soll früher eifriger Demokrat gewesen sein. Nun ist an sich gegen eine motivirte Aenderung seiner Ueberzeugung nichts ein¬ zuwenden, nur scheint mir das Behagen, mit dem er seine jetzige Function als Staatsanwalt hervorhebt, mit dem er erzählt, wie er diese oder jene Broschüre als hochverräthcrisch qualificirt habe, nicht am Platze zu sein. — Mit diesen Personen ist, so viel ich gehört habe, das Verzeichnis? der Redner auf der Rech¬ ten erschöpft. Bei den andern, die noch zuweilen hervortreten, ist es mehr ein Stottern, als ein Sprechen. Die Phalanx der 70 Landräthe, die den Stamm der ministeriellen Partei bilden, hat andre Aufgaben, als die Redekunst und ich finde eS ganz begreiflich, daß sie regelmäßig bald nach Anfang der Debatte den Schluß verlangen. „Thaten sind besser, als Worte!" sagt ein berühmter Staatsmann. Nun noch zwei Männer will ich namhaft machen, die zuweilen ihre eigne Partei in Verlegenheit bringen: der eine ist der Auditeur Mar- card, der schon durch seine Uniform und seinen Schnurrbart ä, 1a Haynau die Aufmerksamkeit auf sich zieht und der zuweilen die wunderbarsten Dinge spricht. Bei Gelegenheit der Petition eines, Mäßigkeitsvereins ließ er sich im Eifer zu der Bemerkung hinreißen, die Ritterschaft trüge nicht mehr den Helm, sondern den Destillirkolben im Wappen;, eine Aeußerung, die nicht verfehlte, bei der Rechten die lebhafteste Unzufriedenheit zu erregen und die den Chef deS landwirthschaftlichen Departements zu der Versicherung veranlaßte, die Ritter¬ schaft werde unter Umständen auch den Helm zu tragen wissen. Daran ist gar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/424>, abgerufen am 01.07.2024.