Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

eingerichtet und so bedächtig mit allen Bedürfnissen eines vornehmen Haus¬
halts versehen ist, daß kein anspruchsvoller Städter Anstand nehmen dürfte,
seine Sommerresidenz darin aufzuschlagen.

Diese luxuriöse Bauart ist, wie ich mir sagen ließ, erst in den letzten
fünfzehn Jahren allgemeiner geworden. Die ältern Häuser sind nicht so massiv
und geräumig und noch weniger so elegant ausgestattet. Sie bestehen aus
Fachwerk, das mit Ziegeln ausgefüllt ist und der Bauer wohnt darin, gleich
seinem Nachbar jenseits der Schlei, mit seinem Vieh unter einem Strohdache.
Dänische Schriftsteller haben einen sehr wesentlichen Unterschied zwischen dem
alten angelschen Hause und dem des Niedersachsen finden wollen.- Ich ver¬
mochte nichts Anderes der Art zu entdecken, als daß jenes Schornsteine hat und
dem dänischen Norden den Rücken kehrt, und daß bei ihm die Einfahrt sich nicht
auf der schmalen, sondern in der Mitte der breiten Seite befindet. Das Haus zerfällt
dadurch in eine östliche und eine westliche Hälfte. In jener wohnt der Bauer, in
dieser steht rechts und links von der Tenne sein Vieh. Die Wandbetten mit
ihren Thüren oder Schiebern, die Bezeichnungen der Hauptgemächer, die
großen, bunten, mit Messing- oder Eisenblumen verzierten, mit Wäsche und
Kleidern gefüllten Koffer sind dieselben, wie in Holstein. Nur der "Pesel",
in Angeln auch "Saal" genannt, ist gewöhnlich geräumiger, als dort. Er ist
der Ort, wo die drei großen Feste im bäuerlichen Leben gefeiert werden. Im
Pesel wird der zukünftige Besitzer der Hufe oder Käthe getauft, im Pesel ver¬
sammeln sich die bevorzugten Gäste zum Schmause, wenn der Gereifte die Braut
heimführt, und ebenda wird das "Arfbcer" ausgerichtet, wenn der Sarg hinaus¬
getragen ist, der die Wirthin oder den Wirth aufgenommen hat.

Neben dem Hause ist die "Abnahme", wo der altgewordene Vater deS
Hofbesitzers nach Uebergabe des Eigenthums an den Sohn mit der altgewor¬
denen Mutter die letzte" Tage verbringt, ein Wagenschuppen, ein Gebäude,
in welchem die Geräthschaften zum Betriebe der Milchwirthschaft aufbewahrt
werden, und zuweilen noch eine Scheune oder ein Stall. Der Obstgarten
führt den Namen "Apfelhof", der Gemüsegarten heißt "Kohlhof".

Der Stolz des echten Angler ist sein Kuhstall, der Stolz der echten
Augur ihre Milchkeller. Die Kuhrace des Ländchens gehört zu der gesuch¬
testen der Herzogthümer. Man kann bisweilen in den Fall kommen, stunden¬
lange Gespräche über die Vorzüge einer "O-nie" oder "Starke", d. h. Ferse, an"
hören zu müssen. Ein schöner "Viehstapel" hellt die finsterste Miene im Nu auf.
Häufig sind die Beispiele, daß ein wohlhabender Bauer, gleich den ägyptischen
Priestern, die einen neuen Apis suchten, meilenweit und wochenlang umher¬
zieht, um das Ideal einer guten Milchkuh, das ihm der Tod genommen,
wiederzufinden, und häufig geschieht es, daß er dann für einen schwarzen Fleck
oder einen weißen Strich oder eine Form der Hörner, die er einmal so und nicht


eingerichtet und so bedächtig mit allen Bedürfnissen eines vornehmen Haus¬
halts versehen ist, daß kein anspruchsvoller Städter Anstand nehmen dürfte,
seine Sommerresidenz darin aufzuschlagen.

Diese luxuriöse Bauart ist, wie ich mir sagen ließ, erst in den letzten
fünfzehn Jahren allgemeiner geworden. Die ältern Häuser sind nicht so massiv
und geräumig und noch weniger so elegant ausgestattet. Sie bestehen aus
Fachwerk, das mit Ziegeln ausgefüllt ist und der Bauer wohnt darin, gleich
seinem Nachbar jenseits der Schlei, mit seinem Vieh unter einem Strohdache.
Dänische Schriftsteller haben einen sehr wesentlichen Unterschied zwischen dem
alten angelschen Hause und dem des Niedersachsen finden wollen.- Ich ver¬
mochte nichts Anderes der Art zu entdecken, als daß jenes Schornsteine hat und
dem dänischen Norden den Rücken kehrt, und daß bei ihm die Einfahrt sich nicht
auf der schmalen, sondern in der Mitte der breiten Seite befindet. Das Haus zerfällt
dadurch in eine östliche und eine westliche Hälfte. In jener wohnt der Bauer, in
dieser steht rechts und links von der Tenne sein Vieh. Die Wandbetten mit
ihren Thüren oder Schiebern, die Bezeichnungen der Hauptgemächer, die
großen, bunten, mit Messing- oder Eisenblumen verzierten, mit Wäsche und
Kleidern gefüllten Koffer sind dieselben, wie in Holstein. Nur der „Pesel",
in Angeln auch „Saal" genannt, ist gewöhnlich geräumiger, als dort. Er ist
der Ort, wo die drei großen Feste im bäuerlichen Leben gefeiert werden. Im
Pesel wird der zukünftige Besitzer der Hufe oder Käthe getauft, im Pesel ver¬
sammeln sich die bevorzugten Gäste zum Schmause, wenn der Gereifte die Braut
heimführt, und ebenda wird das „Arfbcer" ausgerichtet, wenn der Sarg hinaus¬
getragen ist, der die Wirthin oder den Wirth aufgenommen hat.

Neben dem Hause ist die „Abnahme", wo der altgewordene Vater deS
Hofbesitzers nach Uebergabe des Eigenthums an den Sohn mit der altgewor¬
denen Mutter die letzte» Tage verbringt, ein Wagenschuppen, ein Gebäude,
in welchem die Geräthschaften zum Betriebe der Milchwirthschaft aufbewahrt
werden, und zuweilen noch eine Scheune oder ein Stall. Der Obstgarten
führt den Namen „Apfelhof", der Gemüsegarten heißt „Kohlhof".

Der Stolz des echten Angler ist sein Kuhstall, der Stolz der echten
Augur ihre Milchkeller. Die Kuhrace des Ländchens gehört zu der gesuch¬
testen der Herzogthümer. Man kann bisweilen in den Fall kommen, stunden¬
lange Gespräche über die Vorzüge einer „O-nie" oder „Starke", d. h. Ferse, an»
hören zu müssen. Ein schöner „Viehstapel" hellt die finsterste Miene im Nu auf.
Häufig sind die Beispiele, daß ein wohlhabender Bauer, gleich den ägyptischen
Priestern, die einen neuen Apis suchten, meilenweit und wochenlang umher¬
zieht, um das Ideal einer guten Milchkuh, das ihm der Tod genommen,
wiederzufinden, und häufig geschieht es, daß er dann für einen schwarzen Fleck
oder einen weißen Strich oder eine Form der Hörner, die er einmal so und nicht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0042" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101035"/>
            <p xml:id="ID_112" prev="#ID_111"> eingerichtet und so bedächtig mit allen Bedürfnissen eines vornehmen Haus¬<lb/>
halts versehen ist, daß kein anspruchsvoller Städter Anstand nehmen dürfte,<lb/>
seine Sommerresidenz darin aufzuschlagen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_113"> Diese luxuriöse Bauart ist, wie ich mir sagen ließ, erst in den letzten<lb/>
fünfzehn Jahren allgemeiner geworden. Die ältern Häuser sind nicht so massiv<lb/>
und geräumig und noch weniger so elegant ausgestattet. Sie bestehen aus<lb/>
Fachwerk, das mit Ziegeln ausgefüllt ist und der Bauer wohnt darin, gleich<lb/>
seinem Nachbar jenseits der Schlei, mit seinem Vieh unter einem Strohdache.<lb/>
Dänische Schriftsteller haben einen sehr wesentlichen Unterschied zwischen dem<lb/>
alten angelschen Hause und dem des Niedersachsen finden wollen.- Ich ver¬<lb/>
mochte nichts Anderes der Art zu entdecken, als daß jenes Schornsteine hat und<lb/>
dem dänischen Norden den Rücken kehrt, und daß bei ihm die Einfahrt sich nicht<lb/>
auf der schmalen, sondern in der Mitte der breiten Seite befindet. Das Haus zerfällt<lb/>
dadurch in eine östliche und eine westliche Hälfte. In jener wohnt der Bauer, in<lb/>
dieser steht rechts und links von der Tenne sein Vieh. Die Wandbetten mit<lb/>
ihren Thüren oder Schiebern, die Bezeichnungen der Hauptgemächer, die<lb/>
großen, bunten, mit Messing- oder Eisenblumen verzierten, mit Wäsche und<lb/>
Kleidern gefüllten Koffer sind dieselben, wie in Holstein. Nur der &#x201E;Pesel",<lb/>
in Angeln auch &#x201E;Saal" genannt, ist gewöhnlich geräumiger, als dort. Er ist<lb/>
der Ort, wo die drei großen Feste im bäuerlichen Leben gefeiert werden. Im<lb/>
Pesel wird der zukünftige Besitzer der Hufe oder Käthe getauft, im Pesel ver¬<lb/>
sammeln sich die bevorzugten Gäste zum Schmause, wenn der Gereifte die Braut<lb/>
heimführt, und ebenda wird das &#x201E;Arfbcer" ausgerichtet, wenn der Sarg hinaus¬<lb/>
getragen ist, der die Wirthin oder den Wirth aufgenommen hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_114"> Neben dem Hause ist die &#x201E;Abnahme", wo der altgewordene Vater deS<lb/>
Hofbesitzers nach Uebergabe des Eigenthums an den Sohn mit der altgewor¬<lb/>
denen Mutter die letzte» Tage verbringt, ein Wagenschuppen, ein Gebäude,<lb/>
in welchem die Geräthschaften zum Betriebe der Milchwirthschaft aufbewahrt<lb/>
werden, und zuweilen noch eine Scheune oder ein Stall. Der Obstgarten<lb/>
führt den Namen &#x201E;Apfelhof", der Gemüsegarten heißt &#x201E;Kohlhof".</p><lb/>
            <p xml:id="ID_115" next="#ID_116"> Der Stolz des echten Angler ist sein Kuhstall, der Stolz der echten<lb/>
Augur ihre Milchkeller. Die Kuhrace des Ländchens gehört zu der gesuch¬<lb/>
testen der Herzogthümer. Man kann bisweilen in den Fall kommen, stunden¬<lb/>
lange Gespräche über die Vorzüge einer &#x201E;O-nie" oder &#x201E;Starke", d. h. Ferse, an»<lb/>
hören zu müssen. Ein schöner &#x201E;Viehstapel" hellt die finsterste Miene im Nu auf.<lb/>
Häufig sind die Beispiele, daß ein wohlhabender Bauer, gleich den ägyptischen<lb/>
Priestern, die einen neuen Apis suchten, meilenweit und wochenlang umher¬<lb/>
zieht, um das Ideal einer guten Milchkuh, das ihm der Tod genommen,<lb/>
wiederzufinden, und häufig geschieht es, daß er dann für einen schwarzen Fleck<lb/>
oder einen weißen Strich oder eine Form der Hörner, die er einmal so und nicht</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0042] eingerichtet und so bedächtig mit allen Bedürfnissen eines vornehmen Haus¬ halts versehen ist, daß kein anspruchsvoller Städter Anstand nehmen dürfte, seine Sommerresidenz darin aufzuschlagen. Diese luxuriöse Bauart ist, wie ich mir sagen ließ, erst in den letzten fünfzehn Jahren allgemeiner geworden. Die ältern Häuser sind nicht so massiv und geräumig und noch weniger so elegant ausgestattet. Sie bestehen aus Fachwerk, das mit Ziegeln ausgefüllt ist und der Bauer wohnt darin, gleich seinem Nachbar jenseits der Schlei, mit seinem Vieh unter einem Strohdache. Dänische Schriftsteller haben einen sehr wesentlichen Unterschied zwischen dem alten angelschen Hause und dem des Niedersachsen finden wollen.- Ich ver¬ mochte nichts Anderes der Art zu entdecken, als daß jenes Schornsteine hat und dem dänischen Norden den Rücken kehrt, und daß bei ihm die Einfahrt sich nicht auf der schmalen, sondern in der Mitte der breiten Seite befindet. Das Haus zerfällt dadurch in eine östliche und eine westliche Hälfte. In jener wohnt der Bauer, in dieser steht rechts und links von der Tenne sein Vieh. Die Wandbetten mit ihren Thüren oder Schiebern, die Bezeichnungen der Hauptgemächer, die großen, bunten, mit Messing- oder Eisenblumen verzierten, mit Wäsche und Kleidern gefüllten Koffer sind dieselben, wie in Holstein. Nur der „Pesel", in Angeln auch „Saal" genannt, ist gewöhnlich geräumiger, als dort. Er ist der Ort, wo die drei großen Feste im bäuerlichen Leben gefeiert werden. Im Pesel wird der zukünftige Besitzer der Hufe oder Käthe getauft, im Pesel ver¬ sammeln sich die bevorzugten Gäste zum Schmause, wenn der Gereifte die Braut heimführt, und ebenda wird das „Arfbcer" ausgerichtet, wenn der Sarg hinaus¬ getragen ist, der die Wirthin oder den Wirth aufgenommen hat. Neben dem Hause ist die „Abnahme", wo der altgewordene Vater deS Hofbesitzers nach Uebergabe des Eigenthums an den Sohn mit der altgewor¬ denen Mutter die letzte» Tage verbringt, ein Wagenschuppen, ein Gebäude, in welchem die Geräthschaften zum Betriebe der Milchwirthschaft aufbewahrt werden, und zuweilen noch eine Scheune oder ein Stall. Der Obstgarten führt den Namen „Apfelhof", der Gemüsegarten heißt „Kohlhof". Der Stolz des echten Angler ist sein Kuhstall, der Stolz der echten Augur ihre Milchkeller. Die Kuhrace des Ländchens gehört zu der gesuch¬ testen der Herzogthümer. Man kann bisweilen in den Fall kommen, stunden¬ lange Gespräche über die Vorzüge einer „O-nie" oder „Starke", d. h. Ferse, an» hören zu müssen. Ein schöner „Viehstapel" hellt die finsterste Miene im Nu auf. Häufig sind die Beispiele, daß ein wohlhabender Bauer, gleich den ägyptischen Priestern, die einen neuen Apis suchten, meilenweit und wochenlang umher¬ zieht, um das Ideal einer guten Milchkuh, das ihm der Tod genommen, wiederzufinden, und häufig geschieht es, daß er dann für einen schwarzen Fleck oder einen weißen Strich oder eine Form der Hörner, die er einmal so und nicht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/42
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/42>, abgerufen am 23.07.2024.