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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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einige große Güter da, wie z. B. Nmidhof und die Baronie Gekling, aber
so viel mir bekannt, hat kein einziges derselben Gebäude, die man in unserm
Sinne ein Schloß nennen könnte. Ein freundliches, gewöhnlich nur aus einem
erhöhten Parterre bestehendes Wohnhaus nebst den nöthigen Ställen und
Scheunen, umgeben von einem "Hausgraben", den alte Bäume beschatten, ist
in der Regel alles, was zu einem angclschen Edelhofe gehört. Wie die Ritter
bis auf wenige aus dem Ländchen verdrängt sind, so sind auch die Burgen
verschwunden. Die adligen Güter sind, mit Ausnahme von einem halben
Dutzend, sämmtlich in den Händen Bürgerlicher und nur ihre zum Theil eigen¬
thümlichen Privilegien erinnere noch daran, daß sie einst einer bevorrechteten
Classe gehörten. Diese Privilegien haften übrigens auch an den Parcellen
und so kommt eS vor, daß Bauern, die kaum fünfzig Tonnen Land besitzen,
auf demselben die Rechte adliger Herren ausüben.

Fällt nun an den Rittergütern die Unscheinbarkeit ihrer Höfe auf, so
staunt man bei den größern Bauerngütern über das Gegentheil. Der Hof
eines angelschen Hufners unterscheidet sich in der That nur wenig von dem eines
kleinern adligen Gutes. Man sieht ein nach der Straße hin offenes Viereck
vor sich, dessen Hintergrund das Wohnhaus einnimmt, während Stall und
Scheune die beiden andern Seiten bilden. Alles ist geräumig und massiv ge¬
baut und selbst auf eine gewisse Gefälligkeit der Form ist gesehen. Vor dem
Hause, welches von gelbgrauen oder rothen Ziegeln erbaut ist, stets ein Stroh¬
dach hat und zu dessen bunt abgestrichener Thür zuweilen eine steinerne Treppe
hinaufführt, steht gewöhnlich eine lebendige Colonnade verschnittener Bäume.
Hohe breite Fenster mit weiß und grün gemalten Rahmen und vielen kleinen
Scheiben nehmen einen großen Theil der Vorderwand ein, über deren Mitte
.sich manchmal ein verzierter Giebel erhebt. Im Innern gibt es eine Menge
verschiedener Gemächer, unter denen eine Art Salon nicht sehlen darf, der mit
Modemöbeln ausgestattet sein muß. Mahagonisecretäre, elegante Schreib¬
tische und Sophas mit Roßhaarüberzügen, theure Polsterstühle, Uhren, Silber¬
zeug, Nippes sind hier etwas Gewöhnliches. Als die Pianinos aufkamen und
der Baron von Gekling eins verschrieben hatte, waren binnen zwei Jahren
acht Stück im Kirchspiele und ich glaube, daß wenigstens ein einfaches Piano-
forte als gradezu erforderlich zur Vollständigkeit eines wohlhabenden Hauses
betrachtet wird, gleichviel, ob jemand da ist, der das Instrument zu spielen
versteht.

Fast jedes Dorf hat mehre dieser stolzen Höfe, die sich nur durch ihre
Strohbedachung und durch den Mangel eines Ringgrabens von den hiesigen
Edelhöfen unterscheiden. Besonders viele sah ich in Steinkirch und Satrup,
besonders schöne in Niebye bei Gekling, und bei Toestorf hat sich der Bauer
Petersen auf einem Hügel eine Villa erbaut, die so geschmackvoll und reich


Grenzboten. I. 18no. ü

einige große Güter da, wie z. B. Nmidhof und die Baronie Gekling, aber
so viel mir bekannt, hat kein einziges derselben Gebäude, die man in unserm
Sinne ein Schloß nennen könnte. Ein freundliches, gewöhnlich nur aus einem
erhöhten Parterre bestehendes Wohnhaus nebst den nöthigen Ställen und
Scheunen, umgeben von einem „Hausgraben", den alte Bäume beschatten, ist
in der Regel alles, was zu einem angclschen Edelhofe gehört. Wie die Ritter
bis auf wenige aus dem Ländchen verdrängt sind, so sind auch die Burgen
verschwunden. Die adligen Güter sind, mit Ausnahme von einem halben
Dutzend, sämmtlich in den Händen Bürgerlicher und nur ihre zum Theil eigen¬
thümlichen Privilegien erinnere noch daran, daß sie einst einer bevorrechteten
Classe gehörten. Diese Privilegien haften übrigens auch an den Parcellen
und so kommt eS vor, daß Bauern, die kaum fünfzig Tonnen Land besitzen,
auf demselben die Rechte adliger Herren ausüben.

Fällt nun an den Rittergütern die Unscheinbarkeit ihrer Höfe auf, so
staunt man bei den größern Bauerngütern über das Gegentheil. Der Hof
eines angelschen Hufners unterscheidet sich in der That nur wenig von dem eines
kleinern adligen Gutes. Man sieht ein nach der Straße hin offenes Viereck
vor sich, dessen Hintergrund das Wohnhaus einnimmt, während Stall und
Scheune die beiden andern Seiten bilden. Alles ist geräumig und massiv ge¬
baut und selbst auf eine gewisse Gefälligkeit der Form ist gesehen. Vor dem
Hause, welches von gelbgrauen oder rothen Ziegeln erbaut ist, stets ein Stroh¬
dach hat und zu dessen bunt abgestrichener Thür zuweilen eine steinerne Treppe
hinaufführt, steht gewöhnlich eine lebendige Colonnade verschnittener Bäume.
Hohe breite Fenster mit weiß und grün gemalten Rahmen und vielen kleinen
Scheiben nehmen einen großen Theil der Vorderwand ein, über deren Mitte
.sich manchmal ein verzierter Giebel erhebt. Im Innern gibt es eine Menge
verschiedener Gemächer, unter denen eine Art Salon nicht sehlen darf, der mit
Modemöbeln ausgestattet sein muß. Mahagonisecretäre, elegante Schreib¬
tische und Sophas mit Roßhaarüberzügen, theure Polsterstühle, Uhren, Silber¬
zeug, Nippes sind hier etwas Gewöhnliches. Als die Pianinos aufkamen und
der Baron von Gekling eins verschrieben hatte, waren binnen zwei Jahren
acht Stück im Kirchspiele und ich glaube, daß wenigstens ein einfaches Piano-
forte als gradezu erforderlich zur Vollständigkeit eines wohlhabenden Hauses
betrachtet wird, gleichviel, ob jemand da ist, der das Instrument zu spielen
versteht.

Fast jedes Dorf hat mehre dieser stolzen Höfe, die sich nur durch ihre
Strohbedachung und durch den Mangel eines Ringgrabens von den hiesigen
Edelhöfen unterscheiden. Besonders viele sah ich in Steinkirch und Satrup,
besonders schöne in Niebye bei Gekling, und bei Toestorf hat sich der Bauer
Petersen auf einem Hügel eine Villa erbaut, die so geschmackvoll und reich


Grenzboten. I. 18no. ü
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/41>, abgerufen am 25.08.2024.