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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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unbekannt. Sie führen dagegen ein geselliges, in allen Hauptzügen einfaches,
nicht sehr abgestuftes Naturleben, das in engern Grenzen rascher variirt und
oscillirt, als das Menschenleben, und wiederholen im Verhältniß zu diesem
einigermaßen den Gegensatz von Mann und Weib, Kind und Erwachsener; mit
einem Worte: die Mondbewohner sind -- Elfen.

Scherz oder Ernst? Fragen wir den Doctor Mises, der unsrer Meinung
nach diesen ErcurS eingestreut hat.

Der Professor Fechner anwortet: Etwas von Ernst, wenn der Mond eine
Atmosphäre hat; reiner Scherz meines Doppelgängers, wofern er keine hat.
Mag nämlich die Luft auf der uns abgekehrten Mondhelle viel dichter sein, als
auf der uns zugewandten, so kann sie doch, falls solche irgendwo auf dem
Monde vorhanden ist, nach den Gesetzen der Luftverbreitung nirgend und am
wenigsten an dem für uus sichtbaren Mondrande gleich Null sein. Gesetzt
aber, die Dichtheit der Luft am Mondrande ist gegeben, so läßt sich berechnen,
in welchem Verhältnisse sie sich bei einer Erhebung von acht Meilen über das
Niveau des Mondrandes verdünnen und bei einer Erniedrigung um ebenso-
viele Meilen darunter verdichten muß, wie viel also die Verdünnung auf der
Mitte der uus zugekehrten, und wie viel die Verdichtung im Mittelpunkte der
von uns abgekehrten Seite des Mondes betragen muß.

Nun haben wir über die Dichtheit, welche der Luft am sichtbaren Mond¬
rande beigelegt werben kann, bestimmte Angaben. Wir können also urtheilen,
ob die Verdichtung bis zur Mitte der von uns abgewendeten Mvndhemisphäre
groß genug ist, um zu dem Glauben zu berechtigen, daß organisches Leben
dabei bestehen könne. Die Verhältnisse scheinen sich zunächst in dieser Hinsicht
günstig zu stellen, namentlich wenn man berücksichtigt, daß auf dem Monde
eine geringere Dichtheit der Luft hinreichen kann, die Energie des Lebens-
processes zu erhallen, die den Hindernissen der dort geringern Schwere gewachsen
ist. Zwar hat Bessel bewiesen, daß die Luft am Mondrande, falls solche über¬
haupt vorhanden ist, allerhöchstens Vssu der Dichtheit unsrer Luft haben kann.
Aber auch wenn wir Vzoo" dafür setzen, haben wir, so scheint es zuvörderst,
nach der Mitte des MvndjenseitS zu noch mehr Dichtheit, als wir brauchen,
ja als wir brauchen können. -- Gesetzt, man stiege auf der Erde vom Meeres¬
niveau acht Meilen aufwärts, so würde nach den barometrischen Formeln die
Luftdichtheit sich, bei Annahme einer Temperatur der Luftsäule von 0" 0 auf
derjenigen, welche im Meeresniveau stattfindet, reduciren. Stiege man
dagegen ebenso tief abwärts, so würde sich diese Luftdichtheit auf das -Is35-
fache steigern, so daß die Luft in solcher Tiefe über anderthalbmal so dicht als
Wasser werden würde. -- Tragen wir dies auf den Mond über. Angenommen,
hie Luft hätte am Mondrande Vio"o der Dichtheit unsrer Erdenlust, so würde
sich diese höchst geringe Dichtheit auf der Mitte der uns zugekehrten Seite,


unbekannt. Sie führen dagegen ein geselliges, in allen Hauptzügen einfaches,
nicht sehr abgestuftes Naturleben, das in engern Grenzen rascher variirt und
oscillirt, als das Menschenleben, und wiederholen im Verhältniß zu diesem
einigermaßen den Gegensatz von Mann und Weib, Kind und Erwachsener; mit
einem Worte: die Mondbewohner sind — Elfen.

Scherz oder Ernst? Fragen wir den Doctor Mises, der unsrer Meinung
nach diesen ErcurS eingestreut hat.

Der Professor Fechner anwortet: Etwas von Ernst, wenn der Mond eine
Atmosphäre hat; reiner Scherz meines Doppelgängers, wofern er keine hat.
Mag nämlich die Luft auf der uns abgekehrten Mondhelle viel dichter sein, als
auf der uns zugewandten, so kann sie doch, falls solche irgendwo auf dem
Monde vorhanden ist, nach den Gesetzen der Luftverbreitung nirgend und am
wenigsten an dem für uus sichtbaren Mondrande gleich Null sein. Gesetzt
aber, die Dichtheit der Luft am Mondrande ist gegeben, so läßt sich berechnen,
in welchem Verhältnisse sie sich bei einer Erhebung von acht Meilen über das
Niveau des Mondrandes verdünnen und bei einer Erniedrigung um ebenso-
viele Meilen darunter verdichten muß, wie viel also die Verdünnung auf der
Mitte der uus zugekehrten, und wie viel die Verdichtung im Mittelpunkte der
von uns abgekehrten Seite des Mondes betragen muß.

Nun haben wir über die Dichtheit, welche der Luft am sichtbaren Mond¬
rande beigelegt werben kann, bestimmte Angaben. Wir können also urtheilen,
ob die Verdichtung bis zur Mitte der von uns abgewendeten Mvndhemisphäre
groß genug ist, um zu dem Glauben zu berechtigen, daß organisches Leben
dabei bestehen könne. Die Verhältnisse scheinen sich zunächst in dieser Hinsicht
günstig zu stellen, namentlich wenn man berücksichtigt, daß auf dem Monde
eine geringere Dichtheit der Luft hinreichen kann, die Energie des Lebens-
processes zu erhallen, die den Hindernissen der dort geringern Schwere gewachsen
ist. Zwar hat Bessel bewiesen, daß die Luft am Mondrande, falls solche über¬
haupt vorhanden ist, allerhöchstens Vssu der Dichtheit unsrer Luft haben kann.
Aber auch wenn wir Vzoo» dafür setzen, haben wir, so scheint es zuvörderst,
nach der Mitte des MvndjenseitS zu noch mehr Dichtheit, als wir brauchen,
ja als wir brauchen können. — Gesetzt, man stiege auf der Erde vom Meeres¬
niveau acht Meilen aufwärts, so würde nach den barometrischen Formeln die
Luftdichtheit sich, bei Annahme einer Temperatur der Luftsäule von 0» 0 auf
derjenigen, welche im Meeresniveau stattfindet, reduciren. Stiege man
dagegen ebenso tief abwärts, so würde sich diese Luftdichtheit auf das -Is35-
fache steigern, so daß die Luft in solcher Tiefe über anderthalbmal so dicht als
Wasser werden würde. — Tragen wir dies auf den Mond über. Angenommen,
hie Luft hätte am Mondrande Vio»o der Dichtheit unsrer Erdenlust, so würde
sich diese höchst geringe Dichtheit auf der Mitte der uns zugekehrten Seite,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/405>, abgerufen am 23.07.2024.