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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Brewster zu stellen. Wir meinen Professor Fechner und sein Buch "Schleiden
und der Mond."^) Auch Fechner gehört -- und zwar nach seinem eignen Ge-
ständniß -- zu den Phantasten, aber seine Art der Beweisführung ist denn
doch eine ganz andere, als die des Engländers. Ja er ist eigentlich als
Fechner nichts weniger als Phantast, sondern ein gewissenhafter und gründ¬
licher Gelehrter, begabt mit Scharfsinn und ausgerüstet mit umfassenden Kennt¬
nissen der Dinge, die er behandelt. Der Phantast ist Fechners zweites Ich,
ist der Or. Miscs, ein liebenswürdiger Humorist, dem wir gern zuhören, und
der nur den einen Fehler hat. daß er dem Professor zu viel in seine Beweis¬
führung hineinredet und ihn mit Einfällen unterbricht, die an sich reizende
kleine Schriften geben würden, in diesem Zusammenhange aber nur den Ein¬
druck wissenschaftlicher Behandlung schwächen, während sie ihrerseits wieder un¬
ter der Menge gelehrter Citate ersticken, welche die Beweisführung erfordert.
Hätten der Professor und der Humorist stets jeder für sich geschrieben, es wäre
besser für beide gewesen. Der Dr. Mises war es, der den Professor Fechner
verleitete, ihm seine Kenntniß der Natur und seinen Namen zu Gebote zu
stellen, als er den seltsamen Gedanken hatte, uns glauben zu machen, die
Pflanzen seien im eigentlichen Sinne des Worts beseelte Wesen. Der Dr. Mises
steckt dahinter, wenn der Professor Fechner in einem dreibändigen Buche zu
beweisen sucht, auch die Planeten und Sonnen seien eine Art von Persön¬
lichkeiten. Der Dr. Mises beeinträchtigt auch in der oben genannten Schrift
die Wirkung dessen, was der Professor zu seiner Vertheidigung gegen SchleidenS
herbe Angriffe vorzubringen hat, bisweilen ziemlich erheblich. Indeß freuen wir
uns, sagen zu können, daß es dem Humoristen nicht gelungen ist, den Gelehr¬
ten, besten Schatten oder dessen Doppelgänger er ist, zu der für Humoristen und
Phantasten unzweifelhaft sehr lockenden Beweisführung zu überreden, daß der
Mond Bewohner habe.

Brewster wird mit den Zweifeln, die in dieser Beziehung obwalten, schnell
fertig. Er sagt: Gewiß, der Mond hat keine Wolken und Seen, aber das ist
kein Grund zu der Annahme, daß er keine Atmosphäre und keinen Niederschlag
von Feuchtigkeit hat, der das vegetabilische Leben nähren könnte. Der Mond
kann Bäche und selbst Ströme haben, die sich gleich manchen der unsern im
Sande oder in unterirdischen Höhlen verlieren oder auch verdunsten. Es
kann dort Quellen geben, die für die Menschen völlig ausreichen, deren Ver¬
dunstung aber doch nicht stark genug ist, um Wolken zu bilden. Die Luft
mag in so geringem Maße mit wässrigen Dünsten angefüllt sein, daß derselbe
nur als ein sanfter Thau herabfällt. Gibt es doch auch auf unserm Planeten
Regionen, wo niemals Regen, sondern nur Thau vorkommt.



") "Professor Schleiden und der Mond. Avr G. Th. Fechner." Leipzig, Gumprecht. --
Man vergleiche: "Studien. Populäre Vorträge von M. Schleiden." Leipzig, Engelmann.

Brewster zu stellen. Wir meinen Professor Fechner und sein Buch „Schleiden
und der Mond."^) Auch Fechner gehört — und zwar nach seinem eignen Ge-
ständniß — zu den Phantasten, aber seine Art der Beweisführung ist denn
doch eine ganz andere, als die des Engländers. Ja er ist eigentlich als
Fechner nichts weniger als Phantast, sondern ein gewissenhafter und gründ¬
licher Gelehrter, begabt mit Scharfsinn und ausgerüstet mit umfassenden Kennt¬
nissen der Dinge, die er behandelt. Der Phantast ist Fechners zweites Ich,
ist der Or. Miscs, ein liebenswürdiger Humorist, dem wir gern zuhören, und
der nur den einen Fehler hat. daß er dem Professor zu viel in seine Beweis¬
führung hineinredet und ihn mit Einfällen unterbricht, die an sich reizende
kleine Schriften geben würden, in diesem Zusammenhange aber nur den Ein¬
druck wissenschaftlicher Behandlung schwächen, während sie ihrerseits wieder un¬
ter der Menge gelehrter Citate ersticken, welche die Beweisführung erfordert.
Hätten der Professor und der Humorist stets jeder für sich geschrieben, es wäre
besser für beide gewesen. Der Dr. Mises war es, der den Professor Fechner
verleitete, ihm seine Kenntniß der Natur und seinen Namen zu Gebote zu
stellen, als er den seltsamen Gedanken hatte, uns glauben zu machen, die
Pflanzen seien im eigentlichen Sinne des Worts beseelte Wesen. Der Dr. Mises
steckt dahinter, wenn der Professor Fechner in einem dreibändigen Buche zu
beweisen sucht, auch die Planeten und Sonnen seien eine Art von Persön¬
lichkeiten. Der Dr. Mises beeinträchtigt auch in der oben genannten Schrift
die Wirkung dessen, was der Professor zu seiner Vertheidigung gegen SchleidenS
herbe Angriffe vorzubringen hat, bisweilen ziemlich erheblich. Indeß freuen wir
uns, sagen zu können, daß es dem Humoristen nicht gelungen ist, den Gelehr¬
ten, besten Schatten oder dessen Doppelgänger er ist, zu der für Humoristen und
Phantasten unzweifelhaft sehr lockenden Beweisführung zu überreden, daß der
Mond Bewohner habe.

Brewster wird mit den Zweifeln, die in dieser Beziehung obwalten, schnell
fertig. Er sagt: Gewiß, der Mond hat keine Wolken und Seen, aber das ist
kein Grund zu der Annahme, daß er keine Atmosphäre und keinen Niederschlag
von Feuchtigkeit hat, der das vegetabilische Leben nähren könnte. Der Mond
kann Bäche und selbst Ströme haben, die sich gleich manchen der unsern im
Sande oder in unterirdischen Höhlen verlieren oder auch verdunsten. Es
kann dort Quellen geben, die für die Menschen völlig ausreichen, deren Ver¬
dunstung aber doch nicht stark genug ist, um Wolken zu bilden. Die Luft
mag in so geringem Maße mit wässrigen Dünsten angefüllt sein, daß derselbe
nur als ein sanfter Thau herabfällt. Gibt es doch auch auf unserm Planeten
Regionen, wo niemals Regen, sondern nur Thau vorkommt.



") „Professor Schleiden und der Mond. Avr G. Th. Fechner." Leipzig, Gumprecht. —
Man vergleiche: „Studien. Populäre Vorträge von M. Schleiden." Leipzig, Engelmann.
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[0400] Brewster zu stellen. Wir meinen Professor Fechner und sein Buch „Schleiden und der Mond."^) Auch Fechner gehört — und zwar nach seinem eignen Ge- ständniß — zu den Phantasten, aber seine Art der Beweisführung ist denn doch eine ganz andere, als die des Engländers. Ja er ist eigentlich als Fechner nichts weniger als Phantast, sondern ein gewissenhafter und gründ¬ licher Gelehrter, begabt mit Scharfsinn und ausgerüstet mit umfassenden Kennt¬ nissen der Dinge, die er behandelt. Der Phantast ist Fechners zweites Ich, ist der Or. Miscs, ein liebenswürdiger Humorist, dem wir gern zuhören, und der nur den einen Fehler hat. daß er dem Professor zu viel in seine Beweis¬ führung hineinredet und ihn mit Einfällen unterbricht, die an sich reizende kleine Schriften geben würden, in diesem Zusammenhange aber nur den Ein¬ druck wissenschaftlicher Behandlung schwächen, während sie ihrerseits wieder un¬ ter der Menge gelehrter Citate ersticken, welche die Beweisführung erfordert. Hätten der Professor und der Humorist stets jeder für sich geschrieben, es wäre besser für beide gewesen. Der Dr. Mises war es, der den Professor Fechner verleitete, ihm seine Kenntniß der Natur und seinen Namen zu Gebote zu stellen, als er den seltsamen Gedanken hatte, uns glauben zu machen, die Pflanzen seien im eigentlichen Sinne des Worts beseelte Wesen. Der Dr. Mises steckt dahinter, wenn der Professor Fechner in einem dreibändigen Buche zu beweisen sucht, auch die Planeten und Sonnen seien eine Art von Persön¬ lichkeiten. Der Dr. Mises beeinträchtigt auch in der oben genannten Schrift die Wirkung dessen, was der Professor zu seiner Vertheidigung gegen SchleidenS herbe Angriffe vorzubringen hat, bisweilen ziemlich erheblich. Indeß freuen wir uns, sagen zu können, daß es dem Humoristen nicht gelungen ist, den Gelehr¬ ten, besten Schatten oder dessen Doppelgänger er ist, zu der für Humoristen und Phantasten unzweifelhaft sehr lockenden Beweisführung zu überreden, daß der Mond Bewohner habe. Brewster wird mit den Zweifeln, die in dieser Beziehung obwalten, schnell fertig. Er sagt: Gewiß, der Mond hat keine Wolken und Seen, aber das ist kein Grund zu der Annahme, daß er keine Atmosphäre und keinen Niederschlag von Feuchtigkeit hat, der das vegetabilische Leben nähren könnte. Der Mond kann Bäche und selbst Ströme haben, die sich gleich manchen der unsern im Sande oder in unterirdischen Höhlen verlieren oder auch verdunsten. Es kann dort Quellen geben, die für die Menschen völlig ausreichen, deren Ver¬ dunstung aber doch nicht stark genug ist, um Wolken zu bilden. Die Luft mag in so geringem Maße mit wässrigen Dünsten angefüllt sein, daß derselbe nur als ein sanfter Thau herabfällt. Gibt es doch auch auf unserm Planeten Regionen, wo niemals Regen, sondern nur Thau vorkommt. ") „Professor Schleiden und der Mond. Avr G. Th. Fechner." Leipzig, Gumprecht. — Man vergleiche: „Studien. Populäre Vorträge von M. Schleiden." Leipzig, Engelmann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/400>, abgerufen am 25.08.2024.