Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Gemach trat und gab der Leiche einen Schlag, daß sie in Staub zusam¬
menfiel.

Dasselbe wird von einer Frau von Zagow erzählt, die einst aus Satrupholm
wohnte, und zahlreich sind die Sagen von Adeligen, welche als leidenschaft¬
liche Jäger die Saaten ihrer Gutsunterthanen verwüsteten, ebenso zahlreich
die geschichtlich verbürgten Beispiele anderer, die ihre Bauern mit rücksichts¬
loser Härte um ihr Letztes brachten.

Diese gute alte Zeit, die ein wenig nach Onkel Toms Hütte schmeckt, ist
in Angeln längst und vollständiger begraben, als in andern Strichen der
Herzogtümer. Als der Adel dem Landvolke die Fesseln der Leibeigenschaft
anlegte, wurde zugleich zur Niederlegung der Bauernstellen geschritten. Man
nahm den Leuten ihr Land, vergrößerte damit die Hoffelder und verwandelte
die Hufner in Tagelöhner, die nun ihren bisherigen Feldbesitz zu Gunsten des
Edelmanns bearbeiten mußten. So blieben in Angeln wie, mit Ausnahme
der Marschen und einiger sächsischen Dörfer aus der hohen Geest, in ganz
Schleswig und Holstein nur sehr wenige freie Bauern mit eignem Grund¬
besitz übrig. Es gab zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts hier fast nur
adelige Güter, Kronbesitzungen und Kirchengut. Dieses'unnatürliche Verhält¬
niß konnte vor dem Geiste der neuern Zeit nicht bestehen. Der Bauer mußte
aufhören, Sache, und er mußte aufhören, eigenthumslos zu sein. Die schlechte
Wirthschaft vieler Adeligen, welche sich genöthigt sahen, ein Recht und ein
Stück Land nach dem andern zu verkaufen oder zu verpachten und für solche
kleine Parcellen keine Käufer oder Pächter ihres Standes fanden, die Guther¬
zigkeit anderer, namentlich aber auch die zahlreichen Domänen in dieser Gegend
erleichterten den Fortschritt zum Bessern in Angeln mehr wie anderwärts. Schon
vor anderthalbhundert Jahren begannen einzelne Gutsherrn die Frohnden gegen
eine Ablösungssumme aufzugeben. In der zweiten Hälste deS vorigen
Jahrhunderts wurden dann die-Domänen mit Ausnahme der Waldungen in
kleinere Stücke zerschlagen und theils zu vollkommen freiem Besitz verkauft,
theils in Pacht gegeben. Ebenso zerfielen einige der in den Händen des Adels
befindlichen Güter ganz oder theilweise. Die Parcellen der niedergelegten Kron¬
güter wurden meist Erbpachtsstellen, und dasselbe war in Angeln mit der
Mehrzahl der abgetrennten Stücke der Privatgüter der Fall. In diesem Falle
bleibt dem Verkäufer nur das todte Eigenthumsrecht. Der Erbpächter übt alle
Befugnisse eines wirklichen Besitzers aus, kann sein Grundstück nach Belieben
vererben oder verkaufen und hat nur eine jährliche, für alle Zeiten festgestellte
Pachtsumme, Kanon genannt, zu erlegen und bei Verkäufen den Konsens des
Obereigcnthümers einzuholen. Etwas Aehnliches sind die Festestellen, an denen
das Obereigenthum dem Staate zusteht, die aber von ihrem Inhaber, welcher
statt des Kanons beim Besitzantritt ein für alle Mal eine Geldsumme zu zäh-


Gemach trat und gab der Leiche einen Schlag, daß sie in Staub zusam¬
menfiel.

Dasselbe wird von einer Frau von Zagow erzählt, die einst aus Satrupholm
wohnte, und zahlreich sind die Sagen von Adeligen, welche als leidenschaft¬
liche Jäger die Saaten ihrer Gutsunterthanen verwüsteten, ebenso zahlreich
die geschichtlich verbürgten Beispiele anderer, die ihre Bauern mit rücksichts¬
loser Härte um ihr Letztes brachten.

Diese gute alte Zeit, die ein wenig nach Onkel Toms Hütte schmeckt, ist
in Angeln längst und vollständiger begraben, als in andern Strichen der
Herzogtümer. Als der Adel dem Landvolke die Fesseln der Leibeigenschaft
anlegte, wurde zugleich zur Niederlegung der Bauernstellen geschritten. Man
nahm den Leuten ihr Land, vergrößerte damit die Hoffelder und verwandelte
die Hufner in Tagelöhner, die nun ihren bisherigen Feldbesitz zu Gunsten des
Edelmanns bearbeiten mußten. So blieben in Angeln wie, mit Ausnahme
der Marschen und einiger sächsischen Dörfer aus der hohen Geest, in ganz
Schleswig und Holstein nur sehr wenige freie Bauern mit eignem Grund¬
besitz übrig. Es gab zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts hier fast nur
adelige Güter, Kronbesitzungen und Kirchengut. Dieses'unnatürliche Verhält¬
niß konnte vor dem Geiste der neuern Zeit nicht bestehen. Der Bauer mußte
aufhören, Sache, und er mußte aufhören, eigenthumslos zu sein. Die schlechte
Wirthschaft vieler Adeligen, welche sich genöthigt sahen, ein Recht und ein
Stück Land nach dem andern zu verkaufen oder zu verpachten und für solche
kleine Parcellen keine Käufer oder Pächter ihres Standes fanden, die Guther¬
zigkeit anderer, namentlich aber auch die zahlreichen Domänen in dieser Gegend
erleichterten den Fortschritt zum Bessern in Angeln mehr wie anderwärts. Schon
vor anderthalbhundert Jahren begannen einzelne Gutsherrn die Frohnden gegen
eine Ablösungssumme aufzugeben. In der zweiten Hälste deS vorigen
Jahrhunderts wurden dann die-Domänen mit Ausnahme der Waldungen in
kleinere Stücke zerschlagen und theils zu vollkommen freiem Besitz verkauft,
theils in Pacht gegeben. Ebenso zerfielen einige der in den Händen des Adels
befindlichen Güter ganz oder theilweise. Die Parcellen der niedergelegten Kron¬
güter wurden meist Erbpachtsstellen, und dasselbe war in Angeln mit der
Mehrzahl der abgetrennten Stücke der Privatgüter der Fall. In diesem Falle
bleibt dem Verkäufer nur das todte Eigenthumsrecht. Der Erbpächter übt alle
Befugnisse eines wirklichen Besitzers aus, kann sein Grundstück nach Belieben
vererben oder verkaufen und hat nur eine jährliche, für alle Zeiten festgestellte
Pachtsumme, Kanon genannt, zu erlegen und bei Verkäufen den Konsens des
Obereigcnthümers einzuholen. Etwas Aehnliches sind die Festestellen, an denen
das Obereigenthum dem Staate zusteht, die aber von ihrem Inhaber, welcher
statt des Kanons beim Besitzantritt ein für alle Mal eine Geldsumme zu zäh-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0036" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101029"/>
            <p xml:id="ID_92" prev="#ID_91"> Gemach trat und gab der Leiche einen Schlag, daß sie in Staub zusam¬<lb/>
menfiel.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_93"> Dasselbe wird von einer Frau von Zagow erzählt, die einst aus Satrupholm<lb/>
wohnte, und zahlreich sind die Sagen von Adeligen, welche als leidenschaft¬<lb/>
liche Jäger die Saaten ihrer Gutsunterthanen verwüsteten, ebenso zahlreich<lb/>
die geschichtlich verbürgten Beispiele anderer, die ihre Bauern mit rücksichts¬<lb/>
loser Härte um ihr Letztes brachten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_94" next="#ID_95"> Diese gute alte Zeit, die ein wenig nach Onkel Toms Hütte schmeckt, ist<lb/>
in Angeln längst und vollständiger begraben, als in andern Strichen der<lb/>
Herzogtümer.  Als der Adel dem Landvolke die Fesseln der Leibeigenschaft<lb/>
anlegte, wurde zugleich zur Niederlegung der Bauernstellen geschritten. Man<lb/>
nahm den Leuten ihr Land, vergrößerte damit die Hoffelder und verwandelte<lb/>
die Hufner in Tagelöhner, die nun ihren bisherigen Feldbesitz zu Gunsten des<lb/>
Edelmanns bearbeiten mußten.  So blieben in Angeln wie, mit Ausnahme<lb/>
der Marschen und einiger sächsischen Dörfer aus der hohen Geest, in ganz<lb/>
Schleswig und Holstein nur sehr wenige freie Bauern mit eignem Grund¬<lb/>
besitz übrig.  Es gab zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts hier fast nur<lb/>
adelige Güter, Kronbesitzungen und Kirchengut.  Dieses'unnatürliche Verhält¬<lb/>
niß konnte vor dem Geiste der neuern Zeit nicht bestehen. Der Bauer mußte<lb/>
aufhören, Sache, und er mußte aufhören, eigenthumslos zu sein. Die schlechte<lb/>
Wirthschaft vieler Adeligen, welche sich genöthigt sahen, ein Recht und ein<lb/>
Stück Land nach dem andern zu verkaufen oder zu verpachten und für solche<lb/>
kleine Parcellen keine Käufer oder Pächter ihres Standes fanden, die Guther¬<lb/>
zigkeit anderer, namentlich aber auch die zahlreichen Domänen in dieser Gegend<lb/>
erleichterten den Fortschritt zum Bessern in Angeln mehr wie anderwärts. Schon<lb/>
vor anderthalbhundert Jahren begannen einzelne Gutsherrn die Frohnden gegen<lb/>
eine Ablösungssumme aufzugeben.  In der zweiten Hälste  deS vorigen<lb/>
Jahrhunderts wurden dann die-Domänen mit Ausnahme der Waldungen in<lb/>
kleinere Stücke zerschlagen und theils zu vollkommen freiem Besitz verkauft,<lb/>
theils in Pacht gegeben. Ebenso zerfielen einige der in den Händen des Adels<lb/>
befindlichen Güter ganz oder theilweise. Die Parcellen der niedergelegten Kron¬<lb/>
güter wurden meist Erbpachtsstellen, und dasselbe war in Angeln mit der<lb/>
Mehrzahl der abgetrennten Stücke der Privatgüter der Fall. In diesem Falle<lb/>
bleibt dem Verkäufer nur das todte Eigenthumsrecht.  Der Erbpächter übt alle<lb/>
Befugnisse eines wirklichen Besitzers aus, kann sein Grundstück nach Belieben<lb/>
vererben oder verkaufen und hat nur eine jährliche, für alle Zeiten festgestellte<lb/>
Pachtsumme, Kanon genannt, zu erlegen und bei Verkäufen den Konsens des<lb/>
Obereigcnthümers einzuholen.  Etwas Aehnliches sind die Festestellen, an denen<lb/>
das Obereigenthum dem Staate zusteht, die aber von ihrem Inhaber, welcher<lb/>
statt des Kanons beim Besitzantritt ein für alle Mal eine Geldsumme zu zäh-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0036] Gemach trat und gab der Leiche einen Schlag, daß sie in Staub zusam¬ menfiel. Dasselbe wird von einer Frau von Zagow erzählt, die einst aus Satrupholm wohnte, und zahlreich sind die Sagen von Adeligen, welche als leidenschaft¬ liche Jäger die Saaten ihrer Gutsunterthanen verwüsteten, ebenso zahlreich die geschichtlich verbürgten Beispiele anderer, die ihre Bauern mit rücksichts¬ loser Härte um ihr Letztes brachten. Diese gute alte Zeit, die ein wenig nach Onkel Toms Hütte schmeckt, ist in Angeln längst und vollständiger begraben, als in andern Strichen der Herzogtümer. Als der Adel dem Landvolke die Fesseln der Leibeigenschaft anlegte, wurde zugleich zur Niederlegung der Bauernstellen geschritten. Man nahm den Leuten ihr Land, vergrößerte damit die Hoffelder und verwandelte die Hufner in Tagelöhner, die nun ihren bisherigen Feldbesitz zu Gunsten des Edelmanns bearbeiten mußten. So blieben in Angeln wie, mit Ausnahme der Marschen und einiger sächsischen Dörfer aus der hohen Geest, in ganz Schleswig und Holstein nur sehr wenige freie Bauern mit eignem Grund¬ besitz übrig. Es gab zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts hier fast nur adelige Güter, Kronbesitzungen und Kirchengut. Dieses'unnatürliche Verhält¬ niß konnte vor dem Geiste der neuern Zeit nicht bestehen. Der Bauer mußte aufhören, Sache, und er mußte aufhören, eigenthumslos zu sein. Die schlechte Wirthschaft vieler Adeligen, welche sich genöthigt sahen, ein Recht und ein Stück Land nach dem andern zu verkaufen oder zu verpachten und für solche kleine Parcellen keine Käufer oder Pächter ihres Standes fanden, die Guther¬ zigkeit anderer, namentlich aber auch die zahlreichen Domänen in dieser Gegend erleichterten den Fortschritt zum Bessern in Angeln mehr wie anderwärts. Schon vor anderthalbhundert Jahren begannen einzelne Gutsherrn die Frohnden gegen eine Ablösungssumme aufzugeben. In der zweiten Hälste deS vorigen Jahrhunderts wurden dann die-Domänen mit Ausnahme der Waldungen in kleinere Stücke zerschlagen und theils zu vollkommen freiem Besitz verkauft, theils in Pacht gegeben. Ebenso zerfielen einige der in den Händen des Adels befindlichen Güter ganz oder theilweise. Die Parcellen der niedergelegten Kron¬ güter wurden meist Erbpachtsstellen, und dasselbe war in Angeln mit der Mehrzahl der abgetrennten Stücke der Privatgüter der Fall. In diesem Falle bleibt dem Verkäufer nur das todte Eigenthumsrecht. Der Erbpächter übt alle Befugnisse eines wirklichen Besitzers aus, kann sein Grundstück nach Belieben vererben oder verkaufen und hat nur eine jährliche, für alle Zeiten festgestellte Pachtsumme, Kanon genannt, zu erlegen und bei Verkäufen den Konsens des Obereigcnthümers einzuholen. Etwas Aehnliches sind die Festestellen, an denen das Obereigenthum dem Staate zusteht, die aber von ihrem Inhaber, welcher statt des Kanons beim Besitzantritt ein für alle Mal eine Geldsumme zu zäh-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/36
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/36>, abgerufen am 23.07.2024.