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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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der nächsten Fixsterne verglichen mit dem Sonnensystem und endlich viertens
die primäre Periode der Erdbildung der Entfernung der entferntesten Nebelflecken
verglichen mit dem nächsten Fixsterne gegenüber.

Wir finden, sagt er, die Zeit, während welcher die Erde ihre jetzige Be¬
schaffenheit hatte, mit der Größe der Erde zusammenstellend und diese Zeit
wiederum mit der Dauer der ersten geologischen Periode, die Erdgröße mit dem
Raume zwischen uns und dem entferntesten Nebelflecke vergleichend, daß die
Menschheit nur ein Atom von Zeit gelebt hat, wie sie nur ein Atom des
Raumes einnimmt. Wenn die Erde als Wohnstätte des Menschengeschlechts
nur ein Punkt inmitten einer Unendlichkeit von Raum ist, so ist die Erde als
Wohnstätte des Menschengeschlechts ebenfalls nur ein Punkt am Ende einer
unendlichen Zeit. Wenn wir wie nichts in dem uns umgebenden All sind, so
sind wir auch wie nichts in der'verflossenen Ewigkeit oder vielmehr in der ver¬
flossenen, organisch sich entwickelnden Vorzeit, während welcher die Erde eristirt
hat und die Wohnstätte von Leben gewesen ist. Oder wirst man etwa ein, daß
unsre Vermuthung, nur die Erde habe Bewohner, darauf hinauslaufe, daß
alle andern Gegenstände des Universums vergeblich geschaffen, zwecklos ins
Dasein gerufen seien? Ist etwa eine Schöpserthätigkeit dieser Art ein Wider¬
spruch gegen den Charakter des Schöpfers? Dann hätten wir ja dasselbe ver¬
gebliche Schaffen auf Erden. Alle die ungeheuern Perioden vorder jetzigen sind
von bloßem thierischen Leben erfüllt gewesen, oft, so weit wir sehen können, My¬
riaden von Jahren, von den niedrigsten, am wenigsten bewußten Lebensformen,
von Muscheln, Korallen und Schwämmen. Warum sollten die Seen und
Contingente andrer Planeten nicht gegenwärtig ebenfalls mit einem Leben,
nicht höher als dieses oder mit gar keinem Leben erfüllt sein? Der geistige
Theil der Schöpfung ist aus den Umkreis so weniger Jahre beschränkt, wäh¬
rend Myriaden von Jahrtausenden ohne geistiges Leben waren, warum sollte
er nicht auch in den Umkreis weniger Meilen innerhalb des unermeßlichen
Raums verwiesen sein? Wenn also die Erde der einzige bewohnte Ort im
Werke der Schöpfung wäre, die Oase in der Wüste, so läge darin kein Wider¬
spruch gegen die Analogie der Schöpfung.

Im weitern Verfolg seiner Absicht kommt der Verfasser des Buchs "0k
tke Plurals ok worlcls" zunächst auf die Nebelflecken zu sprechen. Ein Astro¬
nom, sagt er, welcher mit einem weittragenden Fernrohr bewaffnet ist, löst
einen Nebelfleck auf und findet, daß eine lichte Wolke aus leuchtenden Punkten
besteht. Aber von welcher Art sind diese Punkte? In was löst er den Nebel
auf? In Sterne, sagt man gewöhnlich. Streiten wir uns nicht um Worte.
Mögen diese Punkte meinethalben Sterne sein, wenn wir wissen, wovon wir
reden -- wenn ein Stern nur eben einen erleuchteten Punkt am Himmel be¬
deutet. Die Behauptungen aber, daß diese Sterne in ihrer Natur Sternen erster


der nächsten Fixsterne verglichen mit dem Sonnensystem und endlich viertens
die primäre Periode der Erdbildung der Entfernung der entferntesten Nebelflecken
verglichen mit dem nächsten Fixsterne gegenüber.

Wir finden, sagt er, die Zeit, während welcher die Erde ihre jetzige Be¬
schaffenheit hatte, mit der Größe der Erde zusammenstellend und diese Zeit
wiederum mit der Dauer der ersten geologischen Periode, die Erdgröße mit dem
Raume zwischen uns und dem entferntesten Nebelflecke vergleichend, daß die
Menschheit nur ein Atom von Zeit gelebt hat, wie sie nur ein Atom des
Raumes einnimmt. Wenn die Erde als Wohnstätte des Menschengeschlechts
nur ein Punkt inmitten einer Unendlichkeit von Raum ist, so ist die Erde als
Wohnstätte des Menschengeschlechts ebenfalls nur ein Punkt am Ende einer
unendlichen Zeit. Wenn wir wie nichts in dem uns umgebenden All sind, so
sind wir auch wie nichts in der'verflossenen Ewigkeit oder vielmehr in der ver¬
flossenen, organisch sich entwickelnden Vorzeit, während welcher die Erde eristirt
hat und die Wohnstätte von Leben gewesen ist. Oder wirst man etwa ein, daß
unsre Vermuthung, nur die Erde habe Bewohner, darauf hinauslaufe, daß
alle andern Gegenstände des Universums vergeblich geschaffen, zwecklos ins
Dasein gerufen seien? Ist etwa eine Schöpserthätigkeit dieser Art ein Wider¬
spruch gegen den Charakter des Schöpfers? Dann hätten wir ja dasselbe ver¬
gebliche Schaffen auf Erden. Alle die ungeheuern Perioden vorder jetzigen sind
von bloßem thierischen Leben erfüllt gewesen, oft, so weit wir sehen können, My¬
riaden von Jahren, von den niedrigsten, am wenigsten bewußten Lebensformen,
von Muscheln, Korallen und Schwämmen. Warum sollten die Seen und
Contingente andrer Planeten nicht gegenwärtig ebenfalls mit einem Leben,
nicht höher als dieses oder mit gar keinem Leben erfüllt sein? Der geistige
Theil der Schöpfung ist aus den Umkreis so weniger Jahre beschränkt, wäh¬
rend Myriaden von Jahrtausenden ohne geistiges Leben waren, warum sollte
er nicht auch in den Umkreis weniger Meilen innerhalb des unermeßlichen
Raums verwiesen sein? Wenn also die Erde der einzige bewohnte Ort im
Werke der Schöpfung wäre, die Oase in der Wüste, so läge darin kein Wider¬
spruch gegen die Analogie der Schöpfung.

Im weitern Verfolg seiner Absicht kommt der Verfasser des Buchs „0k
tke Plurals ok worlcls" zunächst auf die Nebelflecken zu sprechen. Ein Astro¬
nom, sagt er, welcher mit einem weittragenden Fernrohr bewaffnet ist, löst
einen Nebelfleck auf und findet, daß eine lichte Wolke aus leuchtenden Punkten
besteht. Aber von welcher Art sind diese Punkte? In was löst er den Nebel
auf? In Sterne, sagt man gewöhnlich. Streiten wir uns nicht um Worte.
Mögen diese Punkte meinethalben Sterne sein, wenn wir wissen, wovon wir
reden — wenn ein Stern nur eben einen erleuchteten Punkt am Himmel be¬
deutet. Die Behauptungen aber, daß diese Sterne in ihrer Natur Sternen erster


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[0351] der nächsten Fixsterne verglichen mit dem Sonnensystem und endlich viertens die primäre Periode der Erdbildung der Entfernung der entferntesten Nebelflecken verglichen mit dem nächsten Fixsterne gegenüber. Wir finden, sagt er, die Zeit, während welcher die Erde ihre jetzige Be¬ schaffenheit hatte, mit der Größe der Erde zusammenstellend und diese Zeit wiederum mit der Dauer der ersten geologischen Periode, die Erdgröße mit dem Raume zwischen uns und dem entferntesten Nebelflecke vergleichend, daß die Menschheit nur ein Atom von Zeit gelebt hat, wie sie nur ein Atom des Raumes einnimmt. Wenn die Erde als Wohnstätte des Menschengeschlechts nur ein Punkt inmitten einer Unendlichkeit von Raum ist, so ist die Erde als Wohnstätte des Menschengeschlechts ebenfalls nur ein Punkt am Ende einer unendlichen Zeit. Wenn wir wie nichts in dem uns umgebenden All sind, so sind wir auch wie nichts in der'verflossenen Ewigkeit oder vielmehr in der ver¬ flossenen, organisch sich entwickelnden Vorzeit, während welcher die Erde eristirt hat und die Wohnstätte von Leben gewesen ist. Oder wirst man etwa ein, daß unsre Vermuthung, nur die Erde habe Bewohner, darauf hinauslaufe, daß alle andern Gegenstände des Universums vergeblich geschaffen, zwecklos ins Dasein gerufen seien? Ist etwa eine Schöpserthätigkeit dieser Art ein Wider¬ spruch gegen den Charakter des Schöpfers? Dann hätten wir ja dasselbe ver¬ gebliche Schaffen auf Erden. Alle die ungeheuern Perioden vorder jetzigen sind von bloßem thierischen Leben erfüllt gewesen, oft, so weit wir sehen können, My¬ riaden von Jahren, von den niedrigsten, am wenigsten bewußten Lebensformen, von Muscheln, Korallen und Schwämmen. Warum sollten die Seen und Contingente andrer Planeten nicht gegenwärtig ebenfalls mit einem Leben, nicht höher als dieses oder mit gar keinem Leben erfüllt sein? Der geistige Theil der Schöpfung ist aus den Umkreis so weniger Jahre beschränkt, wäh¬ rend Myriaden von Jahrtausenden ohne geistiges Leben waren, warum sollte er nicht auch in den Umkreis weniger Meilen innerhalb des unermeßlichen Raums verwiesen sein? Wenn also die Erde der einzige bewohnte Ort im Werke der Schöpfung wäre, die Oase in der Wüste, so läge darin kein Wider¬ spruch gegen die Analogie der Schöpfung. Im weitern Verfolg seiner Absicht kommt der Verfasser des Buchs „0k tke Plurals ok worlcls" zunächst auf die Nebelflecken zu sprechen. Ein Astro¬ nom, sagt er, welcher mit einem weittragenden Fernrohr bewaffnet ist, löst einen Nebelfleck auf und findet, daß eine lichte Wolke aus leuchtenden Punkten besteht. Aber von welcher Art sind diese Punkte? In was löst er den Nebel auf? In Sterne, sagt man gewöhnlich. Streiten wir uns nicht um Worte. Mögen diese Punkte meinethalben Sterne sein, wenn wir wissen, wovon wir reden — wenn ein Stern nur eben einen erleuchteten Punkt am Himmel be¬ deutet. Die Behauptungen aber, daß diese Sterne in ihrer Natur Sternen erster

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/351>, abgerufen am 23.07.2024.