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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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ländischen, dann in den russischen Ostseeprovinzen und in Schweden weit ver¬
breiteten Geschlechts und war im Jahre -1777 bei Hapsal in Esthland, wo
seine Eltern auf einem Gute in ziemlich beschränkten Verhältnissen lebten, ge¬
boren. Im fünften Jahre nahm ihn ein Oheim nach Petersburg und brachte
ihn in das adlige Landcadettencorps, eine Erziehungsanstalt, die sich damals
unter der verständigen Leitung des Grafen von Anhalt eines besonderen Rufes
erfreute und nach dem Tode desselben (1794) dem General Kutusow anvertraut
wurde. Toll zeichnete sich unter seinen Mitschülern vortheilhaft aus, wurde in
Kutusows Familie bekannt und bei seiner Entlassung aus der Anstatt (-1796) zum
Hauptmann vorgeschlagen. Da die Kaiserin Katharina in demselben Jahre
starb, verzögerte sich infolge der Neuerungen, die den Regierungsantritt Pauls
bezeichneten, die Anstellung Tolls; aber bei einem Besuch des Landcadettencorps
wurde der Kaiser auf Tolls Geschicklichkeit im Planzeichnen aufmerksam gemacht
und er ernannte ihn auf der Stelle zum Lieutenant in der "Suite des Kaisers
vom Quartiermeisterwesen", die den aufgelösten Generalstab ersetzen sollte. Diese
neugebildete "Suite" sollte zunächst einen großen Plan der Stadt Moskau ent¬
werfen; Toll trug die Schrift ein und erhielt dadurch von neuem Gelegenheit,
die Aufmerksamkeit des Kaisers auf sich zu ziehen. Im Jahre -1797 wurde die
Suite unter den Befehl des Generals.Araktscheyew, über dessen Lebenslauf
und Charakter Herr von Bernhard! interessante Mittheilungen gibt, -1798 unter
die Leitung des General Hermann gestellt, unter welchem die Suite durch die
Aufnahme der westlichen Grenzprovinzen beschäftigt wurde. Da Kaiser Paul
infolge der Rüstungen Napoleon Bonapartes,. die der ägyptischen Erpedition
galten, fürchtete, daß die französische Flotte an den Küsten des schwarzen Meeres
landen könnte, schickte er Hermann nach der Krim, um Sebastopol und andre
Küstenpunkte zu befestigen und trug ihm später, als die Nachricht von Bonapartes
Landung in Aegypten eintraf, auf, am Dniestr ein Corps von -10,000 Mann
zu sammeln. Toll befand sich im Stäbe des Generals und wurde im Süden des
Reichs ebenfalls zu topographischen Aufnahmen verwendet. Das Dniestrcorps, ur¬
sprünglich zu einem Zuge in die Donaufürstenthümer bestimmt, erhielt indeß im
Frühjahr-1799 die Ordre, unter dem Befehl des General Rehbinder nach Italien
zu ziehen, um das Corps des General Rosenberg zu verstärken. Toll fungirte
auf diesem Zuge als Divistonsquartiermeister der zweiten Abtheilung, lernte in
Italien Suwarows Kampfweise kennen und traf auch persönlich mit dem be¬
rühmten Feldherrn zusammen. Er wohnte hier, oft mit Necognoscirungen be¬
schäftigt, der Belagerung der Citadelle von Tortona bei, sah das Schlachtfeld
von Novi und wurde am 27. August, als er für Rosenbergs Abtheilung bei
Serravalle den Lagerplatz absteckte, von Suwarow, der ihn bei dieser Be¬
schäftigung traf und sich -in ein Gespräch mit ihm einließ, zum Capitän er¬
nannt. Im Herbst machte er den merkwürdigen Zug durch die Schweiz mit,


ländischen, dann in den russischen Ostseeprovinzen und in Schweden weit ver¬
breiteten Geschlechts und war im Jahre -1777 bei Hapsal in Esthland, wo
seine Eltern auf einem Gute in ziemlich beschränkten Verhältnissen lebten, ge¬
boren. Im fünften Jahre nahm ihn ein Oheim nach Petersburg und brachte
ihn in das adlige Landcadettencorps, eine Erziehungsanstalt, die sich damals
unter der verständigen Leitung des Grafen von Anhalt eines besonderen Rufes
erfreute und nach dem Tode desselben (1794) dem General Kutusow anvertraut
wurde. Toll zeichnete sich unter seinen Mitschülern vortheilhaft aus, wurde in
Kutusows Familie bekannt und bei seiner Entlassung aus der Anstatt (-1796) zum
Hauptmann vorgeschlagen. Da die Kaiserin Katharina in demselben Jahre
starb, verzögerte sich infolge der Neuerungen, die den Regierungsantritt Pauls
bezeichneten, die Anstellung Tolls; aber bei einem Besuch des Landcadettencorps
wurde der Kaiser auf Tolls Geschicklichkeit im Planzeichnen aufmerksam gemacht
und er ernannte ihn auf der Stelle zum Lieutenant in der „Suite des Kaisers
vom Quartiermeisterwesen", die den aufgelösten Generalstab ersetzen sollte. Diese
neugebildete „Suite" sollte zunächst einen großen Plan der Stadt Moskau ent¬
werfen; Toll trug die Schrift ein und erhielt dadurch von neuem Gelegenheit,
die Aufmerksamkeit des Kaisers auf sich zu ziehen. Im Jahre -1797 wurde die
Suite unter den Befehl des Generals.Araktscheyew, über dessen Lebenslauf
und Charakter Herr von Bernhard! interessante Mittheilungen gibt, -1798 unter
die Leitung des General Hermann gestellt, unter welchem die Suite durch die
Aufnahme der westlichen Grenzprovinzen beschäftigt wurde. Da Kaiser Paul
infolge der Rüstungen Napoleon Bonapartes,. die der ägyptischen Erpedition
galten, fürchtete, daß die französische Flotte an den Küsten des schwarzen Meeres
landen könnte, schickte er Hermann nach der Krim, um Sebastopol und andre
Küstenpunkte zu befestigen und trug ihm später, als die Nachricht von Bonapartes
Landung in Aegypten eintraf, auf, am Dniestr ein Corps von -10,000 Mann
zu sammeln. Toll befand sich im Stäbe des Generals und wurde im Süden des
Reichs ebenfalls zu topographischen Aufnahmen verwendet. Das Dniestrcorps, ur¬
sprünglich zu einem Zuge in die Donaufürstenthümer bestimmt, erhielt indeß im
Frühjahr-1799 die Ordre, unter dem Befehl des General Rehbinder nach Italien
zu ziehen, um das Corps des General Rosenberg zu verstärken. Toll fungirte
auf diesem Zuge als Divistonsquartiermeister der zweiten Abtheilung, lernte in
Italien Suwarows Kampfweise kennen und traf auch persönlich mit dem be¬
rühmten Feldherrn zusammen. Er wohnte hier, oft mit Necognoscirungen be¬
schäftigt, der Belagerung der Citadelle von Tortona bei, sah das Schlachtfeld
von Novi und wurde am 27. August, als er für Rosenbergs Abtheilung bei
Serravalle den Lagerplatz absteckte, von Suwarow, der ihn bei dieser Be¬
schäftigung traf und sich -in ein Gespräch mit ihm einließ, zum Capitän er¬
nannt. Im Herbst machte er den merkwürdigen Zug durch die Schweiz mit,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/342>, abgerufen am 23.07.2024.