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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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mung. Der König berieth mit den Edeln, "den Gerollten", die öffentlichen An¬
gelegenheiten und machte die Beschlüsse dieses Raths der von ihm berufenen
Volksversammlung bekannt. Er saß zu Gericht und entschied die Streitigkeiten
des Volkes und wo ein König gottesfürchtig unter den Seinen waltend das
gute Recht erhielt und sicherte, da brachte die Erde reichen Ertrag, da hingen
die Bäume voll Früchte, gediehen die Herden und wimmelte das Meer von
Fischen. Der König war der oberste Kriegsherr, seinem Aufruf zur Heeres¬
folge durfte sich niemand entziehen, ohne schwerer Strafe zu verfallen und
Schimpf auf sich zu laden. Er brachte auch die Opfer, die sich auf den ganzen
Staat bezogen, ohne daß deshalb das Königthum ein priesterliches war, son¬
dern wie der Hausherr für seine Hausgenossen, so verrichtete er das Opfer
für das Volk. Aeußerliche Abzeichen der königlichen Würde gab es nicht, das
Scepter d. h. der Stab, den die Könige gewöhnlich trugen, hatten auch Priester,
Seher und Herolde und höchstens war das der Könige sorgfältiger geschnitzt
und mit goldnen Buckeln beschlagen. Ebensowenig hatten sie eine, besondere
Dienerschaft, dagegen waren sie mit Besitz und Einkünften reich ausgestattet,
um die Würde des Königthums behaupten zu können. Sie besaßen große
Domänen, die selbst Städte enthielten und ihr Eigenthumsrecht ging so weit,
daß sie diese verschenken, ja die Einwohnerschaft auswandern und sich ander¬
wärts ansiedeln lassen konnten. Außerdem erhielten die Könige mannigfache
Gaben und Gebühren, einen Hauptantheil an der Kriegsbeute und bei gemein¬
samen Mahlen größere Portionen und vollere Becher. Zur Aufrechthaltung
ihres großen Einflusses auf die Völker war geistige und körperliche Tüchtigkeit
unentbehrlich; sie mußten im Rath und in der Schlacht den vordersten Rang
zu behaupten wissen. Auch in Wettkämpfen rangen sie mit um den Preis und
in den mannigfachen Künsten und Handwerken besaßen sie mindestens die Er¬
fahrung, die wol jedem Besitzer in einer Zeit eigen war, wo die Theilung der
Arbeit noch kaum begonnen hatte. Sie wußten den Pflug und die Sense zu
führen, das Schlachtmesser und das Steuerruder, die Art und das Richtmaß.
Wurden sie alt und schwach, so übergaben sie ihr Amt in kräftigere Hände
und waren, wenn sie es behielten, nicht im Stande, es vor Unbill und Ge¬
walt zu schützen. Hirten der Völker hießen die mild und väterlich, waltenden
Könige; aber selbst Habsucht, Laune und Gewaltsamkeit wurde von-den Völkern
ertragen, aus Ehrfurcht vor der Tapferkeit und Klugheit, der Macht und dem
Reichthum ihrer Fürsten.

Neben den Oberkönigen gab es in jeder Gemeinde noch eine Anzahl
andrer Häuptlinge, "die Geronten", eine Art von Adel, der über die Masse
erhoben, aber in keiner Weise von ihr streng gesondert oder schroff gegenüber¬
gestellt war. Sie pflegte der König in wichtigen Angelegenheiten zu Rathe zu
ziehn und diese Berathungen fanden in der Regel beim Mahle statt. Der


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mung. Der König berieth mit den Edeln, „den Gerollten", die öffentlichen An¬
gelegenheiten und machte die Beschlüsse dieses Raths der von ihm berufenen
Volksversammlung bekannt. Er saß zu Gericht und entschied die Streitigkeiten
des Volkes und wo ein König gottesfürchtig unter den Seinen waltend das
gute Recht erhielt und sicherte, da brachte die Erde reichen Ertrag, da hingen
die Bäume voll Früchte, gediehen die Herden und wimmelte das Meer von
Fischen. Der König war der oberste Kriegsherr, seinem Aufruf zur Heeres¬
folge durfte sich niemand entziehen, ohne schwerer Strafe zu verfallen und
Schimpf auf sich zu laden. Er brachte auch die Opfer, die sich auf den ganzen
Staat bezogen, ohne daß deshalb das Königthum ein priesterliches war, son¬
dern wie der Hausherr für seine Hausgenossen, so verrichtete er das Opfer
für das Volk. Aeußerliche Abzeichen der königlichen Würde gab es nicht, das
Scepter d. h. der Stab, den die Könige gewöhnlich trugen, hatten auch Priester,
Seher und Herolde und höchstens war das der Könige sorgfältiger geschnitzt
und mit goldnen Buckeln beschlagen. Ebensowenig hatten sie eine, besondere
Dienerschaft, dagegen waren sie mit Besitz und Einkünften reich ausgestattet,
um die Würde des Königthums behaupten zu können. Sie besaßen große
Domänen, die selbst Städte enthielten und ihr Eigenthumsrecht ging so weit,
daß sie diese verschenken, ja die Einwohnerschaft auswandern und sich ander¬
wärts ansiedeln lassen konnten. Außerdem erhielten die Könige mannigfache
Gaben und Gebühren, einen Hauptantheil an der Kriegsbeute und bei gemein¬
samen Mahlen größere Portionen und vollere Becher. Zur Aufrechthaltung
ihres großen Einflusses auf die Völker war geistige und körperliche Tüchtigkeit
unentbehrlich; sie mußten im Rath und in der Schlacht den vordersten Rang
zu behaupten wissen. Auch in Wettkämpfen rangen sie mit um den Preis und
in den mannigfachen Künsten und Handwerken besaßen sie mindestens die Er¬
fahrung, die wol jedem Besitzer in einer Zeit eigen war, wo die Theilung der
Arbeit noch kaum begonnen hatte. Sie wußten den Pflug und die Sense zu
führen, das Schlachtmesser und das Steuerruder, die Art und das Richtmaß.
Wurden sie alt und schwach, so übergaben sie ihr Amt in kräftigere Hände
und waren, wenn sie es behielten, nicht im Stande, es vor Unbill und Ge¬
walt zu schützen. Hirten der Völker hießen die mild und väterlich, waltenden
Könige; aber selbst Habsucht, Laune und Gewaltsamkeit wurde von-den Völkern
ertragen, aus Ehrfurcht vor der Tapferkeit und Klugheit, der Macht und dem
Reichthum ihrer Fürsten.

Neben den Oberkönigen gab es in jeder Gemeinde noch eine Anzahl
andrer Häuptlinge, „die Geronten", eine Art von Adel, der über die Masse
erhoben, aber in keiner Weise von ihr streng gesondert oder schroff gegenüber¬
gestellt war. Sie pflegte der König in wichtigen Angelegenheiten zu Rathe zu
ziehn und diese Berathungen fanden in der Regel beim Mahle statt. Der


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[0331] mung. Der König berieth mit den Edeln, „den Gerollten", die öffentlichen An¬ gelegenheiten und machte die Beschlüsse dieses Raths der von ihm berufenen Volksversammlung bekannt. Er saß zu Gericht und entschied die Streitigkeiten des Volkes und wo ein König gottesfürchtig unter den Seinen waltend das gute Recht erhielt und sicherte, da brachte die Erde reichen Ertrag, da hingen die Bäume voll Früchte, gediehen die Herden und wimmelte das Meer von Fischen. Der König war der oberste Kriegsherr, seinem Aufruf zur Heeres¬ folge durfte sich niemand entziehen, ohne schwerer Strafe zu verfallen und Schimpf auf sich zu laden. Er brachte auch die Opfer, die sich auf den ganzen Staat bezogen, ohne daß deshalb das Königthum ein priesterliches war, son¬ dern wie der Hausherr für seine Hausgenossen, so verrichtete er das Opfer für das Volk. Aeußerliche Abzeichen der königlichen Würde gab es nicht, das Scepter d. h. der Stab, den die Könige gewöhnlich trugen, hatten auch Priester, Seher und Herolde und höchstens war das der Könige sorgfältiger geschnitzt und mit goldnen Buckeln beschlagen. Ebensowenig hatten sie eine, besondere Dienerschaft, dagegen waren sie mit Besitz und Einkünften reich ausgestattet, um die Würde des Königthums behaupten zu können. Sie besaßen große Domänen, die selbst Städte enthielten und ihr Eigenthumsrecht ging so weit, daß sie diese verschenken, ja die Einwohnerschaft auswandern und sich ander¬ wärts ansiedeln lassen konnten. Außerdem erhielten die Könige mannigfache Gaben und Gebühren, einen Hauptantheil an der Kriegsbeute und bei gemein¬ samen Mahlen größere Portionen und vollere Becher. Zur Aufrechthaltung ihres großen Einflusses auf die Völker war geistige und körperliche Tüchtigkeit unentbehrlich; sie mußten im Rath und in der Schlacht den vordersten Rang zu behaupten wissen. Auch in Wettkämpfen rangen sie mit um den Preis und in den mannigfachen Künsten und Handwerken besaßen sie mindestens die Er¬ fahrung, die wol jedem Besitzer in einer Zeit eigen war, wo die Theilung der Arbeit noch kaum begonnen hatte. Sie wußten den Pflug und die Sense zu führen, das Schlachtmesser und das Steuerruder, die Art und das Richtmaß. Wurden sie alt und schwach, so übergaben sie ihr Amt in kräftigere Hände und waren, wenn sie es behielten, nicht im Stande, es vor Unbill und Ge¬ walt zu schützen. Hirten der Völker hießen die mild und väterlich, waltenden Könige; aber selbst Habsucht, Laune und Gewaltsamkeit wurde von-den Völkern ertragen, aus Ehrfurcht vor der Tapferkeit und Klugheit, der Macht und dem Reichthum ihrer Fürsten. Neben den Oberkönigen gab es in jeder Gemeinde noch eine Anzahl andrer Häuptlinge, „die Geronten", eine Art von Adel, der über die Masse erhoben, aber in keiner Weise von ihr streng gesondert oder schroff gegenüber¬ gestellt war. Sie pflegte der König in wichtigen Angelegenheiten zu Rathe zu ziehn und diese Berathungen fanden in der Regel beim Mahle statt. Der 44 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/331>, abgerufen am 23.07.2024.