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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Wunsch zu erkennen gegeben hat, an den bevorstehenden Friedensconferenzen
Theil zu nehmen. Es hat sich ausdrücklich erboten, wenn es dazu eingeladen
werde, die Friedenspräliminarien zu unterzeichnen und zu versprechen, dieselben
aufrecht zu erhalten. Es ist dennoch nicht eingeladen worden, man hat die
Unterstützung, welche das preußische Anerbieten in Aussicht stellte, stillschwei¬
gend von der Hand gewiesen. Möglich, daß man Preußen später erlaubt,
dem Friedensverträge beizutreten, d. h. zu versprechen, den Neuerungen des
europäischen Völkerrechts, die er enthalten wird, nicht entgegenzuhandeln. Man
hält trotz der Verträge es nicht für nöthig, Preußen zu gestatten, vorher seine
Meinung über diese Neuerungen auszusprechen. Man stößt Preußen aus dem
Rath der Großmächte aus und man verletzt zugleich vertragsmäßige Rechte, welche
man ohne Noth doch nicht einmal bei einer Macht letzten Ranges verletzen
würde. Oestreich ist weder kriegführende Partei, noch Vermittler zwischen den
Parteien, es nimmt an den Conferenzen nur in seiner Stellung als Großmacht
und als Mitunterzeichner der die orientalische Frage betreffenden Verträge Theil,
einer Stellung, welche in gleicher Weise auf Preußen Anwendung findet.

Was zur Erklärung dieses Verfahrens von den Westmächten und zum
Theil auch von Oestreich angeführt wird, ist das Folgende: Preußen habe
seit dem Frühjahr -1834 eine Stellung eingenommen, welche mit den Ver¬
pflichtungen, die es vorher durch die wiener Protokolle übernommen habe, in
Widerspruch stehe und habe dadurch seine früheren Verbündeten ihren Ver¬
pflichtungen gegen Preußen entbunden. Sein unausgesetztes Bestreben sei
gewesen, Oestreich von einer Actkon gegen Nußland abzubringen und wenn
dies nicht möglich gewesen, dem östreichischen Hofe die Unterstützung des deut¬
schen Bundes zu entziehen. Statt den wiener Protokollen gemäß darauf zu
halten, daß Rußland die Forderungen Europas erfülle, habe Preußen stets
diejenigen Ausgleichungen des Streits empfohlen, welche von Nußland vor¬
geschlagen seien und Rußland als Sieger constituirt haben würden. Allerdings
habe Preußen auch die fünf Punkte in Se. Petersburg befürwortet, möglicher¬
weise die Annahme derselben bewirkt,*) aber noch am 17. Septbr. habe es den
Westmächten empfohlen, nun nach dem Fall von Sebastopel nicht mehr von
Rußland zu fordern, als Nußland auf den wiener Conferenzen zugestanden
hatte. Es sei Preußen also nur um den Frieden überhaupt, oder einen Ru߬
land günstigen Frieden, nicht um die fünf Punkte zu thun, und da dieselben noch



Der preußische Gesandte begab sich am 16. Januar im speciellen Auftrage des Königs
zur Kaiserin Mutter, um zu erklären, daß Preußen nichts für Rußland thun könne und daß
die Coalition dnrch Verweigerung der fünf Punkte mehr Stärke gewinnen werde. Die Kaiserin
Mutter bat den Kaiser und die Kaiserin so wie den Großfürst Konstantin zu sich. Die Thränen
der Kaiserin Mutter entschiede" den Kaiser, Gras Nesselrode wurde gerufen nud sofort die
Annahme der fünf Punkte nach Wien telegraphirt. So wird glaubhaft erzählt. '

Wunsch zu erkennen gegeben hat, an den bevorstehenden Friedensconferenzen
Theil zu nehmen. Es hat sich ausdrücklich erboten, wenn es dazu eingeladen
werde, die Friedenspräliminarien zu unterzeichnen und zu versprechen, dieselben
aufrecht zu erhalten. Es ist dennoch nicht eingeladen worden, man hat die
Unterstützung, welche das preußische Anerbieten in Aussicht stellte, stillschwei¬
gend von der Hand gewiesen. Möglich, daß man Preußen später erlaubt,
dem Friedensverträge beizutreten, d. h. zu versprechen, den Neuerungen des
europäischen Völkerrechts, die er enthalten wird, nicht entgegenzuhandeln. Man
hält trotz der Verträge es nicht für nöthig, Preußen zu gestatten, vorher seine
Meinung über diese Neuerungen auszusprechen. Man stößt Preußen aus dem
Rath der Großmächte aus und man verletzt zugleich vertragsmäßige Rechte, welche
man ohne Noth doch nicht einmal bei einer Macht letzten Ranges verletzen
würde. Oestreich ist weder kriegführende Partei, noch Vermittler zwischen den
Parteien, es nimmt an den Conferenzen nur in seiner Stellung als Großmacht
und als Mitunterzeichner der die orientalische Frage betreffenden Verträge Theil,
einer Stellung, welche in gleicher Weise auf Preußen Anwendung findet.

Was zur Erklärung dieses Verfahrens von den Westmächten und zum
Theil auch von Oestreich angeführt wird, ist das Folgende: Preußen habe
seit dem Frühjahr -1834 eine Stellung eingenommen, welche mit den Ver¬
pflichtungen, die es vorher durch die wiener Protokolle übernommen habe, in
Widerspruch stehe und habe dadurch seine früheren Verbündeten ihren Ver¬
pflichtungen gegen Preußen entbunden. Sein unausgesetztes Bestreben sei
gewesen, Oestreich von einer Actkon gegen Nußland abzubringen und wenn
dies nicht möglich gewesen, dem östreichischen Hofe die Unterstützung des deut¬
schen Bundes zu entziehen. Statt den wiener Protokollen gemäß darauf zu
halten, daß Rußland die Forderungen Europas erfülle, habe Preußen stets
diejenigen Ausgleichungen des Streits empfohlen, welche von Nußland vor¬
geschlagen seien und Rußland als Sieger constituirt haben würden. Allerdings
habe Preußen auch die fünf Punkte in Se. Petersburg befürwortet, möglicher¬
weise die Annahme derselben bewirkt,*) aber noch am 17. Septbr. habe es den
Westmächten empfohlen, nun nach dem Fall von Sebastopel nicht mehr von
Rußland zu fordern, als Nußland auf den wiener Conferenzen zugestanden
hatte. Es sei Preußen also nur um den Frieden überhaupt, oder einen Ru߬
land günstigen Frieden, nicht um die fünf Punkte zu thun, und da dieselben noch



Der preußische Gesandte begab sich am 16. Januar im speciellen Auftrage des Königs
zur Kaiserin Mutter, um zu erklären, daß Preußen nichts für Rußland thun könne und daß
die Coalition dnrch Verweigerung der fünf Punkte mehr Stärke gewinnen werde. Die Kaiserin
Mutter bat den Kaiser und die Kaiserin so wie den Großfürst Konstantin zu sich. Die Thränen
der Kaiserin Mutter entschiede» den Kaiser, Gras Nesselrode wurde gerufen nud sofort die
Annahme der fünf Punkte nach Wien telegraphirt. So wird glaubhaft erzählt. '
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/324>, abgerufen am 23.07.2024.