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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Uebrigens bekümmerte sich, bevor Alessandrino und Rusticucci ihn in Vor¬
schlag brachten, niemand um ihn, alö ob er gar nicht im Conclave eristirte. --

Noch befand sich Mvntalto in völliger Unwissenheit über alles zu seinen
Gunsten Geschehene. Die vier jetzt Verbündete Cardinäle warteten die Nacht
ab, um sich unbemerkt in seine Zelle zu begeben und ihn von ihrer Absicht in
Kenntniß setzen zu können. Alessandrino trat zuerst ein, und sagte leise --
denn Farneses Zelle befand sich dicht neben der MontaltoS --: Muth, Mon-
signore! Wir haben eine Nachricht für Euch, die Viele erwarten und nicht
bekommen. Wir sind entschlossen, Euch zum Papste zu machen. Montaltos
Keuchhusten schien in diesem Augenblick den höchsten Grad von Heftigkeit an¬
zunehmen, und es dauerte ziemlich lange, ehe er Athem zur Antwort fand. Er
versicherte den Herren, daß er zu träumen glaube; er könne nicht begreifen,
wie vier Cardinäle von so hohen Verdiensten sich bis zu ihm hätten herablassen
können, da sie doch si> viele würdige und für ihre Absicht geeignetere Personen
im Cardinalcollegium finden konnten. "Ich würde," fuhr er fort, "doch nur
ein Papst von wenig Tagen sein. Die zahllosen Uebel, die Alter und Krank¬
heit über mich gebracht haben, lassen mir kaum Zeit zum Athmen, und meine
gänzliche Unwissenheit in den Regierungsgeschäften würde mich zum Gespött
der gauzen Christenheit machen. Wolltet ihr aber aus Eurer unerhörten Absicht
bestehen, so mache nur mit mir zugleich noch drei andre Päpste, die mir zur
Seite stehen." -- Als die Cardinäle ihn ermunterten, auf den Beistand Gottes
zu bauen, mit dessen Hilfe es ihm schon gelingen würde, das Schiff der Kirche
zu führen, hielt es Montalto für gut, die Fühlhörner ein wenig aufzustecken,
wie weit es seinen Begünstigern Ernst mit dem Geschäfte sei, und zugleich, um
es ein Stück zu fördern, indem er seinerseits einen Schritt entgegenkam. "Ich
kann mich nicht entschließen'," sagteer, "eine so schwere Last auf meine Schultern
zu nehmen; es müßte denn sein, daß die Herren sich feierlichst verpflichteten,
Tag und Nacht mir zu helfen, den Staat und die Kirche zu regieren, da ich
selbst mich unfähig dazu fühle." Alle vier antworteten eifrig: ""Wir wollenes,
wir wollen es!"" "Bedenkt wohl, beendete Montalto seine Rede, daß Ihr
alle Last und Beschwerde haben werdet, und ich den Titel und die Ehre da¬
von." Diese Worte waren der Köder, mit welchem der schlaue Prätendent
die vier Fische in sein Netz lockte, während sie selbst glaubten, einen Fang
gethan zu haben, den sie sich um keinen Preis entgehen lassen dürsten. Mit
verdoppeltem Eifer boten sie ihren Scharfsinn auf, neue Wege zu ihrem Ziele
ausfindig zu machen, und die Hindernisse zu beseitigen, die ihnen entgegen¬
standen, oder sich noch erheben könnten. Zwei mächtige Factionen, die überdies
uoch in Gemeinschaft handelten, die des Farnese und San Sisto, standen
ihnen noch feindlich gegenüber; jede einzelne für sich hatte schon die Erclusion
in Händen. Um dem Farnese eine gute Anzahl Stimmen zu entfremden, und


Uebrigens bekümmerte sich, bevor Alessandrino und Rusticucci ihn in Vor¬
schlag brachten, niemand um ihn, alö ob er gar nicht im Conclave eristirte. —

Noch befand sich Mvntalto in völliger Unwissenheit über alles zu seinen
Gunsten Geschehene. Die vier jetzt Verbündete Cardinäle warteten die Nacht
ab, um sich unbemerkt in seine Zelle zu begeben und ihn von ihrer Absicht in
Kenntniß setzen zu können. Alessandrino trat zuerst ein, und sagte leise —
denn Farneses Zelle befand sich dicht neben der MontaltoS —: Muth, Mon-
signore! Wir haben eine Nachricht für Euch, die Viele erwarten und nicht
bekommen. Wir sind entschlossen, Euch zum Papste zu machen. Montaltos
Keuchhusten schien in diesem Augenblick den höchsten Grad von Heftigkeit an¬
zunehmen, und es dauerte ziemlich lange, ehe er Athem zur Antwort fand. Er
versicherte den Herren, daß er zu träumen glaube; er könne nicht begreifen,
wie vier Cardinäle von so hohen Verdiensten sich bis zu ihm hätten herablassen
können, da sie doch si> viele würdige und für ihre Absicht geeignetere Personen
im Cardinalcollegium finden konnten. „Ich würde," fuhr er fort, „doch nur
ein Papst von wenig Tagen sein. Die zahllosen Uebel, die Alter und Krank¬
heit über mich gebracht haben, lassen mir kaum Zeit zum Athmen, und meine
gänzliche Unwissenheit in den Regierungsgeschäften würde mich zum Gespött
der gauzen Christenheit machen. Wolltet ihr aber aus Eurer unerhörten Absicht
bestehen, so mache nur mit mir zugleich noch drei andre Päpste, die mir zur
Seite stehen." — Als die Cardinäle ihn ermunterten, auf den Beistand Gottes
zu bauen, mit dessen Hilfe es ihm schon gelingen würde, das Schiff der Kirche
zu führen, hielt es Montalto für gut, die Fühlhörner ein wenig aufzustecken,
wie weit es seinen Begünstigern Ernst mit dem Geschäfte sei, und zugleich, um
es ein Stück zu fördern, indem er seinerseits einen Schritt entgegenkam. „Ich
kann mich nicht entschließen'," sagteer, „eine so schwere Last auf meine Schultern
zu nehmen; es müßte denn sein, daß die Herren sich feierlichst verpflichteten,
Tag und Nacht mir zu helfen, den Staat und die Kirche zu regieren, da ich
selbst mich unfähig dazu fühle." Alle vier antworteten eifrig: „„Wir wollenes,
wir wollen es!"" „Bedenkt wohl, beendete Montalto seine Rede, daß Ihr
alle Last und Beschwerde haben werdet, und ich den Titel und die Ehre da¬
von." Diese Worte waren der Köder, mit welchem der schlaue Prätendent
die vier Fische in sein Netz lockte, während sie selbst glaubten, einen Fang
gethan zu haben, den sie sich um keinen Preis entgehen lassen dürsten. Mit
verdoppeltem Eifer boten sie ihren Scharfsinn auf, neue Wege zu ihrem Ziele
ausfindig zu machen, und die Hindernisse zu beseitigen, die ihnen entgegen¬
standen, oder sich noch erheben könnten. Zwei mächtige Factionen, die überdies
uoch in Gemeinschaft handelten, die des Farnese und San Sisto, standen
ihnen noch feindlich gegenüber; jede einzelne für sich hatte schon die Erclusion
in Händen. Um dem Farnese eine gute Anzahl Stimmen zu entfremden, und


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[0304] Uebrigens bekümmerte sich, bevor Alessandrino und Rusticucci ihn in Vor¬ schlag brachten, niemand um ihn, alö ob er gar nicht im Conclave eristirte. — Noch befand sich Mvntalto in völliger Unwissenheit über alles zu seinen Gunsten Geschehene. Die vier jetzt Verbündete Cardinäle warteten die Nacht ab, um sich unbemerkt in seine Zelle zu begeben und ihn von ihrer Absicht in Kenntniß setzen zu können. Alessandrino trat zuerst ein, und sagte leise — denn Farneses Zelle befand sich dicht neben der MontaltoS —: Muth, Mon- signore! Wir haben eine Nachricht für Euch, die Viele erwarten und nicht bekommen. Wir sind entschlossen, Euch zum Papste zu machen. Montaltos Keuchhusten schien in diesem Augenblick den höchsten Grad von Heftigkeit an¬ zunehmen, und es dauerte ziemlich lange, ehe er Athem zur Antwort fand. Er versicherte den Herren, daß er zu träumen glaube; er könne nicht begreifen, wie vier Cardinäle von so hohen Verdiensten sich bis zu ihm hätten herablassen können, da sie doch si> viele würdige und für ihre Absicht geeignetere Personen im Cardinalcollegium finden konnten. „Ich würde," fuhr er fort, „doch nur ein Papst von wenig Tagen sein. Die zahllosen Uebel, die Alter und Krank¬ heit über mich gebracht haben, lassen mir kaum Zeit zum Athmen, und meine gänzliche Unwissenheit in den Regierungsgeschäften würde mich zum Gespött der gauzen Christenheit machen. Wolltet ihr aber aus Eurer unerhörten Absicht bestehen, so mache nur mit mir zugleich noch drei andre Päpste, die mir zur Seite stehen." — Als die Cardinäle ihn ermunterten, auf den Beistand Gottes zu bauen, mit dessen Hilfe es ihm schon gelingen würde, das Schiff der Kirche zu führen, hielt es Montalto für gut, die Fühlhörner ein wenig aufzustecken, wie weit es seinen Begünstigern Ernst mit dem Geschäfte sei, und zugleich, um es ein Stück zu fördern, indem er seinerseits einen Schritt entgegenkam. „Ich kann mich nicht entschließen'," sagteer, „eine so schwere Last auf meine Schultern zu nehmen; es müßte denn sein, daß die Herren sich feierlichst verpflichteten, Tag und Nacht mir zu helfen, den Staat und die Kirche zu regieren, da ich selbst mich unfähig dazu fühle." Alle vier antworteten eifrig: „„Wir wollenes, wir wollen es!"" „Bedenkt wohl, beendete Montalto seine Rede, daß Ihr alle Last und Beschwerde haben werdet, und ich den Titel und die Ehre da¬ von." Diese Worte waren der Köder, mit welchem der schlaue Prätendent die vier Fische in sein Netz lockte, während sie selbst glaubten, einen Fang gethan zu haben, den sie sich um keinen Preis entgehen lassen dürsten. Mit verdoppeltem Eifer boten sie ihren Scharfsinn auf, neue Wege zu ihrem Ziele ausfindig zu machen, und die Hindernisse zu beseitigen, die ihnen entgegen¬ standen, oder sich noch erheben könnten. Zwei mächtige Factionen, die überdies uoch in Gemeinschaft handelten, die des Farnese und San Sisto, standen ihnen noch feindlich gegenüber; jede einzelne für sich hatte schon die Erclusion in Händen. Um dem Farnese eine gute Anzahl Stimmen zu entfremden, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/304>, abgerufen am 23.07.2024.