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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Ein ConclM.

In diesen Monaten erzählten die Zeitungen von französischen Intri¬
guen in Italien, welche schon über das Leben des jetzigen Papstes hinaus die
Besetzung deS heiligen Stuhls durch einen napoleoniden intendirten. So wenig
Wahres darüber zur Zeit in die Oeffentlichkeit kommen mag, so ist doch gewiß,
daß es selten eine Zeit gegeben hat, wo die Persönlichkeit des zu erwartenden
Papstes von so welthistorischer Bedeutung war. Seit dem östreichischen Con-
cordat ist der Papst der innige Verbündete Oestreichs geworden und die galli-
kanische Kirche hat schon jetzt Ursache, mit tiefer Besorgniß auf eine Allianz
zu sehen, welche ihren Freiheiten > wie dem Geist des französischen Volkes in
hohem Grade gefährlich werden kann. Hier sei ein Bild von den Parteien
und dem Wahlkamps zu Rom aus der Vergangenheit gegeben, wol von dem
interessantesten Conclave, welches bis jetzt stattgefunden.

Am 10. April 1S8S starb Papst Gregor Xlil. Buoncompagni nach einer
kraftlosen Negierung, unter welcher die Zustände des Kirchenstaates auf einen
Punkt gekommen waren, von welchem aus es nur noch eines Schrittes be¬
dürfte, um zum gänzlichen Auseinanderfallen aller Elemente gesellschaftlicher
Ordnung zu führen. Von der Wahl des bevorstehenden Conclaves hing auch
damals ab, ob es noch ferner möglich sein sollte, im Kirchenstaate zu eristiren,
ohne selbst Dieb, Räuber, Bandit oder ohne reich genug zu sein, sich Banditen
zu seinem Schutze zu halten.

Am Abend desselben Tages versammelten sich die in Rom anwesenden
Cardinäle zu einer Congregation behuf Anordnung der Negierungsmaßregeln
während der sete vacante; ebenso an den beiden folgenden Tagen, worauf
die Trauerceremonien begannen. Nach der ersten Trauermesse fand wieder eine
Kongregation statt, in welcher der spanische Gesandte im Namen seines Königs,
(Philipp II.) eine Anrede an das Cardinalcollegium hielt, am 13. u. 15. April
zwei andere, in welchen der Gesandte der cäsarischen Majestät (deö deutschen
Kaisers) und der Cardinal Este für den abwesenden französischen Gesandten die
üblichen Anreden sprachen. Eine letzte Versammlung vor dem Eintritt? ins
Conclave fand am 20. April statt.

Eine außerordentliche Geschäftigkeit herrscht in dieser Zwischenzeit unter
den Cardinälen. Außer den Kongregationen und täglichen Trauerfunctionen im
Se. Peter nehmen zahlreiche Besuche der Cardinäle untereinander, der Factions-
häupter bei ihren Anhängern und bei "den Gesandten der drei katholischen
Hauptmächte ihre ganze Zeit in Anspruch. Die alten Factionen befestigen sich
und suchen sich zu vergrößern, neue bilden sich und suchen Anhänger bei jenen
zu werben; denn wiewol die Wahl des neuen Papstes bekanntlich auf un-


Grenzboten. I. 1856. 37
Ein ConclM.

In diesen Monaten erzählten die Zeitungen von französischen Intri¬
guen in Italien, welche schon über das Leben des jetzigen Papstes hinaus die
Besetzung deS heiligen Stuhls durch einen napoleoniden intendirten. So wenig
Wahres darüber zur Zeit in die Oeffentlichkeit kommen mag, so ist doch gewiß,
daß es selten eine Zeit gegeben hat, wo die Persönlichkeit des zu erwartenden
Papstes von so welthistorischer Bedeutung war. Seit dem östreichischen Con-
cordat ist der Papst der innige Verbündete Oestreichs geworden und die galli-
kanische Kirche hat schon jetzt Ursache, mit tiefer Besorgniß auf eine Allianz
zu sehen, welche ihren Freiheiten > wie dem Geist des französischen Volkes in
hohem Grade gefährlich werden kann. Hier sei ein Bild von den Parteien
und dem Wahlkamps zu Rom aus der Vergangenheit gegeben, wol von dem
interessantesten Conclave, welches bis jetzt stattgefunden.

Am 10. April 1S8S starb Papst Gregor Xlil. Buoncompagni nach einer
kraftlosen Negierung, unter welcher die Zustände des Kirchenstaates auf einen
Punkt gekommen waren, von welchem aus es nur noch eines Schrittes be¬
dürfte, um zum gänzlichen Auseinanderfallen aller Elemente gesellschaftlicher
Ordnung zu führen. Von der Wahl des bevorstehenden Conclaves hing auch
damals ab, ob es noch ferner möglich sein sollte, im Kirchenstaate zu eristiren,
ohne selbst Dieb, Räuber, Bandit oder ohne reich genug zu sein, sich Banditen
zu seinem Schutze zu halten.

Am Abend desselben Tages versammelten sich die in Rom anwesenden
Cardinäle zu einer Congregation behuf Anordnung der Negierungsmaßregeln
während der sete vacante; ebenso an den beiden folgenden Tagen, worauf
die Trauerceremonien begannen. Nach der ersten Trauermesse fand wieder eine
Kongregation statt, in welcher der spanische Gesandte im Namen seines Königs,
(Philipp II.) eine Anrede an das Cardinalcollegium hielt, am 13. u. 15. April
zwei andere, in welchen der Gesandte der cäsarischen Majestät (deö deutschen
Kaisers) und der Cardinal Este für den abwesenden französischen Gesandten die
üblichen Anreden sprachen. Eine letzte Versammlung vor dem Eintritt? ins
Conclave fand am 20. April statt.

Eine außerordentliche Geschäftigkeit herrscht in dieser Zwischenzeit unter
den Cardinälen. Außer den Kongregationen und täglichen Trauerfunctionen im
Se. Peter nehmen zahlreiche Besuche der Cardinäle untereinander, der Factions-
häupter bei ihren Anhängern und bei "den Gesandten der drei katholischen
Hauptmächte ihre ganze Zeit in Anspruch. Die alten Factionen befestigen sich
und suchen sich zu vergrößern, neue bilden sich und suchen Anhänger bei jenen
zu werben; denn wiewol die Wahl des neuen Papstes bekanntlich auf un-


Grenzboten. I. 1856. 37
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[0297] Ein ConclM. In diesen Monaten erzählten die Zeitungen von französischen Intri¬ guen in Italien, welche schon über das Leben des jetzigen Papstes hinaus die Besetzung deS heiligen Stuhls durch einen napoleoniden intendirten. So wenig Wahres darüber zur Zeit in die Oeffentlichkeit kommen mag, so ist doch gewiß, daß es selten eine Zeit gegeben hat, wo die Persönlichkeit des zu erwartenden Papstes von so welthistorischer Bedeutung war. Seit dem östreichischen Con- cordat ist der Papst der innige Verbündete Oestreichs geworden und die galli- kanische Kirche hat schon jetzt Ursache, mit tiefer Besorgniß auf eine Allianz zu sehen, welche ihren Freiheiten > wie dem Geist des französischen Volkes in hohem Grade gefährlich werden kann. Hier sei ein Bild von den Parteien und dem Wahlkamps zu Rom aus der Vergangenheit gegeben, wol von dem interessantesten Conclave, welches bis jetzt stattgefunden. Am 10. April 1S8S starb Papst Gregor Xlil. Buoncompagni nach einer kraftlosen Negierung, unter welcher die Zustände des Kirchenstaates auf einen Punkt gekommen waren, von welchem aus es nur noch eines Schrittes be¬ dürfte, um zum gänzlichen Auseinanderfallen aller Elemente gesellschaftlicher Ordnung zu führen. Von der Wahl des bevorstehenden Conclaves hing auch damals ab, ob es noch ferner möglich sein sollte, im Kirchenstaate zu eristiren, ohne selbst Dieb, Räuber, Bandit oder ohne reich genug zu sein, sich Banditen zu seinem Schutze zu halten. Am Abend desselben Tages versammelten sich die in Rom anwesenden Cardinäle zu einer Congregation behuf Anordnung der Negierungsmaßregeln während der sete vacante; ebenso an den beiden folgenden Tagen, worauf die Trauerceremonien begannen. Nach der ersten Trauermesse fand wieder eine Kongregation statt, in welcher der spanische Gesandte im Namen seines Königs, (Philipp II.) eine Anrede an das Cardinalcollegium hielt, am 13. u. 15. April zwei andere, in welchen der Gesandte der cäsarischen Majestät (deö deutschen Kaisers) und der Cardinal Este für den abwesenden französischen Gesandten die üblichen Anreden sprachen. Eine letzte Versammlung vor dem Eintritt? ins Conclave fand am 20. April statt. Eine außerordentliche Geschäftigkeit herrscht in dieser Zwischenzeit unter den Cardinälen. Außer den Kongregationen und täglichen Trauerfunctionen im Se. Peter nehmen zahlreiche Besuche der Cardinäle untereinander, der Factions- häupter bei ihren Anhängern und bei "den Gesandten der drei katholischen Hauptmächte ihre ganze Zeit in Anspruch. Die alten Factionen befestigen sich und suchen sich zu vergrößern, neue bilden sich und suchen Anhänger bei jenen zu werben; denn wiewol die Wahl des neuen Papstes bekanntlich auf un- Grenzboten. I. 1856. 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/297>, abgerufen am 23.07.2024.