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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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in der Karrharde, der Südtonderharte (Uberg) und dem Kirchspiel Aventoft in
der Wiedingharde danisiren Und forderte wiederholt Bericht von den Kirchen-
visitatoren. Diese, Kammerherr und Amtmann v. Krogh und Propst Ahlmann,
welche mit den Ansichten und Wünschen der Bevölkerung vertraut waren,
widerriethen die Maßregel, als der Bevölkerung zuwider, man schien aber
höheren Orts ihren Berichten keinen Glauben schenken zu wollen. Da er¬
klärten sie, man möge doch die Bevölkerung ohne ihre Betheiligung selbst
fragen. Das geschah, es wurde in allen Kirchspielen frei und ohne jegliche
äußere Einwirkung auf die Leute von diesen abgestimmt, ob sie die Kirchcn-
und Schulsprache haben oder die deutsche behalten wollten, und siehe da, in
den genannten Districten mit einer Bevölkerung von 10--12,000 Seelen
stimmten drei, sage drei Personen, von denen wenigstens zwei eingewanderte
Juten waren, für das Dänische, alle übrigen dagegen. Das geschah in den
vierziger Jahren. Die Negierung stand darauf von der Maßregel vorläufig ab.
Daß die Ansicht und Stimmung der Bevölkerung seit der zwangsweisen Ein¬
führung der Sprache keine andere geworden ist, beweisen die Thatsachen, daß
die Kirchen an den Sonntagen, wenn dänisch gepredigt wird, leer sind, daß
alle, die es irgend vermögen, ihre Kinder in der Fremde in Pension geben,
um sie deutsch unterrichten und corfirmiren zu lassen; daß in sehr vielen
Häusern, wo das dänische Patois früher gäng und gebe war, jetzt wenigstens
mit den Kindern nur deutsch gesprochen wird; daS beweisen ferner die Bittschriften,
die mit Unterschriften bedeckt aus allen Kirchspielen an die Ständeversammlung
eingingen um Wiederherstellung der deutschen Sprache in Kirche und Schule.

Im Widerstande gegen die dänische Kirchen- und Schulsprache ragt unter
allen das Kirchspiel Cliabüll am meisten hervor. So viel bekannt, hat der
Prediger nur am GcneralvisitationStage, als der Bischof Bochen auf seiner
Rundreise hierhergekommen war -- im Sommer 1853'-- durch vieles Bitten
es dahin gebracht, daß einige wenige Gemeindemitglieder die dänische Predigt
besuchten; im Uebrigen ist, wie ich aus bester Quelle weiß, der Gottesdienst an
jedem dänischen Sonntag aus Mangel an Zuhörern ausgefallen, wogegen die
Kirche an jedem Sonn- und Festtage, wenn deutscher Gottesdienst gehalten
wird, gedrängt voll ist.

Als die Stände in Flensburg versammelt waren, um über die sogenannte
Verfassung für daS Herzogthum zu berathen, deren Entwurf auch Bestimmungen
über die Sprache enthielt, regten sich alle Gemeinden wider die aufgedrungene
dänische Sprache und es wurden Petitionen an die Ständeversammlung von
jedem Familienvater unterschrieben um Wiederherstellung der althergebrachten
deutschen Kirchen- und Schulsprache. In Leck wurde der, welcher sie zur
Unterschrift herumtrug, von der Polizei angehalten und ihm die Petition weg¬
genommen. Nachdem aber der Hardesvogt bei dem Amtmann, Grafen v. Re-


in der Karrharde, der Südtonderharte (Uberg) und dem Kirchspiel Aventoft in
der Wiedingharde danisiren Und forderte wiederholt Bericht von den Kirchen-
visitatoren. Diese, Kammerherr und Amtmann v. Krogh und Propst Ahlmann,
welche mit den Ansichten und Wünschen der Bevölkerung vertraut waren,
widerriethen die Maßregel, als der Bevölkerung zuwider, man schien aber
höheren Orts ihren Berichten keinen Glauben schenken zu wollen. Da er¬
klärten sie, man möge doch die Bevölkerung ohne ihre Betheiligung selbst
fragen. Das geschah, es wurde in allen Kirchspielen frei und ohne jegliche
äußere Einwirkung auf die Leute von diesen abgestimmt, ob sie die Kirchcn-
und Schulsprache haben oder die deutsche behalten wollten, und siehe da, in
den genannten Districten mit einer Bevölkerung von 10—12,000 Seelen
stimmten drei, sage drei Personen, von denen wenigstens zwei eingewanderte
Juten waren, für das Dänische, alle übrigen dagegen. Das geschah in den
vierziger Jahren. Die Negierung stand darauf von der Maßregel vorläufig ab.
Daß die Ansicht und Stimmung der Bevölkerung seit der zwangsweisen Ein¬
führung der Sprache keine andere geworden ist, beweisen die Thatsachen, daß
die Kirchen an den Sonntagen, wenn dänisch gepredigt wird, leer sind, daß
alle, die es irgend vermögen, ihre Kinder in der Fremde in Pension geben,
um sie deutsch unterrichten und corfirmiren zu lassen; daß in sehr vielen
Häusern, wo das dänische Patois früher gäng und gebe war, jetzt wenigstens
mit den Kindern nur deutsch gesprochen wird; daS beweisen ferner die Bittschriften,
die mit Unterschriften bedeckt aus allen Kirchspielen an die Ständeversammlung
eingingen um Wiederherstellung der deutschen Sprache in Kirche und Schule.

Im Widerstande gegen die dänische Kirchen- und Schulsprache ragt unter
allen das Kirchspiel Cliabüll am meisten hervor. So viel bekannt, hat der
Prediger nur am GcneralvisitationStage, als der Bischof Bochen auf seiner
Rundreise hierhergekommen war — im Sommer 1853'— durch vieles Bitten
es dahin gebracht, daß einige wenige Gemeindemitglieder die dänische Predigt
besuchten; im Uebrigen ist, wie ich aus bester Quelle weiß, der Gottesdienst an
jedem dänischen Sonntag aus Mangel an Zuhörern ausgefallen, wogegen die
Kirche an jedem Sonn- und Festtage, wenn deutscher Gottesdienst gehalten
wird, gedrängt voll ist.

Als die Stände in Flensburg versammelt waren, um über die sogenannte
Verfassung für daS Herzogthum zu berathen, deren Entwurf auch Bestimmungen
über die Sprache enthielt, regten sich alle Gemeinden wider die aufgedrungene
dänische Sprache und es wurden Petitionen an die Ständeversammlung von
jedem Familienvater unterschrieben um Wiederherstellung der althergebrachten
deutschen Kirchen- und Schulsprache. In Leck wurde der, welcher sie zur
Unterschrift herumtrug, von der Polizei angehalten und ihm die Petition weg¬
genommen. Nachdem aber der Hardesvogt bei dem Amtmann, Grafen v. Re-


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[0277] in der Karrharde, der Südtonderharte (Uberg) und dem Kirchspiel Aventoft in der Wiedingharde danisiren Und forderte wiederholt Bericht von den Kirchen- visitatoren. Diese, Kammerherr und Amtmann v. Krogh und Propst Ahlmann, welche mit den Ansichten und Wünschen der Bevölkerung vertraut waren, widerriethen die Maßregel, als der Bevölkerung zuwider, man schien aber höheren Orts ihren Berichten keinen Glauben schenken zu wollen. Da er¬ klärten sie, man möge doch die Bevölkerung ohne ihre Betheiligung selbst fragen. Das geschah, es wurde in allen Kirchspielen frei und ohne jegliche äußere Einwirkung auf die Leute von diesen abgestimmt, ob sie die Kirchcn- und Schulsprache haben oder die deutsche behalten wollten, und siehe da, in den genannten Districten mit einer Bevölkerung von 10—12,000 Seelen stimmten drei, sage drei Personen, von denen wenigstens zwei eingewanderte Juten waren, für das Dänische, alle übrigen dagegen. Das geschah in den vierziger Jahren. Die Negierung stand darauf von der Maßregel vorläufig ab. Daß die Ansicht und Stimmung der Bevölkerung seit der zwangsweisen Ein¬ führung der Sprache keine andere geworden ist, beweisen die Thatsachen, daß die Kirchen an den Sonntagen, wenn dänisch gepredigt wird, leer sind, daß alle, die es irgend vermögen, ihre Kinder in der Fremde in Pension geben, um sie deutsch unterrichten und corfirmiren zu lassen; daß in sehr vielen Häusern, wo das dänische Patois früher gäng und gebe war, jetzt wenigstens mit den Kindern nur deutsch gesprochen wird; daS beweisen ferner die Bittschriften, die mit Unterschriften bedeckt aus allen Kirchspielen an die Ständeversammlung eingingen um Wiederherstellung der deutschen Sprache in Kirche und Schule. Im Widerstande gegen die dänische Kirchen- und Schulsprache ragt unter allen das Kirchspiel Cliabüll am meisten hervor. So viel bekannt, hat der Prediger nur am GcneralvisitationStage, als der Bischof Bochen auf seiner Rundreise hierhergekommen war — im Sommer 1853'— durch vieles Bitten es dahin gebracht, daß einige wenige Gemeindemitglieder die dänische Predigt besuchten; im Uebrigen ist, wie ich aus bester Quelle weiß, der Gottesdienst an jedem dänischen Sonntag aus Mangel an Zuhörern ausgefallen, wogegen die Kirche an jedem Sonn- und Festtage, wenn deutscher Gottesdienst gehalten wird, gedrängt voll ist. Als die Stände in Flensburg versammelt waren, um über die sogenannte Verfassung für daS Herzogthum zu berathen, deren Entwurf auch Bestimmungen über die Sprache enthielt, regten sich alle Gemeinden wider die aufgedrungene dänische Sprache und es wurden Petitionen an die Ständeversammlung von jedem Familienvater unterschrieben um Wiederherstellung der althergebrachten deutschen Kirchen- und Schulsprache. In Leck wurde der, welcher sie zur Unterschrift herumtrug, von der Polizei angehalten und ihm die Petition weg¬ genommen. Nachdem aber der Hardesvogt bei dem Amtmann, Grafen v. Re-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/277>, abgerufen am 23.07.2024.