Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Kinderjahren hätte man doch etwas Deutsch gelernt und daS sei nothwendig;
denn man könne ja kaum ein Stück Viel) verkaufen ohne deutsch sprechen zu
können.

In Betreff der Reichsmünze sind Deutsch- und Dänischgesinnte in ihrer
Ansicht völlig einig. Niemand kann mit der complicirten und zum Hamburger
Courant nicht passenden Rechnung fertig werden. Hamburger'Courant ist der
einzige Werthmcsser des Volks und die Regierung wird sich lange vergeblich
anstrengen, dem großen Verkehr gegenüber die Rechnung nach ihrem Münz¬
system populär zu machen. Während die Deutschgesinntcn der Folgen wegen
sich mit ihren Aeußerungen in Acht nehmen, schimpft die frühere Gegenpartei, die
mehr wagen darf, ungescheut und in den derbsten Ausdrücken über die Reichs¬
münze. Selbst dänische Prediger und andere Dänen erbaten sich die Angabe
der Waarenpreise von den Kaufleuten in Tondern nach Hamburger Courant.
Da es verboten war, nach Courant zu handeln und die Gensdarmen, welche,
wie früher bemerkt, die "Hälfte der Geldstrafen bekommen, überall hinhorchten,
so erfanden die Landleute auf den Viehmärkten in Tondern neue Bezeichnungen;
sie sprachen nämlich von den preußischen Thalern als von "langen Thalern"
im Gegensatz zu den "kurzen", womit sie die dänischen Reichsthaler meinten.

Die Behauptung, daß fast alle nicht Ungebildeten deutschgesinnt sind,
bestätigte unter andern ein alter Bauer aus einen Dorfe bei Christiansfeld.
Das Gespräch war vom Befinden des Mehstandes und der Familie allmälig
auch aus Deutsch und Dänisch gekommen, wie die Leute sagen, und der
Alte, welcher nicht so einfältig war, wie er sich stellte, äußerte: "Wir sind ja
bei uns dänisch, das versteht sich, aber sonderbar ist es doch, daß alle im
Lande, die etwas wissen und verstehen, deutschgesinnt sind; nur solche Ochsen¬
köpfe (Fähoveder) wie ich und meinesgleichen sind dänisch."

Was nun vie Westseite des Landes, besonders Stadt und Amt Tondern
betrifft, so sind in der Schlurbarde sehr viele Bauern und größere Hofbesitzer
immer entschiedene Deutsche gewesen, während die ärmere Classe, der die Pro¬
paganda materielle Vortheile versprochen, früher dänische Sympathien hegte,
die jetzt beträchtlich herabgestimmt sind. Die Bevölkerung der Karrharde war mit
sehr geringen Ausnahmen stets deutsch und selbst diese Ausnahmen wurden
durch die dänischen Maßregeln bekehrt, insofern nicht einzelne, gleich den
flensburger Krämern, aus Interesse dänisch sind. Von dem Vorwalten des
deutschen Elements in der Karrharde, trotzdem, daß dort theilweise noch ein
dänisches Patois gesprochen wird, zeigt einestheils dieser Dialekt, der hier so-
wol in der Construction, als in den Ausdrücken mehr deutsch als dänisch ist,
anderntheils die entschiedene Abneigung der Bevölkerung gegen dänische Kirchen-
und Schulsprache.

Schon vor der Erhebung wollte die Negierung die Kirche und Schule


Kinderjahren hätte man doch etwas Deutsch gelernt und daS sei nothwendig;
denn man könne ja kaum ein Stück Viel) verkaufen ohne deutsch sprechen zu
können.

In Betreff der Reichsmünze sind Deutsch- und Dänischgesinnte in ihrer
Ansicht völlig einig. Niemand kann mit der complicirten und zum Hamburger
Courant nicht passenden Rechnung fertig werden. Hamburger'Courant ist der
einzige Werthmcsser des Volks und die Regierung wird sich lange vergeblich
anstrengen, dem großen Verkehr gegenüber die Rechnung nach ihrem Münz¬
system populär zu machen. Während die Deutschgesinntcn der Folgen wegen
sich mit ihren Aeußerungen in Acht nehmen, schimpft die frühere Gegenpartei, die
mehr wagen darf, ungescheut und in den derbsten Ausdrücken über die Reichs¬
münze. Selbst dänische Prediger und andere Dänen erbaten sich die Angabe
der Waarenpreise von den Kaufleuten in Tondern nach Hamburger Courant.
Da es verboten war, nach Courant zu handeln und die Gensdarmen, welche,
wie früher bemerkt, die "Hälfte der Geldstrafen bekommen, überall hinhorchten,
so erfanden die Landleute auf den Viehmärkten in Tondern neue Bezeichnungen;
sie sprachen nämlich von den preußischen Thalern als von „langen Thalern"
im Gegensatz zu den „kurzen", womit sie die dänischen Reichsthaler meinten.

Die Behauptung, daß fast alle nicht Ungebildeten deutschgesinnt sind,
bestätigte unter andern ein alter Bauer aus einen Dorfe bei Christiansfeld.
Das Gespräch war vom Befinden des Mehstandes und der Familie allmälig
auch aus Deutsch und Dänisch gekommen, wie die Leute sagen, und der
Alte, welcher nicht so einfältig war, wie er sich stellte, äußerte: „Wir sind ja
bei uns dänisch, das versteht sich, aber sonderbar ist es doch, daß alle im
Lande, die etwas wissen und verstehen, deutschgesinnt sind; nur solche Ochsen¬
köpfe (Fähoveder) wie ich und meinesgleichen sind dänisch."

Was nun vie Westseite des Landes, besonders Stadt und Amt Tondern
betrifft, so sind in der Schlurbarde sehr viele Bauern und größere Hofbesitzer
immer entschiedene Deutsche gewesen, während die ärmere Classe, der die Pro¬
paganda materielle Vortheile versprochen, früher dänische Sympathien hegte,
die jetzt beträchtlich herabgestimmt sind. Die Bevölkerung der Karrharde war mit
sehr geringen Ausnahmen stets deutsch und selbst diese Ausnahmen wurden
durch die dänischen Maßregeln bekehrt, insofern nicht einzelne, gleich den
flensburger Krämern, aus Interesse dänisch sind. Von dem Vorwalten des
deutschen Elements in der Karrharde, trotzdem, daß dort theilweise noch ein
dänisches Patois gesprochen wird, zeigt einestheils dieser Dialekt, der hier so-
wol in der Construction, als in den Ausdrücken mehr deutsch als dänisch ist,
anderntheils die entschiedene Abneigung der Bevölkerung gegen dänische Kirchen-
und Schulsprache.

Schon vor der Erhebung wollte die Negierung die Kirche und Schule


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0276" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101269"/>
            <p xml:id="ID_833" prev="#ID_832"> Kinderjahren hätte man doch etwas Deutsch gelernt und daS sei nothwendig;<lb/>
denn man könne ja kaum ein Stück Viel) verkaufen ohne deutsch sprechen zu<lb/>
können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_834"> In Betreff der Reichsmünze sind Deutsch- und Dänischgesinnte in ihrer<lb/>
Ansicht völlig einig. Niemand kann mit der complicirten und zum Hamburger<lb/>
Courant nicht passenden Rechnung fertig werden. Hamburger'Courant ist der<lb/>
einzige Werthmcsser des Volks und die Regierung wird sich lange vergeblich<lb/>
anstrengen, dem großen Verkehr gegenüber die Rechnung nach ihrem Münz¬<lb/>
system populär zu machen. Während die Deutschgesinntcn der Folgen wegen<lb/>
sich mit ihren Aeußerungen in Acht nehmen, schimpft die frühere Gegenpartei, die<lb/>
mehr wagen darf, ungescheut und in den derbsten Ausdrücken über die Reichs¬<lb/>
münze. Selbst dänische Prediger und andere Dänen erbaten sich die Angabe<lb/>
der Waarenpreise von den Kaufleuten in Tondern nach Hamburger Courant.<lb/>
Da es verboten war, nach Courant zu handeln und die Gensdarmen, welche,<lb/>
wie früher bemerkt, die "Hälfte der Geldstrafen bekommen, überall hinhorchten,<lb/>
so erfanden die Landleute auf den Viehmärkten in Tondern neue Bezeichnungen;<lb/>
sie sprachen nämlich von den preußischen Thalern als von &#x201E;langen Thalern"<lb/>
im Gegensatz zu den &#x201E;kurzen", womit sie die dänischen Reichsthaler meinten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_835"> Die Behauptung, daß fast alle nicht Ungebildeten deutschgesinnt sind,<lb/>
bestätigte unter andern ein alter Bauer aus einen Dorfe bei Christiansfeld.<lb/>
Das Gespräch war vom Befinden des Mehstandes und der Familie allmälig<lb/>
auch aus Deutsch und Dänisch gekommen, wie die Leute sagen, und der<lb/>
Alte, welcher nicht so einfältig war, wie er sich stellte, äußerte: &#x201E;Wir sind ja<lb/>
bei uns dänisch, das versteht sich, aber sonderbar ist es doch, daß alle im<lb/>
Lande, die etwas wissen und verstehen, deutschgesinnt sind; nur solche Ochsen¬<lb/>
köpfe (Fähoveder) wie ich und meinesgleichen sind dänisch."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_836"> Was nun vie Westseite des Landes, besonders Stadt und Amt Tondern<lb/>
betrifft, so sind in der Schlurbarde sehr viele Bauern und größere Hofbesitzer<lb/>
immer entschiedene Deutsche gewesen, während die ärmere Classe, der die Pro¬<lb/>
paganda materielle Vortheile versprochen, früher dänische Sympathien hegte,<lb/>
die jetzt beträchtlich herabgestimmt sind. Die Bevölkerung der Karrharde war mit<lb/>
sehr geringen Ausnahmen stets deutsch und selbst diese Ausnahmen wurden<lb/>
durch die dänischen Maßregeln bekehrt, insofern nicht einzelne, gleich den<lb/>
flensburger Krämern, aus Interesse dänisch sind. Von dem Vorwalten des<lb/>
deutschen Elements in der Karrharde, trotzdem, daß dort theilweise noch ein<lb/>
dänisches Patois gesprochen wird, zeigt einestheils dieser Dialekt, der hier so-<lb/>
wol in der Construction, als in den Ausdrücken mehr deutsch als dänisch ist,<lb/>
anderntheils die entschiedene Abneigung der Bevölkerung gegen dänische Kirchen-<lb/>
und Schulsprache.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_837" next="#ID_838"> Schon vor der Erhebung wollte die Negierung die Kirche und Schule</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0276] Kinderjahren hätte man doch etwas Deutsch gelernt und daS sei nothwendig; denn man könne ja kaum ein Stück Viel) verkaufen ohne deutsch sprechen zu können. In Betreff der Reichsmünze sind Deutsch- und Dänischgesinnte in ihrer Ansicht völlig einig. Niemand kann mit der complicirten und zum Hamburger Courant nicht passenden Rechnung fertig werden. Hamburger'Courant ist der einzige Werthmcsser des Volks und die Regierung wird sich lange vergeblich anstrengen, dem großen Verkehr gegenüber die Rechnung nach ihrem Münz¬ system populär zu machen. Während die Deutschgesinntcn der Folgen wegen sich mit ihren Aeußerungen in Acht nehmen, schimpft die frühere Gegenpartei, die mehr wagen darf, ungescheut und in den derbsten Ausdrücken über die Reichs¬ münze. Selbst dänische Prediger und andere Dänen erbaten sich die Angabe der Waarenpreise von den Kaufleuten in Tondern nach Hamburger Courant. Da es verboten war, nach Courant zu handeln und die Gensdarmen, welche, wie früher bemerkt, die "Hälfte der Geldstrafen bekommen, überall hinhorchten, so erfanden die Landleute auf den Viehmärkten in Tondern neue Bezeichnungen; sie sprachen nämlich von den preußischen Thalern als von „langen Thalern" im Gegensatz zu den „kurzen", womit sie die dänischen Reichsthaler meinten. Die Behauptung, daß fast alle nicht Ungebildeten deutschgesinnt sind, bestätigte unter andern ein alter Bauer aus einen Dorfe bei Christiansfeld. Das Gespräch war vom Befinden des Mehstandes und der Familie allmälig auch aus Deutsch und Dänisch gekommen, wie die Leute sagen, und der Alte, welcher nicht so einfältig war, wie er sich stellte, äußerte: „Wir sind ja bei uns dänisch, das versteht sich, aber sonderbar ist es doch, daß alle im Lande, die etwas wissen und verstehen, deutschgesinnt sind; nur solche Ochsen¬ köpfe (Fähoveder) wie ich und meinesgleichen sind dänisch." Was nun vie Westseite des Landes, besonders Stadt und Amt Tondern betrifft, so sind in der Schlurbarde sehr viele Bauern und größere Hofbesitzer immer entschiedene Deutsche gewesen, während die ärmere Classe, der die Pro¬ paganda materielle Vortheile versprochen, früher dänische Sympathien hegte, die jetzt beträchtlich herabgestimmt sind. Die Bevölkerung der Karrharde war mit sehr geringen Ausnahmen stets deutsch und selbst diese Ausnahmen wurden durch die dänischen Maßregeln bekehrt, insofern nicht einzelne, gleich den flensburger Krämern, aus Interesse dänisch sind. Von dem Vorwalten des deutschen Elements in der Karrharde, trotzdem, daß dort theilweise noch ein dänisches Patois gesprochen wird, zeigt einestheils dieser Dialekt, der hier so- wol in der Construction, als in den Ausdrücken mehr deutsch als dänisch ist, anderntheils die entschiedene Abneigung der Bevölkerung gegen dänische Kirchen- und Schulsprache. Schon vor der Erhebung wollte die Negierung die Kirche und Schule

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/276
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/276>, abgerufen am 23.07.2024.