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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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ehedem sie regimenterweise gegen gute Bezahlung an das Ausland; sie wurden
stolzer und hochfahrender auch gegen den übrigen Apel und die Theorie von der
Ebenbürtigkeit und das Hofecremoniell bildeten sich grade in dieser Zeit am
schroffsten aus, aber sie waren, wie ihre Unterthanen, meist von beschränktem
Gesichtskreis, unwissend, oft roh und kläglich in ihrem Thun. Wenn sie doch
Bildung und feinere Sitte suchten,. so fanden sie in Deutschland wenig
davon und mußten nach Frankreich hinübergehn, wo sie den Firniß des franzö¬
sischen Hofes sich zu theurem Preise kauften. -- Wol war es ein elendes Jahrhun¬
dert, das schlechteste der deutschen Geschichte. Das Land zersplittert in eine Unzahl
Souveränctäten von jeder Kleinheit, das Volk arm an Idealen, an Kraft und
Geist. Außer einigen glücklichen Soldaten und wenigen guten Hausherrn im
Purpur hat Deutschland in diesem Jahrhundert nur zwei große Männer hervor¬
gebracht, Leibnitz und Friedrich Wilhelm, den Kurfürsten von Brandenburg.

Es war am Ende dieser argen Zeit, bereits einige Jahre nach der Thron¬
besteigung Friedrichs des Großen, als mitten in Deutschland zwischen den
thüringischen Staaten Gotha und Meiningen, Händel ausbrachen, welche
unter dem Namen der wasunger Krieg bekannt sind. Für die Kriegsgeschichte
haben sie keine Wichtigkeit, um so charakteristischer sind sie für Bildung und
Zustände der Periode, in deren Ende sie fallen. All das Misere im deutschen
Reich, die Verkommenheit des bürgerlichen Lebens, die rohe Unsittlichkeit der
damaligen Politik, Kleinlichkeit, Weibcrintriguen und Zopf erscheinen dabei so
massenhaft, daß sie wol Heiterkeit erregen könnten, wenn nicht der bittere Ernst,
die Gemeinheit des politischen Treibens so stark ans Licht träte. Das Detail
dieser Begebenheit findet sich in einer kleinen Schrift: Der wasunger Krieg
zwischen Sachsen-Gotha-Altenburg und Sachsen-Weimar, 1747 bis 1748, von
A. von Witzleben. (Gotha, H. Sehende). Der Verfasser, preußischer Major,
gegenwärtig (Kommandeur des koburg-gothaischen Regiments, ist als tüchtiger
Offizier und militärischer Schriftsteller rühmlichst bekannt. Das vortrefflich ge¬
schriebene Buch enthält die quellenmäßige Darstellung des ganzen Kampfes.
Für den Zweck dieser Blätter aber ist von nicht geringerer Bedeutung ein Tage¬
buch, welches der gothaische Lieutenant und Adjutant Rauch, Theilnehmer an
der militärischen Erpedition, im Jahre 1747 niederschrieb. Das Manuscript ist
im jenaischen Kalender von 1847 (Jena, Frommann) abgedruckt, die Handschrift
selbst gehört der Familie des Präsidenten Heß zu Gotha. Aus diesem Tage¬
buch werden im Folgenden einige Bruchstücke mitgetheilt. Zum Verständniß
desselben ist aber eine kurze Erzählung der Ereignisse nöthig, welche den Krieg
verursachten.

Im Fürstenschloß zu Meiningen hatte unter den Hofchargen die Frau
Landjägermeisterin Christiana Auguste von Gleichen den ersten Rang. Unter
den andern hoffähigen Damen war auch eine Frau vou Pfaffenrath, zwar eine


ehedem sie regimenterweise gegen gute Bezahlung an das Ausland; sie wurden
stolzer und hochfahrender auch gegen den übrigen Apel und die Theorie von der
Ebenbürtigkeit und das Hofecremoniell bildeten sich grade in dieser Zeit am
schroffsten aus, aber sie waren, wie ihre Unterthanen, meist von beschränktem
Gesichtskreis, unwissend, oft roh und kläglich in ihrem Thun. Wenn sie doch
Bildung und feinere Sitte suchten,. so fanden sie in Deutschland wenig
davon und mußten nach Frankreich hinübergehn, wo sie den Firniß des franzö¬
sischen Hofes sich zu theurem Preise kauften. — Wol war es ein elendes Jahrhun¬
dert, das schlechteste der deutschen Geschichte. Das Land zersplittert in eine Unzahl
Souveränctäten von jeder Kleinheit, das Volk arm an Idealen, an Kraft und
Geist. Außer einigen glücklichen Soldaten und wenigen guten Hausherrn im
Purpur hat Deutschland in diesem Jahrhundert nur zwei große Männer hervor¬
gebracht, Leibnitz und Friedrich Wilhelm, den Kurfürsten von Brandenburg.

Es war am Ende dieser argen Zeit, bereits einige Jahre nach der Thron¬
besteigung Friedrichs des Großen, als mitten in Deutschland zwischen den
thüringischen Staaten Gotha und Meiningen, Händel ausbrachen, welche
unter dem Namen der wasunger Krieg bekannt sind. Für die Kriegsgeschichte
haben sie keine Wichtigkeit, um so charakteristischer sind sie für Bildung und
Zustände der Periode, in deren Ende sie fallen. All das Misere im deutschen
Reich, die Verkommenheit des bürgerlichen Lebens, die rohe Unsittlichkeit der
damaligen Politik, Kleinlichkeit, Weibcrintriguen und Zopf erscheinen dabei so
massenhaft, daß sie wol Heiterkeit erregen könnten, wenn nicht der bittere Ernst,
die Gemeinheit des politischen Treibens so stark ans Licht träte. Das Detail
dieser Begebenheit findet sich in einer kleinen Schrift: Der wasunger Krieg
zwischen Sachsen-Gotha-Altenburg und Sachsen-Weimar, 1747 bis 1748, von
A. von Witzleben. (Gotha, H. Sehende). Der Verfasser, preußischer Major,
gegenwärtig (Kommandeur des koburg-gothaischen Regiments, ist als tüchtiger
Offizier und militärischer Schriftsteller rühmlichst bekannt. Das vortrefflich ge¬
schriebene Buch enthält die quellenmäßige Darstellung des ganzen Kampfes.
Für den Zweck dieser Blätter aber ist von nicht geringerer Bedeutung ein Tage¬
buch, welches der gothaische Lieutenant und Adjutant Rauch, Theilnehmer an
der militärischen Erpedition, im Jahre 1747 niederschrieb. Das Manuscript ist
im jenaischen Kalender von 1847 (Jena, Frommann) abgedruckt, die Handschrift
selbst gehört der Familie des Präsidenten Heß zu Gotha. Aus diesem Tage¬
buch werden im Folgenden einige Bruchstücke mitgetheilt. Zum Verständniß
desselben ist aber eine kurze Erzählung der Ereignisse nöthig, welche den Krieg
verursachten.

Im Fürstenschloß zu Meiningen hatte unter den Hofchargen die Frau
Landjägermeisterin Christiana Auguste von Gleichen den ersten Rang. Unter
den andern hoffähigen Damen war auch eine Frau vou Pfaffenrath, zwar eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/21>, abgerufen am 25.08.2024.