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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Heiligthum der Erdgöttin tanzend umkreist hatten. Blieb bei diesem Umzüge
auch nur eine Kerze brennen, so gab es ein gutes Bienenjahr. Auf Licht¬
messen, sagt der Aberglaube, fangen die Lerchen an zu singen; hört man sie
eher so werden sie nachher wieder stumm. Wenn zu Lichtmeß die Sonne dem
Pfarrer auf die Kanzel scheint, so muß der Dachs noch sechs Wochen unter
der Erde bleiben, heißt es in Schwaben. Dagegen sollen im Bcrgischen die
Weiber im Sonnenschein tanzen, damit der Flachs, (der unter der Obhut jener
Göttin stand) gut gerathe. Bei diesem Tanze zu Ehren des flachsverlcihenden
Sonnenscheins trugen sie einst Hollundergerten (Hollunder, Frau Ellhorn in
den deutschen Herzogthümern, ein heiliger Baum) in den Händen, mit denen
sie die Männer schlugen, die sich der Tanzstelle näherten. Wer von Neuver¬
mählten am Lichtmeßtage zuerst ins Bett steigt, sagt man bei Eleve, der muß
zuerst sterben.


"Lichtmeß bei TciA eß
Urds Spinnen vergeß"

lautet eine schwäbische Bauernregel. Sodann galt vor Alters am Rhein der
Lichtmeßtag für den Ehrentag der Verschwender und der leichtsinnigen Tauge¬
nichtse. Endlich mag der Umstand in Betracht zu ziehen sein, daß an diesem
Tage bei Tübingen und in schwäbisch-Hall das Gesinde "wandert" d. h)ab-
und anzieht. Ebenso findet am Niederrhein und im Oberbergischen auf Licht¬
meß der Dienstwechsel statt und die nächsten drei Tage feierten Knechte und
Mägde.

Wie viel von der Bedeutung der Tage zwischen Lichtmeß und Fastnacht
Erinnerung an das heidnische Fest des Februar ist, lassen wir dahingestellt.
Doch mag einiges davon hier Platz finden. Am Tage nach Lichtmesse, also
am 3. Februar, der dem Se. Blasius geweiht ist, werden in niederrheinischen
katholischen Gemeinden die Hälse gesegnet, damit sie vor Kröpfen gesichert
sind. Am Agathentage, den S.Februar, kleben die Bauern in der Gegend von-
Marbach und Friedingen in Schwaben Zettel mit Sprüchen und Beschwörun¬
gen an ihre Thüren, um die Häuser vor Feuer zu schützen. Am Tage der
heiligen Apollonia, den 9. Februar, muß der mit Zahnschmerzen Behaftete sich
im Namen der Heiligen mit einem eisernen Nagel das Zahnfleisch blutig ritzen
und den Nagel dann in einen Lindenbaum schlagen, so hört der Schmerz für
das ganze folgende Jahr auf. Der Valentinstag (14. Februar) ist ein Un¬
glückstag. Das dann geworfene Fohlen oder Kalb mißräth und die dann ge¬
setzte Henne brütet die Eier faul. Dagegen ist Petri Stuhlfeier ein Glücks¬
tag. Macht man an diesem Tage (22. Februar) den Hühnern Nester, so be¬
kommt man viele Eier von ihnen; auch war er zu Beschwörungen zu empfeh¬
len. Namentlich vertrieb früher der westphcilische Bauer an ihm die Schlangen
und Molche durch eine gewisse Ceremonie aus Stall und Haus. Morgens


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Heiligthum der Erdgöttin tanzend umkreist hatten. Blieb bei diesem Umzüge
auch nur eine Kerze brennen, so gab es ein gutes Bienenjahr. Auf Licht¬
messen, sagt der Aberglaube, fangen die Lerchen an zu singen; hört man sie
eher so werden sie nachher wieder stumm. Wenn zu Lichtmeß die Sonne dem
Pfarrer auf die Kanzel scheint, so muß der Dachs noch sechs Wochen unter
der Erde bleiben, heißt es in Schwaben. Dagegen sollen im Bcrgischen die
Weiber im Sonnenschein tanzen, damit der Flachs, (der unter der Obhut jener
Göttin stand) gut gerathe. Bei diesem Tanze zu Ehren des flachsverlcihenden
Sonnenscheins trugen sie einst Hollundergerten (Hollunder, Frau Ellhorn in
den deutschen Herzogthümern, ein heiliger Baum) in den Händen, mit denen
sie die Männer schlugen, die sich der Tanzstelle näherten. Wer von Neuver¬
mählten am Lichtmeßtage zuerst ins Bett steigt, sagt man bei Eleve, der muß
zuerst sterben.


„Lichtmeß bei TciA eß
Urds Spinnen vergeß"

lautet eine schwäbische Bauernregel. Sodann galt vor Alters am Rhein der
Lichtmeßtag für den Ehrentag der Verschwender und der leichtsinnigen Tauge¬
nichtse. Endlich mag der Umstand in Betracht zu ziehen sein, daß an diesem
Tage bei Tübingen und in schwäbisch-Hall das Gesinde „wandert" d. h)ab-
und anzieht. Ebenso findet am Niederrhein und im Oberbergischen auf Licht¬
meß der Dienstwechsel statt und die nächsten drei Tage feierten Knechte und
Mägde.

Wie viel von der Bedeutung der Tage zwischen Lichtmeß und Fastnacht
Erinnerung an das heidnische Fest des Februar ist, lassen wir dahingestellt.
Doch mag einiges davon hier Platz finden. Am Tage nach Lichtmesse, also
am 3. Februar, der dem Se. Blasius geweiht ist, werden in niederrheinischen
katholischen Gemeinden die Hälse gesegnet, damit sie vor Kröpfen gesichert
sind. Am Agathentage, den S.Februar, kleben die Bauern in der Gegend von-
Marbach und Friedingen in Schwaben Zettel mit Sprüchen und Beschwörun¬
gen an ihre Thüren, um die Häuser vor Feuer zu schützen. Am Tage der
heiligen Apollonia, den 9. Februar, muß der mit Zahnschmerzen Behaftete sich
im Namen der Heiligen mit einem eisernen Nagel das Zahnfleisch blutig ritzen
und den Nagel dann in einen Lindenbaum schlagen, so hört der Schmerz für
das ganze folgende Jahr auf. Der Valentinstag (14. Februar) ist ein Un¬
glückstag. Das dann geworfene Fohlen oder Kalb mißräth und die dann ge¬
setzte Henne brütet die Eier faul. Dagegen ist Petri Stuhlfeier ein Glücks¬
tag. Macht man an diesem Tage (22. Februar) den Hühnern Nester, so be¬
kommt man viele Eier von ihnen; auch war er zu Beschwörungen zu empfeh¬
len. Namentlich vertrieb früher der westphcilische Bauer an ihm die Schlangen
und Molche durch eine gewisse Ceremonie aus Stall und Haus. Morgens


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[0171] Heiligthum der Erdgöttin tanzend umkreist hatten. Blieb bei diesem Umzüge auch nur eine Kerze brennen, so gab es ein gutes Bienenjahr. Auf Licht¬ messen, sagt der Aberglaube, fangen die Lerchen an zu singen; hört man sie eher so werden sie nachher wieder stumm. Wenn zu Lichtmeß die Sonne dem Pfarrer auf die Kanzel scheint, so muß der Dachs noch sechs Wochen unter der Erde bleiben, heißt es in Schwaben. Dagegen sollen im Bcrgischen die Weiber im Sonnenschein tanzen, damit der Flachs, (der unter der Obhut jener Göttin stand) gut gerathe. Bei diesem Tanze zu Ehren des flachsverlcihenden Sonnenscheins trugen sie einst Hollundergerten (Hollunder, Frau Ellhorn in den deutschen Herzogthümern, ein heiliger Baum) in den Händen, mit denen sie die Männer schlugen, die sich der Tanzstelle näherten. Wer von Neuver¬ mählten am Lichtmeßtage zuerst ins Bett steigt, sagt man bei Eleve, der muß zuerst sterben. „Lichtmeß bei TciA eß Urds Spinnen vergeß" lautet eine schwäbische Bauernregel. Sodann galt vor Alters am Rhein der Lichtmeßtag für den Ehrentag der Verschwender und der leichtsinnigen Tauge¬ nichtse. Endlich mag der Umstand in Betracht zu ziehen sein, daß an diesem Tage bei Tübingen und in schwäbisch-Hall das Gesinde „wandert" d. h)ab- und anzieht. Ebenso findet am Niederrhein und im Oberbergischen auf Licht¬ meß der Dienstwechsel statt und die nächsten drei Tage feierten Knechte und Mägde. Wie viel von der Bedeutung der Tage zwischen Lichtmeß und Fastnacht Erinnerung an das heidnische Fest des Februar ist, lassen wir dahingestellt. Doch mag einiges davon hier Platz finden. Am Tage nach Lichtmesse, also am 3. Februar, der dem Se. Blasius geweiht ist, werden in niederrheinischen katholischen Gemeinden die Hälse gesegnet, damit sie vor Kröpfen gesichert sind. Am Agathentage, den S.Februar, kleben die Bauern in der Gegend von- Marbach und Friedingen in Schwaben Zettel mit Sprüchen und Beschwörun¬ gen an ihre Thüren, um die Häuser vor Feuer zu schützen. Am Tage der heiligen Apollonia, den 9. Februar, muß der mit Zahnschmerzen Behaftete sich im Namen der Heiligen mit einem eisernen Nagel das Zahnfleisch blutig ritzen und den Nagel dann in einen Lindenbaum schlagen, so hört der Schmerz für das ganze folgende Jahr auf. Der Valentinstag (14. Februar) ist ein Un¬ glückstag. Das dann geworfene Fohlen oder Kalb mißräth und die dann ge¬ setzte Henne brütet die Eier faul. Dagegen ist Petri Stuhlfeier ein Glücks¬ tag. Macht man an diesem Tage (22. Februar) den Hühnern Nester, so be¬ kommt man viele Eier von ihnen; auch war er zu Beschwörungen zu empfeh¬ len. Namentlich vertrieb früher der westphcilische Bauer an ihm die Schlangen und Molche durch eine gewisse Ceremonie aus Stall und Haus. Morgens 21*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/171>, abgerufen am 25.08.2024.