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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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wendig sein wird und da sie eine Hauptfrage für uns betrifft, ausführlicher
behandelt werden muß, als es in anderm Zusammenhange erforderlich sein
würde. "

Die Volkssprache in Schleswig ist, wenn wir von Angeln absehen,
stets eine dreifache gewesen: die plattdeutsche, die friesische und die plattdänische.
In dem südöstlichen Theile des Herzogthums, von der Eider und Levinsau
bis an die Schlei, das Danucwerk und die Treene wohnten von jeher Nieder¬
sachsen. Den Südwesten des Landes von der Eider und Treene bis zur Widau
bei Tondern hatten die Friesen inne. Den Norden und die Mitte zwischen
Angeln und Friesen bewohnten Juden. In dieser Abgrenzung des Sprachgebiets
ist im Laufe der Zeit eine Aenderung eingetreten. Ein so totaler Umschwung
ist jedoch nicht vorgegangen, wie er in einem großen Theile Deutschlands,
z. B. Ostholstcin, Mecklenburg, Pommern und Brandenburg stattgefunden hat,
Gegenden, wo einst bekanntlich die wendische Sprache herrschte, während dort
jetzt nur deutsch gesprochen wird. Vielmehr beschränkt sich jene Veränderung
in Schleswig darauf, daß infolge naturgemäßer Entwicklung der Verhältnisse
das friesische und das plattdänische Sprachgebiet etwas kleiner, das deutsche
dagegen beträchtlich größer geworden ist.

Das friesische Sprachgebiet hat nämlich im Süden wie im Norden an
Umfang eingebüßt. Im Süden, namentlich in Eiderstedt, auf den Inseln
Pelworm und Nordstrand, so wie im südlichen Theile des Amtes Husum ist das
Plattdeutsche an die Stelle des Friesischen getreten, während im Norden
das Plattdänische einige Kirchspiele mit etwa viertausend Einwohnern er¬
obert hat.

Das ursprünglich plattdänische Sprachgebiet, welches sich solchergestalt im
Nordwesten des Landes, wenn gleich nicht bedeutend, erweitert hat, ist dagegen
im Südosten sehr beträchtlich zurückgetreten, indem es, wie bemerkt, fast ganz
Angeln mit seinen funfzigtausend Einwohnern und die unmittelbar hinter dem
Daunewerk gelegenen Kirchspiele an die plattdeutsche Sprache verloren hat.

Im Centrum des Landes, zwischen den Städten Tondern, Bredstedt und
Flensburg liegen ferner 16 bis 20 Kirchspiele mit einer Bevölkerung von cirea
20,000 Einwohnern, wo dänisch und deutsch zugleich gesprochen wird, während
die Kirchen- und Schulsprache von alter Zeit her bis auf die letzten Verände¬
rungen die deutsche war. Wie die Bewohner dieses Bezirkes KilmAues sind,
so bewegen sich die Friesen da, wo die friesische, die dänische und die deutsche
Sprache zusammentreffen, mit Leichtigkeit in allen drei Sprachen.

Die Grenze des deutschen und des dänischen Sprachgebiets wird, wenn
man jene gemischten Districte und die Friesen zum erstern rechnet, durch eine
Linie bezeichnet, die vom flensburger Meerbusen bis an die Mündung der
Widau in die Nordsee -- oberhalb Tondern -- hinüberreicht. In Zahlen and,-


Grenzbolc". I. -186". -18

wendig sein wird und da sie eine Hauptfrage für uns betrifft, ausführlicher
behandelt werden muß, als es in anderm Zusammenhange erforderlich sein
würde. "

Die Volkssprache in Schleswig ist, wenn wir von Angeln absehen,
stets eine dreifache gewesen: die plattdeutsche, die friesische und die plattdänische.
In dem südöstlichen Theile des Herzogthums, von der Eider und Levinsau
bis an die Schlei, das Danucwerk und die Treene wohnten von jeher Nieder¬
sachsen. Den Südwesten des Landes von der Eider und Treene bis zur Widau
bei Tondern hatten die Friesen inne. Den Norden und die Mitte zwischen
Angeln und Friesen bewohnten Juden. In dieser Abgrenzung des Sprachgebiets
ist im Laufe der Zeit eine Aenderung eingetreten. Ein so totaler Umschwung
ist jedoch nicht vorgegangen, wie er in einem großen Theile Deutschlands,
z. B. Ostholstcin, Mecklenburg, Pommern und Brandenburg stattgefunden hat,
Gegenden, wo einst bekanntlich die wendische Sprache herrschte, während dort
jetzt nur deutsch gesprochen wird. Vielmehr beschränkt sich jene Veränderung
in Schleswig darauf, daß infolge naturgemäßer Entwicklung der Verhältnisse
das friesische und das plattdänische Sprachgebiet etwas kleiner, das deutsche
dagegen beträchtlich größer geworden ist.

Das friesische Sprachgebiet hat nämlich im Süden wie im Norden an
Umfang eingebüßt. Im Süden, namentlich in Eiderstedt, auf den Inseln
Pelworm und Nordstrand, so wie im südlichen Theile des Amtes Husum ist das
Plattdeutsche an die Stelle des Friesischen getreten, während im Norden
das Plattdänische einige Kirchspiele mit etwa viertausend Einwohnern er¬
obert hat.

Das ursprünglich plattdänische Sprachgebiet, welches sich solchergestalt im
Nordwesten des Landes, wenn gleich nicht bedeutend, erweitert hat, ist dagegen
im Südosten sehr beträchtlich zurückgetreten, indem es, wie bemerkt, fast ganz
Angeln mit seinen funfzigtausend Einwohnern und die unmittelbar hinter dem
Daunewerk gelegenen Kirchspiele an die plattdeutsche Sprache verloren hat.

Im Centrum des Landes, zwischen den Städten Tondern, Bredstedt und
Flensburg liegen ferner 16 bis 20 Kirchspiele mit einer Bevölkerung von cirea
20,000 Einwohnern, wo dänisch und deutsch zugleich gesprochen wird, während
die Kirchen- und Schulsprache von alter Zeit her bis auf die letzten Verände¬
rungen die deutsche war. Wie die Bewohner dieses Bezirkes KilmAues sind,
so bewegen sich die Friesen da, wo die friesische, die dänische und die deutsche
Sprache zusammentreffen, mit Leichtigkeit in allen drei Sprachen.

Die Grenze des deutschen und des dänischen Sprachgebiets wird, wenn
man jene gemischten Districte und die Friesen zum erstern rechnet, durch eine
Linie bezeichnet, die vom flensburger Meerbusen bis an die Mündung der
Widau in die Nordsee — oberhalb Tondern — hinüberreicht. In Zahlen and,-


Grenzbolc». I. -186». -18
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[0145] wendig sein wird und da sie eine Hauptfrage für uns betrifft, ausführlicher behandelt werden muß, als es in anderm Zusammenhange erforderlich sein würde. " Die Volkssprache in Schleswig ist, wenn wir von Angeln absehen, stets eine dreifache gewesen: die plattdeutsche, die friesische und die plattdänische. In dem südöstlichen Theile des Herzogthums, von der Eider und Levinsau bis an die Schlei, das Danucwerk und die Treene wohnten von jeher Nieder¬ sachsen. Den Südwesten des Landes von der Eider und Treene bis zur Widau bei Tondern hatten die Friesen inne. Den Norden und die Mitte zwischen Angeln und Friesen bewohnten Juden. In dieser Abgrenzung des Sprachgebiets ist im Laufe der Zeit eine Aenderung eingetreten. Ein so totaler Umschwung ist jedoch nicht vorgegangen, wie er in einem großen Theile Deutschlands, z. B. Ostholstcin, Mecklenburg, Pommern und Brandenburg stattgefunden hat, Gegenden, wo einst bekanntlich die wendische Sprache herrschte, während dort jetzt nur deutsch gesprochen wird. Vielmehr beschränkt sich jene Veränderung in Schleswig darauf, daß infolge naturgemäßer Entwicklung der Verhältnisse das friesische und das plattdänische Sprachgebiet etwas kleiner, das deutsche dagegen beträchtlich größer geworden ist. Das friesische Sprachgebiet hat nämlich im Süden wie im Norden an Umfang eingebüßt. Im Süden, namentlich in Eiderstedt, auf den Inseln Pelworm und Nordstrand, so wie im südlichen Theile des Amtes Husum ist das Plattdeutsche an die Stelle des Friesischen getreten, während im Norden das Plattdänische einige Kirchspiele mit etwa viertausend Einwohnern er¬ obert hat. Das ursprünglich plattdänische Sprachgebiet, welches sich solchergestalt im Nordwesten des Landes, wenn gleich nicht bedeutend, erweitert hat, ist dagegen im Südosten sehr beträchtlich zurückgetreten, indem es, wie bemerkt, fast ganz Angeln mit seinen funfzigtausend Einwohnern und die unmittelbar hinter dem Daunewerk gelegenen Kirchspiele an die plattdeutsche Sprache verloren hat. Im Centrum des Landes, zwischen den Städten Tondern, Bredstedt und Flensburg liegen ferner 16 bis 20 Kirchspiele mit einer Bevölkerung von cirea 20,000 Einwohnern, wo dänisch und deutsch zugleich gesprochen wird, während die Kirchen- und Schulsprache von alter Zeit her bis auf die letzten Verände¬ rungen die deutsche war. Wie die Bewohner dieses Bezirkes KilmAues sind, so bewegen sich die Friesen da, wo die friesische, die dänische und die deutsche Sprache zusammentreffen, mit Leichtigkeit in allen drei Sprachen. Die Grenze des deutschen und des dänischen Sprachgebiets wird, wenn man jene gemischten Districte und die Friesen zum erstern rechnet, durch eine Linie bezeichnet, die vom flensburger Meerbusen bis an die Mündung der Widau in die Nordsee — oberhalb Tondern — hinüberreicht. In Zahlen and,- Grenzbolc». I. -186». -18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/145>, abgerufen am 23.07.2024.