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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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dem, was sie fühlte, da sie ihn sah > als aus dem, was sie las, wenn sie in
seinen Werken so oft mit tiefer Rührung ihn bewundert u. s. w." (Spazier.)

Im Juli 1797 trat ihm eine dritte Titanide entgegen, Emilie v. Ber-
lepsch, eine junge, schone und geniale Witwe, die aus der Schweiz kam.
"Jean Paul", erzählt sein Biograph IV. S. 71 , "war durch diese glühende
Seele auf das heftigste entzündet, indem seine Phantasie an jeder neuen Er¬
scheinung alle Tugenden der früheren zusammenfand. Sie traf grade zu
einer Zeit ein, als des Dichters Mutter dem Tode entgegenkräukelte. Trotz¬
dem vermochte Emilie soviel über ihn, und der für seinen Titan aus dieser
neuen Bekanntschaft ihm sich versprechende Gewinn erschien ihm so bedeutend:
daß er die kranke Mutter auf mehre Tage zu verlassen und der neuen Freun¬
din nach Eger und Franzensbad zu folgen wagte. Doch eben im höchsten
Rausche des Genusses poetischer Gefühlsschwelgerci an der Seite dieser schönen
und geistreichen Frau, die ihn übrigens mehr mit der Phantasie als dem
Herzen liebte, und darum seinen Geist umsomehr gefesselt hielt, weil sie ihm
von Sinnlichkeit durchaus rein erschien; -- schreckte ihn plötzlich der Donner¬
schlag von dem unterdes; erfolgten Tode seiner Mutter auf ... . in deren
Nachlaß er ein Büchlein fand, in welchem sie aufgezeichnet, was sie sich in
ihren Nächten durch spinnen verdient." -- Daß der Sohn diesen Umstand
gern und mit Gefühl erzählte, bezeichnete seine vornehme Bekanntschaft als
einen der rührendsten Züge in seinem Charakter! !

So verließ nun, Oetober 1797, Jean Paul seine Heimath und begab sich
mit Emilie nach Leipzig. Hier aber fand sich seine Seele sehr verstimmt, denn
während die Aristokratie auf den Knien vor ihm gelegen, wollte sich der Bür¬
ger und Kaufmann auf gleichen Fuß mit ihm stellen. Außerdem wurde ihm
das Verhältniß mit der Berlepsch unerträglich.


"Ihre Seele hing an meiner, heißer als ich an ihrer. Sie bekam über einige meiner Er¬
klärungen Blutspeien, Ohnmachten, fürchterliche Zustände; ich erlebte Scenen, die noch keine
Feder gemalt/ Einmal an einem Morgen (den !Z, Jänner), unter dem Machen einer Satire
von Leibgebcr, ging mein Inneres auseinander ; ich kam Abends und sagte ihr die Ehe zu. Sie
will thun, was ich will, will mir das Landgut kaufen, wo ich will, am Neckar, am Rhein,
in der Schweiz, im Voigtland. So liebe" und achten wird mich keine mehr, wie diese und
doch ist mein Schicksal uoch nicht entschieden von -- mir." --

Das Verhältniß löste sich in Freundschaft auf, Jean Paul begleitete sie
noch nach Dresden im März 1798. Ein neuer Besuch in Weimar bestimmte
ihn, sich im Oetober ganz überzusiedeln. Das Bündniß mit Jacobi und Herder
wurde enger; sie wollten zusammen eine Zeitschrift herausgeben, und Herder
besprach mit ihm seine Metakritik, den großen Krieg gegen die Kantische Phi¬
losophie, mit der Jean Paul schon früher kleine, unbekannt gebliebene Plän¬
keleien gehabt. Jean Paul selbst gab damals seine Briefe und bevorstehenden
Lebenslauf heraus, in denen die Kantische Philosophie und die Schlegel-


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dem, was sie fühlte, da sie ihn sah > als aus dem, was sie las, wenn sie in
seinen Werken so oft mit tiefer Rührung ihn bewundert u. s. w." (Spazier.)

Im Juli 1797 trat ihm eine dritte Titanide entgegen, Emilie v. Ber-
lepsch, eine junge, schone und geniale Witwe, die aus der Schweiz kam.
„Jean Paul", erzählt sein Biograph IV. S. 71 , „war durch diese glühende
Seele auf das heftigste entzündet, indem seine Phantasie an jeder neuen Er¬
scheinung alle Tugenden der früheren zusammenfand. Sie traf grade zu
einer Zeit ein, als des Dichters Mutter dem Tode entgegenkräukelte. Trotz¬
dem vermochte Emilie soviel über ihn, und der für seinen Titan aus dieser
neuen Bekanntschaft ihm sich versprechende Gewinn erschien ihm so bedeutend:
daß er die kranke Mutter auf mehre Tage zu verlassen und der neuen Freun¬
din nach Eger und Franzensbad zu folgen wagte. Doch eben im höchsten
Rausche des Genusses poetischer Gefühlsschwelgerci an der Seite dieser schönen
und geistreichen Frau, die ihn übrigens mehr mit der Phantasie als dem
Herzen liebte, und darum seinen Geist umsomehr gefesselt hielt, weil sie ihm
von Sinnlichkeit durchaus rein erschien; — schreckte ihn plötzlich der Donner¬
schlag von dem unterdes; erfolgten Tode seiner Mutter auf ... . in deren
Nachlaß er ein Büchlein fand, in welchem sie aufgezeichnet, was sie sich in
ihren Nächten durch spinnen verdient." — Daß der Sohn diesen Umstand
gern und mit Gefühl erzählte, bezeichnete seine vornehme Bekanntschaft als
einen der rührendsten Züge in seinem Charakter! !

So verließ nun, Oetober 1797, Jean Paul seine Heimath und begab sich
mit Emilie nach Leipzig. Hier aber fand sich seine Seele sehr verstimmt, denn
während die Aristokratie auf den Knien vor ihm gelegen, wollte sich der Bür¬
ger und Kaufmann auf gleichen Fuß mit ihm stellen. Außerdem wurde ihm
das Verhältniß mit der Berlepsch unerträglich.


„Ihre Seele hing an meiner, heißer als ich an ihrer. Sie bekam über einige meiner Er¬
klärungen Blutspeien, Ohnmachten, fürchterliche Zustände; ich erlebte Scenen, die noch keine
Feder gemalt/ Einmal an einem Morgen (den !Z, Jänner), unter dem Machen einer Satire
von Leibgebcr, ging mein Inneres auseinander ; ich kam Abends und sagte ihr die Ehe zu. Sie
will thun, was ich will, will mir das Landgut kaufen, wo ich will, am Neckar, am Rhein,
in der Schweiz, im Voigtland. So liebe» und achten wird mich keine mehr, wie diese und
doch ist mein Schicksal uoch nicht entschieden von — mir." —

Das Verhältniß löste sich in Freundschaft auf, Jean Paul begleitete sie
noch nach Dresden im März 1798. Ein neuer Besuch in Weimar bestimmte
ihn, sich im Oetober ganz überzusiedeln. Das Bündniß mit Jacobi und Herder
wurde enger; sie wollten zusammen eine Zeitschrift herausgeben, und Herder
besprach mit ihm seine Metakritik, den großen Krieg gegen die Kantische Phi¬
losophie, mit der Jean Paul schon früher kleine, unbekannt gebliebene Plän¬
keleien gehabt. Jean Paul selbst gab damals seine Briefe und bevorstehenden
Lebenslauf heraus, in denen die Kantische Philosophie und die Schlegel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/99>, abgerufen am 22.12.2024.