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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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vor den energischer" Halbblutrayen, aus denen sich das Heer recrutirt, beu¬
gen müssen.

Der Deutschamerikaner ließ sich dem Präsidenten vorstellen und trug ihm
seine Angelegenheit vor. Castilla warf ihm einen scheelen, mißtrauischen Blick
zu und frug, ob die Gesellschaft mit Pässen des nordamerikanischen Gesandten
in Lima versehen sei, was leider verneint werden mußte. Darauf befahl er
ohne weiteres Besinnen, daß der Polizeivräfect Sorge zu tragen habe, daß
die Fremdlinge die Stadt binnen 2i Stunden in der Richtung, in der sie ge¬
kommen, verließen.

Eigentlich, meinte er, sollte er sie gar nicht ruhig ziehen lassen, denn
Briefe von der Küste versicherten ihm, daß sich bewaffnete Nordamerikaner auf
der Straße befänden, um gegen ihn zu conspiriren. Als darauf der Abgeord¬
nete zum Beweis der politischen Harmlosigkeit der Erpedition einen Empfeh¬
lungsbrief hervorzog, den ihnen der früher erwähnte Dr, E. an einen Freund
in Cuzco, den Obersten B., mitgegeben, machte er die Sache nur schlimmer.
Ich lese keine Briefe, sagte Castilla, theilen Sie mir seinen Inhalt mündlich
mit; zufällig aber warf er einen Blick auf die Adresse und rief nun aus: "Wie!
Sie wagen mir einen Brief mit solcher Bestimmung zu geben? Das ist einer
der eifrigsten in der schlechten Sache!" und nachdem er die Unterschrift gelesen
hatte, übergab er das Schreiben mit den Worten "ich kenne den Intriguanten,
prüfen Sie den Brief auf das sorgfältigste," dem Secretär und verließ, dem
Abgeordneten noch einen andern vernichtenden Blick zuschleudernd, das Zimmer.
Der verhängnißvolle Brief enthielt nun allerdings weiter nichts als eine Mit¬
theilung der Pläne der Gesellschaft, mit der Bitte, ihr zur Erreichung dersel¬
ben behilflich zu sein; aber der Absender, Dr. E., hatte einen Sohn im Heere
Echeniques und Oberst B., an den er gerichtet war, galt für einen entschiede¬
nen Anhänger des lunarischer Präsidenten, obgleich er an der gegenwärtigen
Bewegung keinen thätigen Antheil genommen hatte. Dies und die Abwesen¬
heit von Pässen des nordamerikanischen Gesandten in Lima, der für einen
Begünstiger der Pläne Castillas galt, genügte dem mißtrauischen Charakter
deS Revolutionsgenerals und er verschärfte seinen frühern Befehl noch damit,
daß er jeden von den Amerikanern, der binnen 2i- Stunden noch in der
Stadr betroffen würde, in Eisen zu legen drohte. Trotz dieses schroffen Be¬
scheids gab der Abgeordnete seine Sache noch nicht auf, sondern trat dem
General, als dieser wieder im Zimmer erschien, .entgegen und betheuerte ihm,
daß seine Excellenz nirgends bessere Freunde finden könnte und daß es höchst
bedrückend wäre, sich grade von dem großen Manne verkannt zu sehen, von
dem seine Auftraggeber allein auf Unterstützung gehofft hätten. Vielleicht aus
Neugier, vielleicht durch eine der Bemerkungen frappirt, blieb der General
einen Augenblick stehen und diesen günstigen Moment ergriff nun rasch der


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vor den energischer« Halbblutrayen, aus denen sich das Heer recrutirt, beu¬
gen müssen.

Der Deutschamerikaner ließ sich dem Präsidenten vorstellen und trug ihm
seine Angelegenheit vor. Castilla warf ihm einen scheelen, mißtrauischen Blick
zu und frug, ob die Gesellschaft mit Pässen des nordamerikanischen Gesandten
in Lima versehen sei, was leider verneint werden mußte. Darauf befahl er
ohne weiteres Besinnen, daß der Polizeivräfect Sorge zu tragen habe, daß
die Fremdlinge die Stadt binnen 2i Stunden in der Richtung, in der sie ge¬
kommen, verließen.

Eigentlich, meinte er, sollte er sie gar nicht ruhig ziehen lassen, denn
Briefe von der Küste versicherten ihm, daß sich bewaffnete Nordamerikaner auf
der Straße befänden, um gegen ihn zu conspiriren. Als darauf der Abgeord¬
nete zum Beweis der politischen Harmlosigkeit der Erpedition einen Empfeh¬
lungsbrief hervorzog, den ihnen der früher erwähnte Dr, E. an einen Freund
in Cuzco, den Obersten B., mitgegeben, machte er die Sache nur schlimmer.
Ich lese keine Briefe, sagte Castilla, theilen Sie mir seinen Inhalt mündlich
mit; zufällig aber warf er einen Blick auf die Adresse und rief nun aus: „Wie!
Sie wagen mir einen Brief mit solcher Bestimmung zu geben? Das ist einer
der eifrigsten in der schlechten Sache!" und nachdem er die Unterschrift gelesen
hatte, übergab er das Schreiben mit den Worten „ich kenne den Intriguanten,
prüfen Sie den Brief auf das sorgfältigste," dem Secretär und verließ, dem
Abgeordneten noch einen andern vernichtenden Blick zuschleudernd, das Zimmer.
Der verhängnißvolle Brief enthielt nun allerdings weiter nichts als eine Mit¬
theilung der Pläne der Gesellschaft, mit der Bitte, ihr zur Erreichung dersel¬
ben behilflich zu sein; aber der Absender, Dr. E., hatte einen Sohn im Heere
Echeniques und Oberst B., an den er gerichtet war, galt für einen entschiede¬
nen Anhänger des lunarischer Präsidenten, obgleich er an der gegenwärtigen
Bewegung keinen thätigen Antheil genommen hatte. Dies und die Abwesen¬
heit von Pässen des nordamerikanischen Gesandten in Lima, der für einen
Begünstiger der Pläne Castillas galt, genügte dem mißtrauischen Charakter
deS Revolutionsgenerals und er verschärfte seinen frühern Befehl noch damit,
daß er jeden von den Amerikanern, der binnen 2i- Stunden noch in der
Stadr betroffen würde, in Eisen zu legen drohte. Trotz dieses schroffen Be¬
scheids gab der Abgeordnete seine Sache noch nicht auf, sondern trat dem
General, als dieser wieder im Zimmer erschien, .entgegen und betheuerte ihm,
daß seine Excellenz nirgends bessere Freunde finden könnte und daß es höchst
bedrückend wäre, sich grade von dem großen Manne verkannt zu sehen, von
dem seine Auftraggeber allein auf Unterstützung gehofft hätten. Vielleicht aus
Neugier, vielleicht durch eine der Bemerkungen frappirt, blieb der General
einen Augenblick stehen und diesen günstigen Moment ergriff nun rasch der


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[0515] vor den energischer« Halbblutrayen, aus denen sich das Heer recrutirt, beu¬ gen müssen. Der Deutschamerikaner ließ sich dem Präsidenten vorstellen und trug ihm seine Angelegenheit vor. Castilla warf ihm einen scheelen, mißtrauischen Blick zu und frug, ob die Gesellschaft mit Pässen des nordamerikanischen Gesandten in Lima versehen sei, was leider verneint werden mußte. Darauf befahl er ohne weiteres Besinnen, daß der Polizeivräfect Sorge zu tragen habe, daß die Fremdlinge die Stadt binnen 2i Stunden in der Richtung, in der sie ge¬ kommen, verließen. Eigentlich, meinte er, sollte er sie gar nicht ruhig ziehen lassen, denn Briefe von der Küste versicherten ihm, daß sich bewaffnete Nordamerikaner auf der Straße befänden, um gegen ihn zu conspiriren. Als darauf der Abgeord¬ nete zum Beweis der politischen Harmlosigkeit der Erpedition einen Empfeh¬ lungsbrief hervorzog, den ihnen der früher erwähnte Dr, E. an einen Freund in Cuzco, den Obersten B., mitgegeben, machte er die Sache nur schlimmer. Ich lese keine Briefe, sagte Castilla, theilen Sie mir seinen Inhalt mündlich mit; zufällig aber warf er einen Blick auf die Adresse und rief nun aus: „Wie! Sie wagen mir einen Brief mit solcher Bestimmung zu geben? Das ist einer der eifrigsten in der schlechten Sache!" und nachdem er die Unterschrift gelesen hatte, übergab er das Schreiben mit den Worten „ich kenne den Intriguanten, prüfen Sie den Brief auf das sorgfältigste," dem Secretär und verließ, dem Abgeordneten noch einen andern vernichtenden Blick zuschleudernd, das Zimmer. Der verhängnißvolle Brief enthielt nun allerdings weiter nichts als eine Mit¬ theilung der Pläne der Gesellschaft, mit der Bitte, ihr zur Erreichung dersel¬ ben behilflich zu sein; aber der Absender, Dr. E., hatte einen Sohn im Heere Echeniques und Oberst B., an den er gerichtet war, galt für einen entschiede¬ nen Anhänger des lunarischer Präsidenten, obgleich er an der gegenwärtigen Bewegung keinen thätigen Antheil genommen hatte. Dies und die Abwesen¬ heit von Pässen des nordamerikanischen Gesandten in Lima, der für einen Begünstiger der Pläne Castillas galt, genügte dem mißtrauischen Charakter deS Revolutionsgenerals und er verschärfte seinen frühern Befehl noch damit, daß er jeden von den Amerikanern, der binnen 2i- Stunden noch in der Stadr betroffen würde, in Eisen zu legen drohte. Trotz dieses schroffen Be¬ scheids gab der Abgeordnete seine Sache noch nicht auf, sondern trat dem General, als dieser wieder im Zimmer erschien, .entgegen und betheuerte ihm, daß seine Excellenz nirgends bessere Freunde finden könnte und daß es höchst bedrückend wäre, sich grade von dem großen Manne verkannt zu sehen, von dem seine Auftraggeber allein auf Unterstützung gehofft hätten. Vielleicht aus Neugier, vielleicht durch eine der Bemerkungen frappirt, blieb der General einen Augenblick stehen und diesen günstigen Moment ergriff nun rasch der 6i*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/515>, abgerufen am 22.12.2024.