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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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die Gegenwart von 20 wohlbewaffneten Nordamerikanern, die ihnen wie eine
Art Nordlandsrecken erscheinen mochten, ein nicht geringer Trost. Anfangs
hatte man sich von ihnen als Ketzern wol scheu zurückgezogen; die Angst vor
den Indianern heilte aber wunderbar rasch die Zweifel an der Rechtgläubigkeit
der Fremdlinge und die ganze Stadt schleppte ihre Habseligkeiten nach dem
Corral, den die Amerikaner zur Herberge erwählt hatten und freudestrahlend
flüsterten sich auf den Straßen die Spießbürger deö Orts zu, wie einzelne, als
Spione in die Stadt geschundene Indianer sich beim Anblick der bewaffneten
UankeeS erschrocken wieder zurückgezogen hätten. Eine Bitte der Stadtbewoh¬
ner, sie bei der Bildung einer Nationalgarde zu unterstützen, lehnten jedoch
die Amerikaner klüglich ab; sie wollten Gold im Lande suchen und keine Po¬
litik treiben und standen mit Recht an, für eine der kämpfenden Parteien auf¬
zutreten, da jede noch die Oberhand gewinnen konnte.

Die mehrfach erwähnten Morochucos sind neben den JscuchanoS fast die
einzigen Jnvianerstämme, welche ihre alte Volkseigenthümlichkeit bewahrt haben.
Aber während der Stamm der JscuchanoS unabhängig von der peruanischen
Regierung, welcher er nie einen Tribut bezahlt hat, auf den lieblichen Berg¬
halden um Huanta lebt und jetzt noch nur den Rey als seinen Herrn aner¬
kennt, thut sich der Morochuco, ein die herdenreichen Pampas der kalten
Puna bewohnendes Reitervolk, viel auf seine republikanische Gesinnung zu
Gute. Er schreibt sich einen großen Theil des Ruhms der günstigen Ent¬
scheidung der Freiheitsschlacht von Ayacucho, die der spanischen Herrschaft in
Südamerika den letzten Stoß versetzte, zu und hat sich seitdem stets mit Eifer
an allen Revolutionen betheiligt. Zwischen ihm und der seinem Sitz nahe¬
gelegenen Stadt Ayacucho, die in Vergleich mit ihrer Umgebung und nach
peruanischen Begriffen reich genannt werden kann, hat stets die größte Feind¬
schaft bestanden und es darf daher nicht Wunder nehmen, daß die Bewohner
derselben, trotz der Proclamationen Castillas, welcher jede Plünderung aufs
strengste zu ahnden drohte, einige Besorgniß für ihr Eigenthum fühlten.

Reisefertig waren die Uankees, aber aufbrechen konnten sie noch nicht.
Ohne Rücksicht auf die politischen Zustände des Landes zu nehmen, hatten sie
sich in Lima von der dortigen Negierung Pässe nach dem Amazonenstrom aus¬
stellen lassen, die, als sie in die Gegenden kamen, welche die Revolution an¬
erkannt hatten, von den Behörden nicht für giltig angesehen wurden. Da
ihnen zudem bei dem Abzug der Negierungötruppen General Deustua sämmt¬
liche Papiere abgenommen hatte, so blieb ihnen nichts übrig, als die Ankunft
Castillas abzuwarten, der in einigen Tagen eintreffen sollte und von dessen
Gunst sie allein hoffen durften, Erlaubniß zur Fortsetzung ihrer Reise zu be¬
kommen. Bereits am nächsten Sonntag langte die Nachricht an, daß der Re-
vvlutionsgeneral nur noch zwei Leguas von der Stadt entfernt sei und noch


die Gegenwart von 20 wohlbewaffneten Nordamerikanern, die ihnen wie eine
Art Nordlandsrecken erscheinen mochten, ein nicht geringer Trost. Anfangs
hatte man sich von ihnen als Ketzern wol scheu zurückgezogen; die Angst vor
den Indianern heilte aber wunderbar rasch die Zweifel an der Rechtgläubigkeit
der Fremdlinge und die ganze Stadt schleppte ihre Habseligkeiten nach dem
Corral, den die Amerikaner zur Herberge erwählt hatten und freudestrahlend
flüsterten sich auf den Straßen die Spießbürger deö Orts zu, wie einzelne, als
Spione in die Stadt geschundene Indianer sich beim Anblick der bewaffneten
UankeeS erschrocken wieder zurückgezogen hätten. Eine Bitte der Stadtbewoh¬
ner, sie bei der Bildung einer Nationalgarde zu unterstützen, lehnten jedoch
die Amerikaner klüglich ab; sie wollten Gold im Lande suchen und keine Po¬
litik treiben und standen mit Recht an, für eine der kämpfenden Parteien auf¬
zutreten, da jede noch die Oberhand gewinnen konnte.

Die mehrfach erwähnten Morochucos sind neben den JscuchanoS fast die
einzigen Jnvianerstämme, welche ihre alte Volkseigenthümlichkeit bewahrt haben.
Aber während der Stamm der JscuchanoS unabhängig von der peruanischen
Regierung, welcher er nie einen Tribut bezahlt hat, auf den lieblichen Berg¬
halden um Huanta lebt und jetzt noch nur den Rey als seinen Herrn aner¬
kennt, thut sich der Morochuco, ein die herdenreichen Pampas der kalten
Puna bewohnendes Reitervolk, viel auf seine republikanische Gesinnung zu
Gute. Er schreibt sich einen großen Theil des Ruhms der günstigen Ent¬
scheidung der Freiheitsschlacht von Ayacucho, die der spanischen Herrschaft in
Südamerika den letzten Stoß versetzte, zu und hat sich seitdem stets mit Eifer
an allen Revolutionen betheiligt. Zwischen ihm und der seinem Sitz nahe¬
gelegenen Stadt Ayacucho, die in Vergleich mit ihrer Umgebung und nach
peruanischen Begriffen reich genannt werden kann, hat stets die größte Feind¬
schaft bestanden und es darf daher nicht Wunder nehmen, daß die Bewohner
derselben, trotz der Proclamationen Castillas, welcher jede Plünderung aufs
strengste zu ahnden drohte, einige Besorgniß für ihr Eigenthum fühlten.

Reisefertig waren die Uankees, aber aufbrechen konnten sie noch nicht.
Ohne Rücksicht auf die politischen Zustände des Landes zu nehmen, hatten sie
sich in Lima von der dortigen Negierung Pässe nach dem Amazonenstrom aus¬
stellen lassen, die, als sie in die Gegenden kamen, welche die Revolution an¬
erkannt hatten, von den Behörden nicht für giltig angesehen wurden. Da
ihnen zudem bei dem Abzug der Negierungötruppen General Deustua sämmt¬
liche Papiere abgenommen hatte, so blieb ihnen nichts übrig, als die Ankunft
Castillas abzuwarten, der in einigen Tagen eintreffen sollte und von dessen
Gunst sie allein hoffen durften, Erlaubniß zur Fortsetzung ihrer Reise zu be¬
kommen. Bereits am nächsten Sonntag langte die Nachricht an, daß der Re-
vvlutionsgeneral nur noch zwei Leguas von der Stadt entfernt sei und noch


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[0512] die Gegenwart von 20 wohlbewaffneten Nordamerikanern, die ihnen wie eine Art Nordlandsrecken erscheinen mochten, ein nicht geringer Trost. Anfangs hatte man sich von ihnen als Ketzern wol scheu zurückgezogen; die Angst vor den Indianern heilte aber wunderbar rasch die Zweifel an der Rechtgläubigkeit der Fremdlinge und die ganze Stadt schleppte ihre Habseligkeiten nach dem Corral, den die Amerikaner zur Herberge erwählt hatten und freudestrahlend flüsterten sich auf den Straßen die Spießbürger deö Orts zu, wie einzelne, als Spione in die Stadt geschundene Indianer sich beim Anblick der bewaffneten UankeeS erschrocken wieder zurückgezogen hätten. Eine Bitte der Stadtbewoh¬ ner, sie bei der Bildung einer Nationalgarde zu unterstützen, lehnten jedoch die Amerikaner klüglich ab; sie wollten Gold im Lande suchen und keine Po¬ litik treiben und standen mit Recht an, für eine der kämpfenden Parteien auf¬ zutreten, da jede noch die Oberhand gewinnen konnte. Die mehrfach erwähnten Morochucos sind neben den JscuchanoS fast die einzigen Jnvianerstämme, welche ihre alte Volkseigenthümlichkeit bewahrt haben. Aber während der Stamm der JscuchanoS unabhängig von der peruanischen Regierung, welcher er nie einen Tribut bezahlt hat, auf den lieblichen Berg¬ halden um Huanta lebt und jetzt noch nur den Rey als seinen Herrn aner¬ kennt, thut sich der Morochuco, ein die herdenreichen Pampas der kalten Puna bewohnendes Reitervolk, viel auf seine republikanische Gesinnung zu Gute. Er schreibt sich einen großen Theil des Ruhms der günstigen Ent¬ scheidung der Freiheitsschlacht von Ayacucho, die der spanischen Herrschaft in Südamerika den letzten Stoß versetzte, zu und hat sich seitdem stets mit Eifer an allen Revolutionen betheiligt. Zwischen ihm und der seinem Sitz nahe¬ gelegenen Stadt Ayacucho, die in Vergleich mit ihrer Umgebung und nach peruanischen Begriffen reich genannt werden kann, hat stets die größte Feind¬ schaft bestanden und es darf daher nicht Wunder nehmen, daß die Bewohner derselben, trotz der Proclamationen Castillas, welcher jede Plünderung aufs strengste zu ahnden drohte, einige Besorgniß für ihr Eigenthum fühlten. Reisefertig waren die Uankees, aber aufbrechen konnten sie noch nicht. Ohne Rücksicht auf die politischen Zustände des Landes zu nehmen, hatten sie sich in Lima von der dortigen Negierung Pässe nach dem Amazonenstrom aus¬ stellen lassen, die, als sie in die Gegenden kamen, welche die Revolution an¬ erkannt hatten, von den Behörden nicht für giltig angesehen wurden. Da ihnen zudem bei dem Abzug der Negierungötruppen General Deustua sämmt¬ liche Papiere abgenommen hatte, so blieb ihnen nichts übrig, als die Ankunft Castillas abzuwarten, der in einigen Tagen eintreffen sollte und von dessen Gunst sie allein hoffen durften, Erlaubniß zur Fortsetzung ihrer Reise zu be¬ kommen. Bereits am nächsten Sonntag langte die Nachricht an, daß der Re- vvlutionsgeneral nur noch zwei Leguas von der Stadt entfernt sei und noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/512>, abgerufen am 22.07.2024.