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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Stambul lag es nicht wie früher, als hellere Aetherschicht, sondern wie eine schim¬
mernde, strahlende Lichtflut hin. Endlich, gegen neun Uhr hin, verdoppelte
sich der Glanz; ans dem feuchten Wasserthalc des Bosporus leuchteten zahlreiche
bengalische Flannueu aus, bis Kanonensalvcn verkündeten, daß der Sultan sein
Palais vou Tschiraghan verlassen habe und aus dem Wege zur großen Moschee
(Nnsrctie) vou Top Haue sei. Er befand sich in einem weiß emaillirter und mit
goldnen Zierrathen bedeckten Kalk, welches, wenn ich nicht irre, vou vierundzwanzig
Rudern bewegt wurde. Eine ganze Reihe von Prachtkaiks folgte ihm, in denen
die Großbeamten des Reichs, im Besondern anch der Tansimatconseii, Platz genommen
hatten. Es war ein unvergleichlicher Anblick, den diese Fahrt, welche als große
Staatsprocession vor sich ging, darbot. Die beiden Uferpunkte, zwischen denen der
Großherr sich in rascher Aufeinanderfolge befand, strahlten jedes Mal von bunten
bengalischen Flammen, welche ihren Schein in der Mitte der Meerenge zusammen-!
fließen ließen und die Gestalt des Padischah zugleich von Asien und Europa her
kenntlich machten. Als der Zug sich Top Haue näherte, empfingen ihn neue, rollende
Kanonensalvcn. Der Kaiser stieg hier aus und widmete beinahe zwei volle Stun-
den in der Moschee der Andacht. Inzwischen wogte das Volk in den Straßen
dieses Stadtthcils, während ohne Unterlaß Raketen und Leuchtkugeln zum Himmel
aufstiegen. Zu teurem Zeitpunkt bot vielleicht Stambul einen pittoreskere" Anblick
von dem bezeichneten Schaupunkte ans dar, der zwischen der Scrailspitze und Sku-
tari gelegen ist. Die drei Stadttriangel waren abwechselnd von grünem, ro¬
them und orangefarbenen Licht erleuchtet, jenachdem die tausend Schritt im
Durchmesser haltenden Wolken von Leuchtkugeln diesen oder jenen Schimmer aus-
gossen.

Um elf Uhr hatte der Großherr seine Gebete beendet und bestieg wiederum
das Kalk, um vou seinen Ministern geleitet uach dem Palais zurückzukehren. Die
Feierlichkeit schloß erst dicht vor Mitternacht, aber noch lange darnach wogten die
Menschenmassen durch die Straßen.




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als veraulwortl. Redacteur lcgilimirn F. W. Griin vo, -- Verlag von K. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.


Mit Ztr. TU beginnt diese Zeitschrift eilt neues -Quartal,
welches durch nlle BuchhaNdlun^en und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, Ende Juni 1853. Die Werlagshandlung.


Stambul lag es nicht wie früher, als hellere Aetherschicht, sondern wie eine schim¬
mernde, strahlende Lichtflut hin. Endlich, gegen neun Uhr hin, verdoppelte
sich der Glanz; ans dem feuchten Wasserthalc des Bosporus leuchteten zahlreiche
bengalische Flannueu aus, bis Kanonensalvcn verkündeten, daß der Sultan sein
Palais vou Tschiraghan verlassen habe und aus dem Wege zur großen Moschee
(Nnsrctie) vou Top Haue sei. Er befand sich in einem weiß emaillirter und mit
goldnen Zierrathen bedeckten Kalk, welches, wenn ich nicht irre, vou vierundzwanzig
Rudern bewegt wurde. Eine ganze Reihe von Prachtkaiks folgte ihm, in denen
die Großbeamten des Reichs, im Besondern anch der Tansimatconseii, Platz genommen
hatten. Es war ein unvergleichlicher Anblick, den diese Fahrt, welche als große
Staatsprocession vor sich ging, darbot. Die beiden Uferpunkte, zwischen denen der
Großherr sich in rascher Aufeinanderfolge befand, strahlten jedes Mal von bunten
bengalischen Flammen, welche ihren Schein in der Mitte der Meerenge zusammen-!
fließen ließen und die Gestalt des Padischah zugleich von Asien und Europa her
kenntlich machten. Als der Zug sich Top Haue näherte, empfingen ihn neue, rollende
Kanonensalvcn. Der Kaiser stieg hier aus und widmete beinahe zwei volle Stun-
den in der Moschee der Andacht. Inzwischen wogte das Volk in den Straßen
dieses Stadtthcils, während ohne Unterlaß Raketen und Leuchtkugeln zum Himmel
aufstiegen. Zu teurem Zeitpunkt bot vielleicht Stambul einen pittoreskere» Anblick
von dem bezeichneten Schaupunkte ans dar, der zwischen der Scrailspitze und Sku-
tari gelegen ist. Die drei Stadttriangel waren abwechselnd von grünem, ro¬
them und orangefarbenen Licht erleuchtet, jenachdem die tausend Schritt im
Durchmesser haltenden Wolken von Leuchtkugeln diesen oder jenen Schimmer aus-
gossen.

Um elf Uhr hatte der Großherr seine Gebete beendet und bestieg wiederum
das Kalk, um vou seinen Ministern geleitet uach dem Palais zurückzukehren. Die
Feierlichkeit schloß erst dicht vor Mitternacht, aber noch lange darnach wogten die
Menschenmassen durch die Straßen.




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als veraulwortl. Redacteur lcgilimirn F. W. Griin vo, — Verlag von K. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.


Mit Ztr. TU beginnt diese Zeitschrift eilt neues -Quartal,
welches durch nlle BuchhaNdlun^en und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, Ende Juni 1853. Die Werlagshandlung.


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[0048] Stambul lag es nicht wie früher, als hellere Aetherschicht, sondern wie eine schim¬ mernde, strahlende Lichtflut hin. Endlich, gegen neun Uhr hin, verdoppelte sich der Glanz; ans dem feuchten Wasserthalc des Bosporus leuchteten zahlreiche bengalische Flannueu aus, bis Kanonensalvcn verkündeten, daß der Sultan sein Palais vou Tschiraghan verlassen habe und aus dem Wege zur großen Moschee (Nnsrctie) vou Top Haue sei. Er befand sich in einem weiß emaillirter und mit goldnen Zierrathen bedeckten Kalk, welches, wenn ich nicht irre, vou vierundzwanzig Rudern bewegt wurde. Eine ganze Reihe von Prachtkaiks folgte ihm, in denen die Großbeamten des Reichs, im Besondern anch der Tansimatconseii, Platz genommen hatten. Es war ein unvergleichlicher Anblick, den diese Fahrt, welche als große Staatsprocession vor sich ging, darbot. Die beiden Uferpunkte, zwischen denen der Großherr sich in rascher Aufeinanderfolge befand, strahlten jedes Mal von bunten bengalischen Flammen, welche ihren Schein in der Mitte der Meerenge zusammen-! fließen ließen und die Gestalt des Padischah zugleich von Asien und Europa her kenntlich machten. Als der Zug sich Top Haue näherte, empfingen ihn neue, rollende Kanonensalvcn. Der Kaiser stieg hier aus und widmete beinahe zwei volle Stun- den in der Moschee der Andacht. Inzwischen wogte das Volk in den Straßen dieses Stadtthcils, während ohne Unterlaß Raketen und Leuchtkugeln zum Himmel aufstiegen. Zu teurem Zeitpunkt bot vielleicht Stambul einen pittoreskere» Anblick von dem bezeichneten Schaupunkte ans dar, der zwischen der Scrailspitze und Sku- tari gelegen ist. Die drei Stadttriangel waren abwechselnd von grünem, ro¬ them und orangefarbenen Licht erleuchtet, jenachdem die tausend Schritt im Durchmesser haltenden Wolken von Leuchtkugeln diesen oder jenen Schimmer aus- gossen. Um elf Uhr hatte der Großherr seine Gebete beendet und bestieg wiederum das Kalk, um vou seinen Ministern geleitet uach dem Palais zurückzukehren. Die Feierlichkeit schloß erst dicht vor Mitternacht, aber noch lange darnach wogten die Menschenmassen durch die Straßen. Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt. Als veraulwortl. Redacteur lcgilimirn F. W. Griin vo, — Verlag von K. L. Herbig in Leipzig. Druck von C. E. Elbert in Leipzig. Mit Ztr. TU beginnt diese Zeitschrift eilt neues -Quartal, welches durch nlle BuchhaNdlun^en und Postämter zu be¬ ziehen ist. Leipzig, Ende Juni 1853. Die Werlagshandlung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/48>, abgerufen am 22.12.2024.