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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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sonders anch durch Typhus und Skorbut, Letzteren Krankheiten scheinen noch im
April und Mai unermeßlich viel Opfer gefallen zu sein.

Die Verbündeten befolgen in Hinsicht auf ihre Verwundeten neuerdings ein
verändertes Verfahren, indem sie dieselben nicht mehr sofort hierher transportiren,
sondern sie in provisorischen Hospitälern unterbringen, die in Kamicsch und Valaklava
selbst errichtet sind, und zu deren Organisation Vor kurzem Miß Nigthingale und
Mr. Soyer von hier abgereist sind. Wie es heißt werden die Patienten, erst wenn
das Stadium der Genesung erreicht, nach Stambul befördert, um hier bis zum
Abgang uach Frankreich die nothwendigen Kräfte zu sammeln.

Von den in der vergangenen Woche hier im Umlauf gewesenen Gerüchten sind
die Verheerungen sehr übertrieben worden, welche die Cholera unter den Nlliirten
angerichtet haben soll. Dieselbe trat im hohen Grade nnr im Lager der Sar-
dinier ans,, wo auch der Bruder des Generals he La Marmora, gleichfalls Ge¬
neral, und Commandeur der piemontesischen Schützen (Bersaglicri) daran verstor¬
ben ist.

Im heute erschienenen Journal de Constantinople befindet sich eine amüsante
Mittheilung über die Art und Weise, in welcher die Nüssen vor ihrem Abzüge vou
Kertsch versucht hatten, ihre Geschützrohre zu verbergen. Man bemerkte auf dem
Kirchhofe eine große Menge frischer Gräber, eiues neben dem anderen, und da
man von den Einwohnern nicht hörte, daß eine Epidemie stark gewüthet, schöpfte
man Verdacht, eröffnete eine der Gruben und fand darin eine Kanone. Eine jede
der übrigen Gruben barg ebenfalls ein Geschütz.

Am vergangenen Montag wurden hier 13 russische Offiziere und 356 Unter¬
offiziere und Soldaten auf zwei Dampfern von Kamicsch als Gefangene eingebracht
und alsbald gelandet. Dieses geschah auf der ersten, seewärts gelegenen der drei
großen Brücken, welche über den Hafen (goldenes Horn) führen, und, wie sich
denken läßt, nnter einem außerordentlichen Andrang von Menschen. Soviel ich weiß
erhielten die Offiziere Erlaubniß, den Stambnler Bazar zu besuchen, und machten
daselbst vielfache Einkäufe. Die Gemeinen und Unteroffiziere waren anscheinend
lustig und guter Dinge.

Ich kann nicht unerwähnt lassen, daß ganz neuerdings hier Gerüchte im Um¬
lauf sind, wonach von den Russen Vorkehrungen getroffen würden, um die Krim
D räumen. Andere Gerüchte wollen behaupten, daß es lediglich auf ein Aufgeben
er Südseite von Sebastopol abgesehen sei, indem man, nachdem die Verbündeten
auf dem Mamelvn festen Fusi gefaßt, die Communication mit den Nordforts für
e rollt erachte, und die Besatzung nicht den etwaigen Chancen eines Sturmes aus¬
setzen wolle. Da der Platz zahlreiche Abschnitte hat, scheint diese letztere Annahme
bedeutend verfrüht zu sein. Die Räumung der Halbinsel selbst erscheint aber
solange durchaus unmotivirt, als die Verbindung der Russen mit Perekop unge¬
fährdet ist. Es ist meine Ansicht, und ich nehme keinen Anstand, sie wiederholt
Wr auszusprechen: daß diese Gefährdung sofort eintreten würde, wenn die Ver¬
bündeten sich entschlössen, eine bedeutende Heeresmassc bei Eupatoria zu con-
centriren.


sonders anch durch Typhus und Skorbut, Letzteren Krankheiten scheinen noch im
April und Mai unermeßlich viel Opfer gefallen zu sein.

Die Verbündeten befolgen in Hinsicht auf ihre Verwundeten neuerdings ein
verändertes Verfahren, indem sie dieselben nicht mehr sofort hierher transportiren,
sondern sie in provisorischen Hospitälern unterbringen, die in Kamicsch und Valaklava
selbst errichtet sind, und zu deren Organisation Vor kurzem Miß Nigthingale und
Mr. Soyer von hier abgereist sind. Wie es heißt werden die Patienten, erst wenn
das Stadium der Genesung erreicht, nach Stambul befördert, um hier bis zum
Abgang uach Frankreich die nothwendigen Kräfte zu sammeln.

Von den in der vergangenen Woche hier im Umlauf gewesenen Gerüchten sind
die Verheerungen sehr übertrieben worden, welche die Cholera unter den Nlliirten
angerichtet haben soll. Dieselbe trat im hohen Grade nnr im Lager der Sar-
dinier ans,, wo auch der Bruder des Generals he La Marmora, gleichfalls Ge¬
neral, und Commandeur der piemontesischen Schützen (Bersaglicri) daran verstor¬
ben ist.

Im heute erschienenen Journal de Constantinople befindet sich eine amüsante
Mittheilung über die Art und Weise, in welcher die Nüssen vor ihrem Abzüge vou
Kertsch versucht hatten, ihre Geschützrohre zu verbergen. Man bemerkte auf dem
Kirchhofe eine große Menge frischer Gräber, eiues neben dem anderen, und da
man von den Einwohnern nicht hörte, daß eine Epidemie stark gewüthet, schöpfte
man Verdacht, eröffnete eine der Gruben und fand darin eine Kanone. Eine jede
der übrigen Gruben barg ebenfalls ein Geschütz.

Am vergangenen Montag wurden hier 13 russische Offiziere und 356 Unter¬
offiziere und Soldaten auf zwei Dampfern von Kamicsch als Gefangene eingebracht
und alsbald gelandet. Dieses geschah auf der ersten, seewärts gelegenen der drei
großen Brücken, welche über den Hafen (goldenes Horn) führen, und, wie sich
denken läßt, nnter einem außerordentlichen Andrang von Menschen. Soviel ich weiß
erhielten die Offiziere Erlaubniß, den Stambnler Bazar zu besuchen, und machten
daselbst vielfache Einkäufe. Die Gemeinen und Unteroffiziere waren anscheinend
lustig und guter Dinge.

Ich kann nicht unerwähnt lassen, daß ganz neuerdings hier Gerüchte im Um¬
lauf sind, wonach von den Russen Vorkehrungen getroffen würden, um die Krim
D räumen. Andere Gerüchte wollen behaupten, daß es lediglich auf ein Aufgeben
er Südseite von Sebastopol abgesehen sei, indem man, nachdem die Verbündeten
auf dem Mamelvn festen Fusi gefaßt, die Communication mit den Nordforts für
e rollt erachte, und die Besatzung nicht den etwaigen Chancen eines Sturmes aus¬
setzen wolle. Da der Platz zahlreiche Abschnitte hat, scheint diese letztere Annahme
bedeutend verfrüht zu sein. Die Räumung der Halbinsel selbst erscheint aber
solange durchaus unmotivirt, als die Verbindung der Russen mit Perekop unge¬
fährdet ist. Es ist meine Ansicht, und ich nehme keinen Anstand, sie wiederholt
Wr auszusprechen: daß diese Gefährdung sofort eintreten würde, wenn die Ver¬
bündeten sich entschlössen, eine bedeutende Heeresmassc bei Eupatoria zu con-
centriren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/45>, abgerufen am 22.12.2024.