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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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unglaublichen Licht-, Blumen- und Stoffverschwendung, durchdrungen von Musik,
Wohlgeruch, dazu das Plätschern illuminirter Wasserfälle, der Glanz der
Anzüge bringt eine Totalwirkung hervor, welche sich ebensowenig durch Be¬
schreibung wiedergeben läßt, als die Musik des Don Juan. Als ich um 10V-- Uhr
ankam, waren Kaiser und Königin bereits im großen Tanzsaal mit einer
Fran^aise beschäftigt. Ich ging hinab in meinen Lieblingsaufenthalt, den zum
großen Saal umgeschaffenen Hof Ludwigs XIV. Man denke sich die voll¬
kommenste Verwebung eines Prachtsaales und eines Lustgartens. Der Plafond
himmelhoch oben, von Glas, unter welchem eine zeltartige Decke gespannt
ist, durch deren Mitte eine große vergoldete Rosette die freie Luft zuläßt; zwei
Stockwerke byzantinischer Fenster mit gewaltigen Säulen, welche mit den doppel¬
ten Galerien ebensoviele rundumlaufende Bogen bilden; im Hintergrund eine
Doppeltreppe, welche aus dem ersten Stock herabführt; der ganze Boden
un't Blumen bedeckt, ringsherum und in der Mitte plätschernde Fontainen, alle
Wände und Säulen mit vergoldeten Gittern und Schlingpflanzen überzogen,
alle Galerien und Logen mit rothem Sammet und Gold drapirt, jeder Fuß
breit Erde oder Treppe mit karmoisinsarbenen Teppichen bedeckt; denke man
sich die dazu die Frische der Atmosphäre, welche von oben Zutritt hat, den
Duft der Blumen, sanfte Musik und den Glanz des Publicums -- und man
wird trotzdem sich diesen Sinnenrausch nicht vergegenwärtigen können. In
diesem Saal eroberte ich mir einen Stuhl, um die gekrönten Häupter zu ihrer
Zeit defiliren zu lassen. "Man kommt zu schaun und will nun einmal sehen."
Im Bewußtsein der Dummheit dieser Gafferei wählte ich mir einen guten
Platz. Vor mir war eine Schar deutscher Diplomaten und Offiziere ver¬
sammelt; denn trotz der Uneinigkeit über den dritten und vierten Punkt ent¬
ziehen sich diese Herren keiner Belustigung, welche zur Feier der westlichen
Allianz veranstaltet wird. Wenn das Fremdenpublicum schon von jeher bei
diesen Bällen in der Majorität war, so mußte dies jetzt umsomehr der Fall sein,
da die Franzosen in Paris eben nur noch geduldet sind. Wie man bei der Zu¬
lassung zu diesen Bällen freigebig ist, so ist man umsomehr noch gastfreundlich
und mancher deutsche Gesandte stellt mehr Gäste zu diesem Ball, als sein Fürst
Soldaten zum Bundescontingent. Beinahe alle Uniformen der neun Armee¬
corps waren gegenwärtig und ein schlanker braunschweigischer Husar schien
sehr unglücklich darüber, daß sein tapfrer Herzog proclamirenden Andenkens
die gottlose Stadt unvertilgt gelassen.

Von allen Diplomaten war der schwarze Gesandte deö Kaisers Soulouque
der interessanteste. Er bewegte sich mit der -- wie man sagt -- seinem Beruf
eignen Grazie in der goldgestickten Uniform, war aber zu meinem großen
Herzeleid nicht von seiner Ehehälfte begleitet. Um so zahlreicher war das
schöne Geschlecht durch häßliche Engländerinnen vertreten , wie denn überhaupt


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unglaublichen Licht-, Blumen- und Stoffverschwendung, durchdrungen von Musik,
Wohlgeruch, dazu das Plätschern illuminirter Wasserfälle, der Glanz der
Anzüge bringt eine Totalwirkung hervor, welche sich ebensowenig durch Be¬
schreibung wiedergeben läßt, als die Musik des Don Juan. Als ich um 10V-- Uhr
ankam, waren Kaiser und Königin bereits im großen Tanzsaal mit einer
Fran^aise beschäftigt. Ich ging hinab in meinen Lieblingsaufenthalt, den zum
großen Saal umgeschaffenen Hof Ludwigs XIV. Man denke sich die voll¬
kommenste Verwebung eines Prachtsaales und eines Lustgartens. Der Plafond
himmelhoch oben, von Glas, unter welchem eine zeltartige Decke gespannt
ist, durch deren Mitte eine große vergoldete Rosette die freie Luft zuläßt; zwei
Stockwerke byzantinischer Fenster mit gewaltigen Säulen, welche mit den doppel¬
ten Galerien ebensoviele rundumlaufende Bogen bilden; im Hintergrund eine
Doppeltreppe, welche aus dem ersten Stock herabführt; der ganze Boden
un't Blumen bedeckt, ringsherum und in der Mitte plätschernde Fontainen, alle
Wände und Säulen mit vergoldeten Gittern und Schlingpflanzen überzogen,
alle Galerien und Logen mit rothem Sammet und Gold drapirt, jeder Fuß
breit Erde oder Treppe mit karmoisinsarbenen Teppichen bedeckt; denke man
sich die dazu die Frische der Atmosphäre, welche von oben Zutritt hat, den
Duft der Blumen, sanfte Musik und den Glanz des Publicums — und man
wird trotzdem sich diesen Sinnenrausch nicht vergegenwärtigen können. In
diesem Saal eroberte ich mir einen Stuhl, um die gekrönten Häupter zu ihrer
Zeit defiliren zu lassen. „Man kommt zu schaun und will nun einmal sehen."
Im Bewußtsein der Dummheit dieser Gafferei wählte ich mir einen guten
Platz. Vor mir war eine Schar deutscher Diplomaten und Offiziere ver¬
sammelt; denn trotz der Uneinigkeit über den dritten und vierten Punkt ent¬
ziehen sich diese Herren keiner Belustigung, welche zur Feier der westlichen
Allianz veranstaltet wird. Wenn das Fremdenpublicum schon von jeher bei
diesen Bällen in der Majorität war, so mußte dies jetzt umsomehr der Fall sein,
da die Franzosen in Paris eben nur noch geduldet sind. Wie man bei der Zu¬
lassung zu diesen Bällen freigebig ist, so ist man umsomehr noch gastfreundlich
und mancher deutsche Gesandte stellt mehr Gäste zu diesem Ball, als sein Fürst
Soldaten zum Bundescontingent. Beinahe alle Uniformen der neun Armee¬
corps waren gegenwärtig und ein schlanker braunschweigischer Husar schien
sehr unglücklich darüber, daß sein tapfrer Herzog proclamirenden Andenkens
die gottlose Stadt unvertilgt gelassen.

Von allen Diplomaten war der schwarze Gesandte deö Kaisers Soulouque
der interessanteste. Er bewegte sich mit der — wie man sagt — seinem Beruf
eignen Grazie in der goldgestickten Uniform, war aber zu meinem großen
Herzeleid nicht von seiner Ehehälfte begleitet. Um so zahlreicher war das
schöne Geschlecht durch häßliche Engländerinnen vertreten , wie denn überhaupt


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[0441] unglaublichen Licht-, Blumen- und Stoffverschwendung, durchdrungen von Musik, Wohlgeruch, dazu das Plätschern illuminirter Wasserfälle, der Glanz der Anzüge bringt eine Totalwirkung hervor, welche sich ebensowenig durch Be¬ schreibung wiedergeben läßt, als die Musik des Don Juan. Als ich um 10V-- Uhr ankam, waren Kaiser und Königin bereits im großen Tanzsaal mit einer Fran^aise beschäftigt. Ich ging hinab in meinen Lieblingsaufenthalt, den zum großen Saal umgeschaffenen Hof Ludwigs XIV. Man denke sich die voll¬ kommenste Verwebung eines Prachtsaales und eines Lustgartens. Der Plafond himmelhoch oben, von Glas, unter welchem eine zeltartige Decke gespannt ist, durch deren Mitte eine große vergoldete Rosette die freie Luft zuläßt; zwei Stockwerke byzantinischer Fenster mit gewaltigen Säulen, welche mit den doppel¬ ten Galerien ebensoviele rundumlaufende Bogen bilden; im Hintergrund eine Doppeltreppe, welche aus dem ersten Stock herabführt; der ganze Boden un't Blumen bedeckt, ringsherum und in der Mitte plätschernde Fontainen, alle Wände und Säulen mit vergoldeten Gittern und Schlingpflanzen überzogen, alle Galerien und Logen mit rothem Sammet und Gold drapirt, jeder Fuß breit Erde oder Treppe mit karmoisinsarbenen Teppichen bedeckt; denke man sich die dazu die Frische der Atmosphäre, welche von oben Zutritt hat, den Duft der Blumen, sanfte Musik und den Glanz des Publicums — und man wird trotzdem sich diesen Sinnenrausch nicht vergegenwärtigen können. In diesem Saal eroberte ich mir einen Stuhl, um die gekrönten Häupter zu ihrer Zeit defiliren zu lassen. „Man kommt zu schaun und will nun einmal sehen." Im Bewußtsein der Dummheit dieser Gafferei wählte ich mir einen guten Platz. Vor mir war eine Schar deutscher Diplomaten und Offiziere ver¬ sammelt; denn trotz der Uneinigkeit über den dritten und vierten Punkt ent¬ ziehen sich diese Herren keiner Belustigung, welche zur Feier der westlichen Allianz veranstaltet wird. Wenn das Fremdenpublicum schon von jeher bei diesen Bällen in der Majorität war, so mußte dies jetzt umsomehr der Fall sein, da die Franzosen in Paris eben nur noch geduldet sind. Wie man bei der Zu¬ lassung zu diesen Bällen freigebig ist, so ist man umsomehr noch gastfreundlich und mancher deutsche Gesandte stellt mehr Gäste zu diesem Ball, als sein Fürst Soldaten zum Bundescontingent. Beinahe alle Uniformen der neun Armee¬ corps waren gegenwärtig und ein schlanker braunschweigischer Husar schien sehr unglücklich darüber, daß sein tapfrer Herzog proclamirenden Andenkens die gottlose Stadt unvertilgt gelassen. Von allen Diplomaten war der schwarze Gesandte deö Kaisers Soulouque der interessanteste. Er bewegte sich mit der — wie man sagt — seinem Beruf eignen Grazie in der goldgestickten Uniform, war aber zu meinem großen Herzeleid nicht von seiner Ehehälfte begleitet. Um so zahlreicher war das schöne Geschlecht durch häßliche Engländerinnen vertreten , wie denn überhaupt Grenzbmcn. III. -I86ö. SS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/441>, abgerufen am 22.12.2024.