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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Man wird nicht verfehlen, das Treffen mit der Schlacht von Friedland
(">i. Juni 1807) zu vergleichen, an welche es durch einige Züge erinnert. Aber
an und für sich war die Alle mit ihren Weichufern damals nicht nur ein ganz
anderes Hinderniß wie die Tschernaja, sondern die russische Heeresmacht war
auch starker und die Verhältnisse, welche zu der letztlichen Katastrophe führten,
dem Sieger entschieden günstiger. In der Schlacht an der Tschernaja ist
von einer ganzen Waffengattung, der Cavalerie, kein Gebrauch gemacht
worden.

Wäre die Tschernaja ein Fluß mit Sumpsrändern, der nirgends durch¬
watet werden könnte, so würde General Pelissier, falls er anders seiner
Sache gewiß war, gleich dem großen Napoleon bei Friedland (und ähnlich wie
Blücher an der Katzbach) allerdings nichts Besseres haben thun können, als
eine mindestens doppelt so große Zahl des Feindes hinüberzulassen. Ein
Gegenangriff, der keilförmig von den Höhen zur Brücke vorgetrieben worden
wäre, hätte dann den 20,000 Russen den Rückzug genommen und sür diesen
Theil wäre eine Katastrophe unvermeidlich gewesen. Wie die Verhältnisse in¬
deß lagen, sind sie allein Anschein nach richtig erfaßt worden.

Vorgestern, gestern und heule sind an jedem Tage mehre hundert russische
Verwundete und Gefangene hier eingebracht worden. Im Ganzen fielen
2200 Mann in die Hände der Verbündeten; unter diesen ein General und
ein Oberstlieutenant. Man will hier wissen, daß unter den Todten auf dem
Schlachtfelde die Leiche des russischen Generals Read aufgefunden worden sei.
Man fand in der Brusttasche seiner Uniform Briefe, die keinen Zweifel über
die Persönlichkeit übrig lassen.

Den Verlust der Alliirten kann man auf über zweitausend Mann an¬
nehmen.




Pariser Brief.

->Jei I'am äansc-I" Dieses am 13. Juli 1789 von verwegener Hand an
die Mauern der zerstörten Bastille geschriebene Wort summte mir den ganzen
Abend hindurch im Gehirn und alle seidenen Schleppkleider und goldgestickten
Uniformen, welche, so geeignet auf andre Gedanken.zu bringen -- mich um-
wirbelten, konnten mir nicht diesen melodischen Refrain aus den Ohren ver¬
scheuchen, lei 1'on darfs l welche große poetische Weissagung! Man tanzt über
dem Grabe der Tyrannei und wenn der Freiheitsbaum abgesägt, tanzt man
wieder bei Hof und dann tanzt man wieder zu Ehren der Revolution und hier¬
auf abermals in seidenen Strümpfen und stets von neuem. Ein wenig Erde


Man wird nicht verfehlen, das Treffen mit der Schlacht von Friedland
(">i. Juni 1807) zu vergleichen, an welche es durch einige Züge erinnert. Aber
an und für sich war die Alle mit ihren Weichufern damals nicht nur ein ganz
anderes Hinderniß wie die Tschernaja, sondern die russische Heeresmacht war
auch starker und die Verhältnisse, welche zu der letztlichen Katastrophe führten,
dem Sieger entschieden günstiger. In der Schlacht an der Tschernaja ist
von einer ganzen Waffengattung, der Cavalerie, kein Gebrauch gemacht
worden.

Wäre die Tschernaja ein Fluß mit Sumpsrändern, der nirgends durch¬
watet werden könnte, so würde General Pelissier, falls er anders seiner
Sache gewiß war, gleich dem großen Napoleon bei Friedland (und ähnlich wie
Blücher an der Katzbach) allerdings nichts Besseres haben thun können, als
eine mindestens doppelt so große Zahl des Feindes hinüberzulassen. Ein
Gegenangriff, der keilförmig von den Höhen zur Brücke vorgetrieben worden
wäre, hätte dann den 20,000 Russen den Rückzug genommen und sür diesen
Theil wäre eine Katastrophe unvermeidlich gewesen. Wie die Verhältnisse in¬
deß lagen, sind sie allein Anschein nach richtig erfaßt worden.

Vorgestern, gestern und heule sind an jedem Tage mehre hundert russische
Verwundete und Gefangene hier eingebracht worden. Im Ganzen fielen
2200 Mann in die Hände der Verbündeten; unter diesen ein General und
ein Oberstlieutenant. Man will hier wissen, daß unter den Todten auf dem
Schlachtfelde die Leiche des russischen Generals Read aufgefunden worden sei.
Man fand in der Brusttasche seiner Uniform Briefe, die keinen Zweifel über
die Persönlichkeit übrig lassen.

Den Verlust der Alliirten kann man auf über zweitausend Mann an¬
nehmen.




Pariser Brief.

->Jei I'am äansc-I" Dieses am 13. Juli 1789 von verwegener Hand an
die Mauern der zerstörten Bastille geschriebene Wort summte mir den ganzen
Abend hindurch im Gehirn und alle seidenen Schleppkleider und goldgestickten
Uniformen, welche, so geeignet auf andre Gedanken.zu bringen — mich um-
wirbelten, konnten mir nicht diesen melodischen Refrain aus den Ohren ver¬
scheuchen, lei 1'on darfs l welche große poetische Weissagung! Man tanzt über
dem Grabe der Tyrannei und wenn der Freiheitsbaum abgesägt, tanzt man
wieder bei Hof und dann tanzt man wieder zu Ehren der Revolution und hier¬
auf abermals in seidenen Strümpfen und stets von neuem. Ein wenig Erde


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[0439] Man wird nicht verfehlen, das Treffen mit der Schlacht von Friedland (">i. Juni 1807) zu vergleichen, an welche es durch einige Züge erinnert. Aber an und für sich war die Alle mit ihren Weichufern damals nicht nur ein ganz anderes Hinderniß wie die Tschernaja, sondern die russische Heeresmacht war auch starker und die Verhältnisse, welche zu der letztlichen Katastrophe führten, dem Sieger entschieden günstiger. In der Schlacht an der Tschernaja ist von einer ganzen Waffengattung, der Cavalerie, kein Gebrauch gemacht worden. Wäre die Tschernaja ein Fluß mit Sumpsrändern, der nirgends durch¬ watet werden könnte, so würde General Pelissier, falls er anders seiner Sache gewiß war, gleich dem großen Napoleon bei Friedland (und ähnlich wie Blücher an der Katzbach) allerdings nichts Besseres haben thun können, als eine mindestens doppelt so große Zahl des Feindes hinüberzulassen. Ein Gegenangriff, der keilförmig von den Höhen zur Brücke vorgetrieben worden wäre, hätte dann den 20,000 Russen den Rückzug genommen und sür diesen Theil wäre eine Katastrophe unvermeidlich gewesen. Wie die Verhältnisse in¬ deß lagen, sind sie allein Anschein nach richtig erfaßt worden. Vorgestern, gestern und heule sind an jedem Tage mehre hundert russische Verwundete und Gefangene hier eingebracht worden. Im Ganzen fielen 2200 Mann in die Hände der Verbündeten; unter diesen ein General und ein Oberstlieutenant. Man will hier wissen, daß unter den Todten auf dem Schlachtfelde die Leiche des russischen Generals Read aufgefunden worden sei. Man fand in der Brusttasche seiner Uniform Briefe, die keinen Zweifel über die Persönlichkeit übrig lassen. Den Verlust der Alliirten kann man auf über zweitausend Mann an¬ nehmen. Pariser Brief. ->Jei I'am äansc-I" Dieses am 13. Juli 1789 von verwegener Hand an die Mauern der zerstörten Bastille geschriebene Wort summte mir den ganzen Abend hindurch im Gehirn und alle seidenen Schleppkleider und goldgestickten Uniformen, welche, so geeignet auf andre Gedanken.zu bringen — mich um- wirbelten, konnten mir nicht diesen melodischen Refrain aus den Ohren ver¬ scheuchen, lei 1'on darfs l welche große poetische Weissagung! Man tanzt über dem Grabe der Tyrannei und wenn der Freiheitsbaum abgesägt, tanzt man wieder bei Hof und dann tanzt man wieder zu Ehren der Revolution und hier¬ auf abermals in seidenen Strümpfen und stets von neuem. Ein wenig Erde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/439>, abgerufen am 22.12.2024.