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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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ihre Alten und wirthschaften ans eigne Faust. Die Araber in Algier unter¬
scheiden drei Arten Löwen, den schwarzen, den gelbröthlichen und den grauen.
Ersterer, von der Farbe der dunkelbraunen Pferde, mit schwärzlicher Mähne,
ist kleiner als die andern, aber stärker und wilder. Sein Körper ist von der
Nasenspitze bis zur Schweifwurzel 5 Ellen lang und wiegt 550 bis 600 Pfund.
Während die beiden andern Arten umherschweifen, zieht der schwarze einen
festen Aufenthalt vor, in dem er manchmal dreißig Jahre lang bleibt d.h. sein
ganzes Leben lang, welches man zwischen dreißig und vierzig Jahre schätzt.
Im Durchschnitt tödtet ein Löwe im Jahre für 1300 Thaler Pferde, Maul¬
thiere, Rinder, Kameele und Schafe, so daß bei der durchschnittlichen Lebens¬
dauer von 33 Jahren ein Löwe unter dem Viehstand seiner Nachbarschaft eine
Verwüstung von 30,000 Thalern anrichtet. Es-ist daher kein Wunder, daß
die Araber sich der gefährlichen Nachbarn auf alle Weise zu entledigen suchen.
Da sie einen ungeheuern Respect vor dem Löwen haben -- sie nennen ihn stets
"den Herrn", und wenn sie Abends in ihren Duars noch so sehr über ihn
schimpfen, schweigt doch alles voll Ehrfurcht, wenn von ferne wie Donnerrollen
sein Gebrüll erschallt -- so geschieht dies meistens auf die wenig waidmännische
Art, daß unmittelbar hinter der Umzäunung des Duars auf der dem Walde
nahen Seite, wo der Löwe in der Regel herkommt, eine fünfzehn Ellen tiefe
Grube gegraben wird, oben enger als unten. Ist dann während der Nacht der
Löwe herangeschlichen und hört er das Vieh hinter der Umzäunung brüllen,
so springt er über die Hecke und stürzt in die Grube hinein. Nun geräth der
ganze Duar in Bewegung; die Weiber und Kinder stoßen ein lautes Jubel¬
geschrei aus, die Männer schießen die Gewehre ab, um die Nachbarn herbeizurufen
und alles bereitet sich zu einem großen Freudenfeste vor. Feuer werden an¬
gezündet, die Frauen bereiten Kuskussu und die ganze Nacht vergeht in Gelag,
denn die benachbarten Duars senden, durch die Flintenschüsse eingeladen,
stündlich neue Gäste zum Mahle. Endlich bricht der Morgen an und alles
drängt sich um die Grube, um den gefangenen Feind zu sehen. Ist es ein
junger Löwe oder eine Löwin, so ist die Freude nicht allzugrosi; ist es dagegen
ein ausgewachsener Löwe mit voller Mähne, so wird der Fang mit fast wahn¬
sinnigem Geschrei und Gebahren begrüßt. Weiber und Kinder höhnen und
schmähen den Löwen und werfen ihn mit Steinen und wenn sie müde sind
kommen die Männer mit ihren Flinten und schießen das edle Thier, das mit
würdevoller Verachtung das tödtende Blei in sein Herz empfängt, mit vielen
Kugeln nieder. Sind seine Peiniger ganz sicher, daß er todt ist, so zieht man
den Löwen aus der Grube heraus, zieht ihm die Haut ab und vertheilt das
Fleisch. Alle Mütter bekommen ein kleines Stück von dem Herzen, das sie
ihren Söhnen zu essen geben, damit diese stark und muthig werden. Ebenso
werden die Locken der Mähne als Amulets vertheilt. Auch auf dem Anstand aus


ihre Alten und wirthschaften ans eigne Faust. Die Araber in Algier unter¬
scheiden drei Arten Löwen, den schwarzen, den gelbröthlichen und den grauen.
Ersterer, von der Farbe der dunkelbraunen Pferde, mit schwärzlicher Mähne,
ist kleiner als die andern, aber stärker und wilder. Sein Körper ist von der
Nasenspitze bis zur Schweifwurzel 5 Ellen lang und wiegt 550 bis 600 Pfund.
Während die beiden andern Arten umherschweifen, zieht der schwarze einen
festen Aufenthalt vor, in dem er manchmal dreißig Jahre lang bleibt d.h. sein
ganzes Leben lang, welches man zwischen dreißig und vierzig Jahre schätzt.
Im Durchschnitt tödtet ein Löwe im Jahre für 1300 Thaler Pferde, Maul¬
thiere, Rinder, Kameele und Schafe, so daß bei der durchschnittlichen Lebens¬
dauer von 33 Jahren ein Löwe unter dem Viehstand seiner Nachbarschaft eine
Verwüstung von 30,000 Thalern anrichtet. Es-ist daher kein Wunder, daß
die Araber sich der gefährlichen Nachbarn auf alle Weise zu entledigen suchen.
Da sie einen ungeheuern Respect vor dem Löwen haben — sie nennen ihn stets
„den Herrn", und wenn sie Abends in ihren Duars noch so sehr über ihn
schimpfen, schweigt doch alles voll Ehrfurcht, wenn von ferne wie Donnerrollen
sein Gebrüll erschallt — so geschieht dies meistens auf die wenig waidmännische
Art, daß unmittelbar hinter der Umzäunung des Duars auf der dem Walde
nahen Seite, wo der Löwe in der Regel herkommt, eine fünfzehn Ellen tiefe
Grube gegraben wird, oben enger als unten. Ist dann während der Nacht der
Löwe herangeschlichen und hört er das Vieh hinter der Umzäunung brüllen,
so springt er über die Hecke und stürzt in die Grube hinein. Nun geräth der
ganze Duar in Bewegung; die Weiber und Kinder stoßen ein lautes Jubel¬
geschrei aus, die Männer schießen die Gewehre ab, um die Nachbarn herbeizurufen
und alles bereitet sich zu einem großen Freudenfeste vor. Feuer werden an¬
gezündet, die Frauen bereiten Kuskussu und die ganze Nacht vergeht in Gelag,
denn die benachbarten Duars senden, durch die Flintenschüsse eingeladen,
stündlich neue Gäste zum Mahle. Endlich bricht der Morgen an und alles
drängt sich um die Grube, um den gefangenen Feind zu sehen. Ist es ein
junger Löwe oder eine Löwin, so ist die Freude nicht allzugrosi; ist es dagegen
ein ausgewachsener Löwe mit voller Mähne, so wird der Fang mit fast wahn¬
sinnigem Geschrei und Gebahren begrüßt. Weiber und Kinder höhnen und
schmähen den Löwen und werfen ihn mit Steinen und wenn sie müde sind
kommen die Männer mit ihren Flinten und schießen das edle Thier, das mit
würdevoller Verachtung das tödtende Blei in sein Herz empfängt, mit vielen
Kugeln nieder. Sind seine Peiniger ganz sicher, daß er todt ist, so zieht man
den Löwen aus der Grube heraus, zieht ihm die Haut ab und vertheilt das
Fleisch. Alle Mütter bekommen ein kleines Stück von dem Herzen, das sie
ihren Söhnen zu essen geben, damit diese stark und muthig werden. Ebenso
werden die Locken der Mähne als Amulets vertheilt. Auch auf dem Anstand aus


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[0422] ihre Alten und wirthschaften ans eigne Faust. Die Araber in Algier unter¬ scheiden drei Arten Löwen, den schwarzen, den gelbröthlichen und den grauen. Ersterer, von der Farbe der dunkelbraunen Pferde, mit schwärzlicher Mähne, ist kleiner als die andern, aber stärker und wilder. Sein Körper ist von der Nasenspitze bis zur Schweifwurzel 5 Ellen lang und wiegt 550 bis 600 Pfund. Während die beiden andern Arten umherschweifen, zieht der schwarze einen festen Aufenthalt vor, in dem er manchmal dreißig Jahre lang bleibt d.h. sein ganzes Leben lang, welches man zwischen dreißig und vierzig Jahre schätzt. Im Durchschnitt tödtet ein Löwe im Jahre für 1300 Thaler Pferde, Maul¬ thiere, Rinder, Kameele und Schafe, so daß bei der durchschnittlichen Lebens¬ dauer von 33 Jahren ein Löwe unter dem Viehstand seiner Nachbarschaft eine Verwüstung von 30,000 Thalern anrichtet. Es-ist daher kein Wunder, daß die Araber sich der gefährlichen Nachbarn auf alle Weise zu entledigen suchen. Da sie einen ungeheuern Respect vor dem Löwen haben — sie nennen ihn stets „den Herrn", und wenn sie Abends in ihren Duars noch so sehr über ihn schimpfen, schweigt doch alles voll Ehrfurcht, wenn von ferne wie Donnerrollen sein Gebrüll erschallt — so geschieht dies meistens auf die wenig waidmännische Art, daß unmittelbar hinter der Umzäunung des Duars auf der dem Walde nahen Seite, wo der Löwe in der Regel herkommt, eine fünfzehn Ellen tiefe Grube gegraben wird, oben enger als unten. Ist dann während der Nacht der Löwe herangeschlichen und hört er das Vieh hinter der Umzäunung brüllen, so springt er über die Hecke und stürzt in die Grube hinein. Nun geräth der ganze Duar in Bewegung; die Weiber und Kinder stoßen ein lautes Jubel¬ geschrei aus, die Männer schießen die Gewehre ab, um die Nachbarn herbeizurufen und alles bereitet sich zu einem großen Freudenfeste vor. Feuer werden an¬ gezündet, die Frauen bereiten Kuskussu und die ganze Nacht vergeht in Gelag, denn die benachbarten Duars senden, durch die Flintenschüsse eingeladen, stündlich neue Gäste zum Mahle. Endlich bricht der Morgen an und alles drängt sich um die Grube, um den gefangenen Feind zu sehen. Ist es ein junger Löwe oder eine Löwin, so ist die Freude nicht allzugrosi; ist es dagegen ein ausgewachsener Löwe mit voller Mähne, so wird der Fang mit fast wahn¬ sinnigem Geschrei und Gebahren begrüßt. Weiber und Kinder höhnen und schmähen den Löwen und werfen ihn mit Steinen und wenn sie müde sind kommen die Männer mit ihren Flinten und schießen das edle Thier, das mit würdevoller Verachtung das tödtende Blei in sein Herz empfängt, mit vielen Kugeln nieder. Sind seine Peiniger ganz sicher, daß er todt ist, so zieht man den Löwen aus der Grube heraus, zieht ihm die Haut ab und vertheilt das Fleisch. Alle Mütter bekommen ein kleines Stück von dem Herzen, das sie ihren Söhnen zu essen geben, damit diese stark und muthig werden. Ebenso werden die Locken der Mähne als Amulets vertheilt. Auch auf dem Anstand aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/422>, abgerufen am 22.07.2024.