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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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die Löwin besonders darum zu grämen scheint. Ein Araber war einmal in
einer hellen Mondnacht auf dem Anstand auf Hirsche und war zu diesem
Zwecke auf einen hohen Baum dicht an einer Lichtung im Walde gestiegen.
Gegen Mitternacht kam eine Löwin mit einem alten Löwen gegangen; erstere
legte sich unter dem Baum nieder; letzterer aber blieb stehen und horchte. Bald
ließ sich in der Ferne ein Brüllen vernehmen, welches der Löwe so laut beant¬
wortete, daß der Jäger auf dem Baume vor Schrecken sein Gewehr fallen
ließ. Bald entstand ein Wechselgebrüll zwischen dem Löwen, welcher sich zu¬
erst aus der Ferne hatte hören lassen und der immer näher kam, und der Löwin,
während der Begleiter der letztern wüthend hin und her lief und mit dem
Schweif den Erdboden peitschte, als wollte er sagen: schon gut; er mag nur
kommen, er wird sehen, wie ich ihn empfange. Wol eine Stunde hatte dies
fortgedauert, als ein großer schwarzer Löwe am Eingang der Lichtung er¬
schien. Die Löwin wollte ihm entgegenbringen, ihr Begleiter aber kam ihr zu¬
vor, stürzte auf den Nebenbuhler los und beide brachten sich nun in wüthen¬
dem, aber unentschiedenen Kampfe fürchterliche Wunden mit Zähnen und
Tatzen bei. Die Löwin hatte sich unterdessen auf den Bauch gelegt, um zu¬
zusehen und solange der Kampf dauerte gab sie durch Wedeln mit dem
Schweife zu erkennen, wie sehr es ihrer Eitelkeit schmeichelte, daß zwei solche
Löwen sich um ihretwillen zerfleischten. Endlich sanken beide Kämpfer todt
nieder und nun ging sie langsam und vorsichtig zu den beiden Leichen hin, um
ste zu ben'enden, dann wanderte sie stolz hinweg, ohne die Gefallenen eines
Blickes zu würdigen. Gegenüber dieser Herzlosigkeit der Löwin zeigt der Löwe
Hegen seine erwählte Gefährtin eine Liebe und Aufmerksamkeit, die eines
bessern Looses würdig wäre. Beim Aufbruch aus dem Lager geht die Löwin
stets voraus; kommt das Paar aber in die Nähe einer Herde, wo es gilt
Beute zu machen, so streckt sich die Löwin in aller Ruhe hin, während der
Löwe vorschleicht, um den Angriff zu machen und dann seine Beute zu ihr zu
bringen. Er steht nun mit schmunzelndem Behagen zu, wie sie es sich schmecken
läßt, während er wachsam besorgt ist, daß dabei nichts sie störe oder beunruhige.
Erst wenn sie sich gesättigt hat, denkt auch er daran, seinen Hunger zu stillen.
Die Paarung des Königs der Thiere findet in der Regel gegen Ende Januar
statt und im folgenden December wirft eine Löwin meistens zwei, sehr selten drei
Junge, die sie nach Ablauf der ersten drei Monate mit klein zerrissenem
Schaffleisch füttert. Sind die Jungen vier bis fünf Monate alt, so begleitet
sie die Mutter bis an den Saum des Waldes, wohin der Alte ihnen die Beute
bringt; vom sechsten Monate an gehen sie schon mit auf die Jagd und von
da an fängt eine böse Zeit für die benachbarten Herden an, denn die Löwen-
familie tödtet nicht blos, um sich von der Beute zu sättigen, sondern tödtet,
um zu lernen. Nach Vollendung des dritten Jahres verlassen die jungen Löwen


die Löwin besonders darum zu grämen scheint. Ein Araber war einmal in
einer hellen Mondnacht auf dem Anstand auf Hirsche und war zu diesem
Zwecke auf einen hohen Baum dicht an einer Lichtung im Walde gestiegen.
Gegen Mitternacht kam eine Löwin mit einem alten Löwen gegangen; erstere
legte sich unter dem Baum nieder; letzterer aber blieb stehen und horchte. Bald
ließ sich in der Ferne ein Brüllen vernehmen, welches der Löwe so laut beant¬
wortete, daß der Jäger auf dem Baume vor Schrecken sein Gewehr fallen
ließ. Bald entstand ein Wechselgebrüll zwischen dem Löwen, welcher sich zu¬
erst aus der Ferne hatte hören lassen und der immer näher kam, und der Löwin,
während der Begleiter der letztern wüthend hin und her lief und mit dem
Schweif den Erdboden peitschte, als wollte er sagen: schon gut; er mag nur
kommen, er wird sehen, wie ich ihn empfange. Wol eine Stunde hatte dies
fortgedauert, als ein großer schwarzer Löwe am Eingang der Lichtung er¬
schien. Die Löwin wollte ihm entgegenbringen, ihr Begleiter aber kam ihr zu¬
vor, stürzte auf den Nebenbuhler los und beide brachten sich nun in wüthen¬
dem, aber unentschiedenen Kampfe fürchterliche Wunden mit Zähnen und
Tatzen bei. Die Löwin hatte sich unterdessen auf den Bauch gelegt, um zu¬
zusehen und solange der Kampf dauerte gab sie durch Wedeln mit dem
Schweife zu erkennen, wie sehr es ihrer Eitelkeit schmeichelte, daß zwei solche
Löwen sich um ihretwillen zerfleischten. Endlich sanken beide Kämpfer todt
nieder und nun ging sie langsam und vorsichtig zu den beiden Leichen hin, um
ste zu ben'enden, dann wanderte sie stolz hinweg, ohne die Gefallenen eines
Blickes zu würdigen. Gegenüber dieser Herzlosigkeit der Löwin zeigt der Löwe
Hegen seine erwählte Gefährtin eine Liebe und Aufmerksamkeit, die eines
bessern Looses würdig wäre. Beim Aufbruch aus dem Lager geht die Löwin
stets voraus; kommt das Paar aber in die Nähe einer Herde, wo es gilt
Beute zu machen, so streckt sich die Löwin in aller Ruhe hin, während der
Löwe vorschleicht, um den Angriff zu machen und dann seine Beute zu ihr zu
bringen. Er steht nun mit schmunzelndem Behagen zu, wie sie es sich schmecken
läßt, während er wachsam besorgt ist, daß dabei nichts sie störe oder beunruhige.
Erst wenn sie sich gesättigt hat, denkt auch er daran, seinen Hunger zu stillen.
Die Paarung des Königs der Thiere findet in der Regel gegen Ende Januar
statt und im folgenden December wirft eine Löwin meistens zwei, sehr selten drei
Junge, die sie nach Ablauf der ersten drei Monate mit klein zerrissenem
Schaffleisch füttert. Sind die Jungen vier bis fünf Monate alt, so begleitet
sie die Mutter bis an den Saum des Waldes, wohin der Alte ihnen die Beute
bringt; vom sechsten Monate an gehen sie schon mit auf die Jagd und von
da an fängt eine böse Zeit für die benachbarten Herden an, denn die Löwen-
familie tödtet nicht blos, um sich von der Beute zu sättigen, sondern tödtet,
um zu lernen. Nach Vollendung des dritten Jahres verlassen die jungen Löwen


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[0421] die Löwin besonders darum zu grämen scheint. Ein Araber war einmal in einer hellen Mondnacht auf dem Anstand auf Hirsche und war zu diesem Zwecke auf einen hohen Baum dicht an einer Lichtung im Walde gestiegen. Gegen Mitternacht kam eine Löwin mit einem alten Löwen gegangen; erstere legte sich unter dem Baum nieder; letzterer aber blieb stehen und horchte. Bald ließ sich in der Ferne ein Brüllen vernehmen, welches der Löwe so laut beant¬ wortete, daß der Jäger auf dem Baume vor Schrecken sein Gewehr fallen ließ. Bald entstand ein Wechselgebrüll zwischen dem Löwen, welcher sich zu¬ erst aus der Ferne hatte hören lassen und der immer näher kam, und der Löwin, während der Begleiter der letztern wüthend hin und her lief und mit dem Schweif den Erdboden peitschte, als wollte er sagen: schon gut; er mag nur kommen, er wird sehen, wie ich ihn empfange. Wol eine Stunde hatte dies fortgedauert, als ein großer schwarzer Löwe am Eingang der Lichtung er¬ schien. Die Löwin wollte ihm entgegenbringen, ihr Begleiter aber kam ihr zu¬ vor, stürzte auf den Nebenbuhler los und beide brachten sich nun in wüthen¬ dem, aber unentschiedenen Kampfe fürchterliche Wunden mit Zähnen und Tatzen bei. Die Löwin hatte sich unterdessen auf den Bauch gelegt, um zu¬ zusehen und solange der Kampf dauerte gab sie durch Wedeln mit dem Schweife zu erkennen, wie sehr es ihrer Eitelkeit schmeichelte, daß zwei solche Löwen sich um ihretwillen zerfleischten. Endlich sanken beide Kämpfer todt nieder und nun ging sie langsam und vorsichtig zu den beiden Leichen hin, um ste zu ben'enden, dann wanderte sie stolz hinweg, ohne die Gefallenen eines Blickes zu würdigen. Gegenüber dieser Herzlosigkeit der Löwin zeigt der Löwe Hegen seine erwählte Gefährtin eine Liebe und Aufmerksamkeit, die eines bessern Looses würdig wäre. Beim Aufbruch aus dem Lager geht die Löwin stets voraus; kommt das Paar aber in die Nähe einer Herde, wo es gilt Beute zu machen, so streckt sich die Löwin in aller Ruhe hin, während der Löwe vorschleicht, um den Angriff zu machen und dann seine Beute zu ihr zu bringen. Er steht nun mit schmunzelndem Behagen zu, wie sie es sich schmecken läßt, während er wachsam besorgt ist, daß dabei nichts sie störe oder beunruhige. Erst wenn sie sich gesättigt hat, denkt auch er daran, seinen Hunger zu stillen. Die Paarung des Königs der Thiere findet in der Regel gegen Ende Januar statt und im folgenden December wirft eine Löwin meistens zwei, sehr selten drei Junge, die sie nach Ablauf der ersten drei Monate mit klein zerrissenem Schaffleisch füttert. Sind die Jungen vier bis fünf Monate alt, so begleitet sie die Mutter bis an den Saum des Waldes, wohin der Alte ihnen die Beute bringt; vom sechsten Monate an gehen sie schon mit auf die Jagd und von da an fängt eine böse Zeit für die benachbarten Herden an, denn die Löwen- familie tödtet nicht blos, um sich von der Beute zu sättigen, sondern tödtet, um zu lernen. Nach Vollendung des dritten Jahres verlassen die jungen Löwen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/421>, abgerufen am 22.12.2024.