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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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und Mängel des Krieges furchtlos vor Augen legte. Thugut und sein Hof¬
kriegsrat!) konnten aber nur Creaturen brauchen.

Bei den Verhandlungen über den Reichssrieden beharrten inzwischen die
Franzosen aus der Rheingrenze. Hessen-Kassel schloß einen Separatfrieden
mit Frankreich. Die Neichsfriedensdeputation blieb ein todtgebornes Ding.
Oestreich drohte, es werde fortan seinen eignen Weg auch ohne das Reich
gehen. Preußen erntete die Früchte seiner Neutralitätspolitik. Die von ihm
stipulirte Demarcationslinie war erst von den Franzosen, dann von den Oestrei¬
chern verletzt worden, die Verwahrungen und Einsprache Preußens wurden
beiderseits mit Achselzucken beantwortet. Mit Oestreich war Preußen über den
Separatfrieden zerfallen; mit Rußland stand ihm ebendeswegen ein offener
Bruch bevor; die deutschen Reichsfürsten von Oestreich zu trennen und unter
Preußischer Aegide zu sammeln, war mißlungen: es blieb Preußen nichts übrig,
als die zweideutige Freundschaft mit dem Reichsfeind, mit Frankreich.

Es folgte der Feldzug von 1796. Die Last des Kampfes lag hauptsächlich
auf Oestreich, die meisten übrigen Reichsstände zögerten, selbst ihre bescheidenen
Beiträge zu zahlen. Moreau überschritt den Rhein und überschwemmte mit
seinen Truppen den schwäbischen Kreis. Hätte dieser Kreis sich dazu verstanden,
die 23 Millionen Livres dem Reiche zu liefern, die er jetzt dem fremden Feinde
ohn? Widerspruch bezahlte, so wäre dieses Unglück vermieden worden. Nun
desertirten die kleinen Reichsfürsten. Die geistlichen Kurfürsten flüchteten weit
ins Innere des Reiches: der Mainzer nach Erfurt, der von Trier nach Dres¬
den, der kölner nach Leipzig, wohin sich auch der Landgraf von Hessen-Darm-
stadt rettete. Eine ganze Reihe kleiner Herren suchten Schutz in dem
Neutralen Preußen. "Diese große, merkwürdige Fürstenflucht" -- sagt ein
loyales Blatt jener Tage, "war ohne Beispiel, sowie die raschen Märsche der
französischen Heere." Der Kurfürst von Sachsen schloß einen Neutralitätsver¬
trag mit Moreau, Würtemberg und Baden schlossen Separatfrieden mit Frank¬
reich; diese beiden deutschen Staaten verpflichteten sich sogar, keiner mit der
fränkischen Republik verbündeten Macht Hilfe zu leisten, "selbst wenn sie als
Mitglieder des deutschen Reiches dazu aufgefordert würden." Die Auflösung
des Reichsverbandes schritt rasch vor. Die französische Politik trennte den
Südwesten Deutschlands von Oestreich und isolirte dieses Reich, bis es auch
seinerseits endlich mit Frankreich auf Kosten Deutschlands Friede" schloß. Preußen
vermochte weder jetzt noch bis zur Katastrophe von 1806 zu einem rechten
Entschluß nach der einen oder andern Seite hin sich zu entscheiden; es strebte
mit beiden kämpfenden Parteien in leidlichem Frieden zu sein und verscherzte
damit das Vertrauen beider. Die Tradition Friedrichs it., daß ein Staat
wie Preußen in jeder großen politischen Verwicklung eine entscheidende Rolle
spielen müsse, war vergessen; erst bittere Erfahrungen lehrten, daß ein Staat,


und Mängel des Krieges furchtlos vor Augen legte. Thugut und sein Hof¬
kriegsrat!) konnten aber nur Creaturen brauchen.

Bei den Verhandlungen über den Reichssrieden beharrten inzwischen die
Franzosen aus der Rheingrenze. Hessen-Kassel schloß einen Separatfrieden
mit Frankreich. Die Neichsfriedensdeputation blieb ein todtgebornes Ding.
Oestreich drohte, es werde fortan seinen eignen Weg auch ohne das Reich
gehen. Preußen erntete die Früchte seiner Neutralitätspolitik. Die von ihm
stipulirte Demarcationslinie war erst von den Franzosen, dann von den Oestrei¬
chern verletzt worden, die Verwahrungen und Einsprache Preußens wurden
beiderseits mit Achselzucken beantwortet. Mit Oestreich war Preußen über den
Separatfrieden zerfallen; mit Rußland stand ihm ebendeswegen ein offener
Bruch bevor; die deutschen Reichsfürsten von Oestreich zu trennen und unter
Preußischer Aegide zu sammeln, war mißlungen: es blieb Preußen nichts übrig,
als die zweideutige Freundschaft mit dem Reichsfeind, mit Frankreich.

Es folgte der Feldzug von 1796. Die Last des Kampfes lag hauptsächlich
auf Oestreich, die meisten übrigen Reichsstände zögerten, selbst ihre bescheidenen
Beiträge zu zahlen. Moreau überschritt den Rhein und überschwemmte mit
seinen Truppen den schwäbischen Kreis. Hätte dieser Kreis sich dazu verstanden,
die 23 Millionen Livres dem Reiche zu liefern, die er jetzt dem fremden Feinde
ohn? Widerspruch bezahlte, so wäre dieses Unglück vermieden worden. Nun
desertirten die kleinen Reichsfürsten. Die geistlichen Kurfürsten flüchteten weit
ins Innere des Reiches: der Mainzer nach Erfurt, der von Trier nach Dres¬
den, der kölner nach Leipzig, wohin sich auch der Landgraf von Hessen-Darm-
stadt rettete. Eine ganze Reihe kleiner Herren suchten Schutz in dem
Neutralen Preußen. „Diese große, merkwürdige Fürstenflucht" — sagt ein
loyales Blatt jener Tage, „war ohne Beispiel, sowie die raschen Märsche der
französischen Heere." Der Kurfürst von Sachsen schloß einen Neutralitätsver¬
trag mit Moreau, Würtemberg und Baden schlossen Separatfrieden mit Frank¬
reich; diese beiden deutschen Staaten verpflichteten sich sogar, keiner mit der
fränkischen Republik verbündeten Macht Hilfe zu leisten, „selbst wenn sie als
Mitglieder des deutschen Reiches dazu aufgefordert würden." Die Auflösung
des Reichsverbandes schritt rasch vor. Die französische Politik trennte den
Südwesten Deutschlands von Oestreich und isolirte dieses Reich, bis es auch
seinerseits endlich mit Frankreich auf Kosten Deutschlands Friede» schloß. Preußen
vermochte weder jetzt noch bis zur Katastrophe von 1806 zu einem rechten
Entschluß nach der einen oder andern Seite hin sich zu entscheiden; es strebte
mit beiden kämpfenden Parteien in leidlichem Frieden zu sein und verscherzte
damit das Vertrauen beider. Die Tradition Friedrichs it., daß ein Staat
wie Preußen in jeder großen politischen Verwicklung eine entscheidende Rolle
spielen müsse, war vergessen; erst bittere Erfahrungen lehrten, daß ein Staat,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/415>, abgerufen am 22.12.2024.