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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Jahrhundert! Welches Jahr!.... Die Welt ist bewegt wie ein stürmisches
Meer unter einem schwarzen Himmel. Bis Ende des Jahres werden wir noch
viele Sachen sehen.... Ich für meinen Theil wünsche einen großen
Schlag, einen schönen Sieg, und dann eine vollständige unbe¬
dingte Ruhe... Ach, Montalais! Ach, Malromv! Wann werdet ihr mich
ganz in eure so süße Stille einhüllen, fern von Geschäften, von Sorge und
von Menschen!"

Vervollständigen wir das Bild, dessen einzelne Züge uns der Marschall.
in seinen Briefen selbst liefert, noch mit einem Citat aus Se. Simon, und
wir sind mit Se. Arnaud, dem Soldaten und Feldherrn fertig. Der geistreiche
und kaustische Herzog sagt von dem Marschall Villars: Neben sovielen und
solchen Fehlern wäre es ungerecht, ihm Begabung abzusprechen; er hatte An¬
lagen eines Feldherrn . . . Sein Blick, obgleich gut, war nicht immer von
gleicher Richtigkeit, und im Gefecht war sein Kopf klar, aber zu vielem Feuer
ausgesetzt, und dadurch sich verwirrend .... Seine Pläne waren manchmal
mehr für sich als für die Sache," -- eine Charakteristik, die man Wort für
Wort auf den Sieger an der Alma anwenden kann.

Weit mehr als den Politiker und den Militär lernen wir den Menschen
Se. Arnaud kennen und man muß gestehen, daß es eine an originellen Zügen
reiche Gestalt ist. Wir finden in ihm nicht nur einen Offizier von seltener
Energie und einer an Verwegenheit grenzenden Kühnheit, sondern auch einen
Geist voll Phantasie und Feuer, eine äußerst bewegliche und vielseitige Natur,
begeistert für ihren Beruf und alle andern Verhältnisse bald mit übermüthigem
Spott und großer Schärfe kritisirend, bald mit einer frischen Originalität, die
das Glück eines Schriftstellers von Profession machen würde, schildernd.
Dadurch machen seine vertraulichen Causerien aus Algier einen so angenehmen
Eindruck. Mit wie wenigen und kräftigen Zügen weiß er ein malerisches und
treffendes Bild von den Kabylen hinzuwerfen, wenn er im Juni -1838 schreibt:
"Ich sehe alle Tage die Numidier Judas und Massinissas. Vor Konstantine
habe ich die Horden Jugurthas gesehen. Es sind dieselben Menschen, die¬
selben Pferde ... "Was hat ihnen die Zeit und die Civilisation gebracht?
Schlechte Flinten und große türkische Sättel." Alle seine Charakter¬
züge, seine Freude am Kriegsleben, seine Sorgen als Colonist, seine stolze
Eleganz, seine aufopfernde Geselligkeit, seine gute Laune beim Leiden, seine
miileidigen Umwandelungen, seine ungeduldige Energie, treten hier nach¬
einander an den Tag. Heute zeigt er sich als den menschenfreundlichsten,
morgen als den härtesten Menschen: hier läßt er arme Soldaten auf sein
Pferd steigen, pflegt sie wie seine Kinder und rettet sie auf einem verhängniß-
vollen Rückzug vor dem Selbstmord; dort läßt er Höhlen von seinen Colonnen
blokiren und S00 Kabylen darin ersticken. "Die Erde wird auf immer die


Jahrhundert! Welches Jahr!.... Die Welt ist bewegt wie ein stürmisches
Meer unter einem schwarzen Himmel. Bis Ende des Jahres werden wir noch
viele Sachen sehen.... Ich für meinen Theil wünsche einen großen
Schlag, einen schönen Sieg, und dann eine vollständige unbe¬
dingte Ruhe... Ach, Montalais! Ach, Malromv! Wann werdet ihr mich
ganz in eure so süße Stille einhüllen, fern von Geschäften, von Sorge und
von Menschen!"

Vervollständigen wir das Bild, dessen einzelne Züge uns der Marschall.
in seinen Briefen selbst liefert, noch mit einem Citat aus Se. Simon, und
wir sind mit Se. Arnaud, dem Soldaten und Feldherrn fertig. Der geistreiche
und kaustische Herzog sagt von dem Marschall Villars: Neben sovielen und
solchen Fehlern wäre es ungerecht, ihm Begabung abzusprechen; er hatte An¬
lagen eines Feldherrn . . . Sein Blick, obgleich gut, war nicht immer von
gleicher Richtigkeit, und im Gefecht war sein Kopf klar, aber zu vielem Feuer
ausgesetzt, und dadurch sich verwirrend .... Seine Pläne waren manchmal
mehr für sich als für die Sache," — eine Charakteristik, die man Wort für
Wort auf den Sieger an der Alma anwenden kann.

Weit mehr als den Politiker und den Militär lernen wir den Menschen
Se. Arnaud kennen und man muß gestehen, daß es eine an originellen Zügen
reiche Gestalt ist. Wir finden in ihm nicht nur einen Offizier von seltener
Energie und einer an Verwegenheit grenzenden Kühnheit, sondern auch einen
Geist voll Phantasie und Feuer, eine äußerst bewegliche und vielseitige Natur,
begeistert für ihren Beruf und alle andern Verhältnisse bald mit übermüthigem
Spott und großer Schärfe kritisirend, bald mit einer frischen Originalität, die
das Glück eines Schriftstellers von Profession machen würde, schildernd.
Dadurch machen seine vertraulichen Causerien aus Algier einen so angenehmen
Eindruck. Mit wie wenigen und kräftigen Zügen weiß er ein malerisches und
treffendes Bild von den Kabylen hinzuwerfen, wenn er im Juni -1838 schreibt:
„Ich sehe alle Tage die Numidier Judas und Massinissas. Vor Konstantine
habe ich die Horden Jugurthas gesehen. Es sind dieselben Menschen, die¬
selben Pferde ... "Was hat ihnen die Zeit und die Civilisation gebracht?
Schlechte Flinten und große türkische Sättel." Alle seine Charakter¬
züge, seine Freude am Kriegsleben, seine Sorgen als Colonist, seine stolze
Eleganz, seine aufopfernde Geselligkeit, seine gute Laune beim Leiden, seine
miileidigen Umwandelungen, seine ungeduldige Energie, treten hier nach¬
einander an den Tag. Heute zeigt er sich als den menschenfreundlichsten,
morgen als den härtesten Menschen: hier läßt er arme Soldaten auf sein
Pferd steigen, pflegt sie wie seine Kinder und rettet sie auf einem verhängniß-
vollen Rückzug vor dem Selbstmord; dort läßt er Höhlen von seinen Colonnen
blokiren und S00 Kabylen darin ersticken. „Die Erde wird auf immer die


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[0388] Jahrhundert! Welches Jahr!.... Die Welt ist bewegt wie ein stürmisches Meer unter einem schwarzen Himmel. Bis Ende des Jahres werden wir noch viele Sachen sehen.... Ich für meinen Theil wünsche einen großen Schlag, einen schönen Sieg, und dann eine vollständige unbe¬ dingte Ruhe... Ach, Montalais! Ach, Malromv! Wann werdet ihr mich ganz in eure so süße Stille einhüllen, fern von Geschäften, von Sorge und von Menschen!" Vervollständigen wir das Bild, dessen einzelne Züge uns der Marschall. in seinen Briefen selbst liefert, noch mit einem Citat aus Se. Simon, und wir sind mit Se. Arnaud, dem Soldaten und Feldherrn fertig. Der geistreiche und kaustische Herzog sagt von dem Marschall Villars: Neben sovielen und solchen Fehlern wäre es ungerecht, ihm Begabung abzusprechen; er hatte An¬ lagen eines Feldherrn . . . Sein Blick, obgleich gut, war nicht immer von gleicher Richtigkeit, und im Gefecht war sein Kopf klar, aber zu vielem Feuer ausgesetzt, und dadurch sich verwirrend .... Seine Pläne waren manchmal mehr für sich als für die Sache," — eine Charakteristik, die man Wort für Wort auf den Sieger an der Alma anwenden kann. Weit mehr als den Politiker und den Militär lernen wir den Menschen Se. Arnaud kennen und man muß gestehen, daß es eine an originellen Zügen reiche Gestalt ist. Wir finden in ihm nicht nur einen Offizier von seltener Energie und einer an Verwegenheit grenzenden Kühnheit, sondern auch einen Geist voll Phantasie und Feuer, eine äußerst bewegliche und vielseitige Natur, begeistert für ihren Beruf und alle andern Verhältnisse bald mit übermüthigem Spott und großer Schärfe kritisirend, bald mit einer frischen Originalität, die das Glück eines Schriftstellers von Profession machen würde, schildernd. Dadurch machen seine vertraulichen Causerien aus Algier einen so angenehmen Eindruck. Mit wie wenigen und kräftigen Zügen weiß er ein malerisches und treffendes Bild von den Kabylen hinzuwerfen, wenn er im Juni -1838 schreibt: „Ich sehe alle Tage die Numidier Judas und Massinissas. Vor Konstantine habe ich die Horden Jugurthas gesehen. Es sind dieselben Menschen, die¬ selben Pferde ... "Was hat ihnen die Zeit und die Civilisation gebracht? Schlechte Flinten und große türkische Sättel." Alle seine Charakter¬ züge, seine Freude am Kriegsleben, seine Sorgen als Colonist, seine stolze Eleganz, seine aufopfernde Geselligkeit, seine gute Laune beim Leiden, seine miileidigen Umwandelungen, seine ungeduldige Energie, treten hier nach¬ einander an den Tag. Heute zeigt er sich als den menschenfreundlichsten, morgen als den härtesten Menschen: hier läßt er arme Soldaten auf sein Pferd steigen, pflegt sie wie seine Kinder und rettet sie auf einem verhängniß- vollen Rückzug vor dem Selbstmord; dort läßt er Höhlen von seinen Colonnen blokiren und S00 Kabylen darin ersticken. „Die Erde wird auf immer die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/388>, abgerufen am 22.07.2024.