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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Meunier dem Lieutenant Se. Arnaud an der Spitze einer Compagnie die für
sein Regiment bestimmte Fahne übergab.

Die Julirevolution gab ihn der militärischen Laufbahn zurück. Er war
33 Jahr alt, verheirathet und erst Souslieutenant. Kein Wunder, daß die
Sehnsucht nach Avancement sich sehr häufig und lebhast in seinen Briefen
äußert, so häufig und lebhaft, daß sie fast verletzt, denn es tritt darin weniger
der Ehrgeiz hervor, der nach einem größeren Wirkungskreis trachtet, alö der
Wunsch, seine materielle Lage zu verbessern. Alle andern Sorgen scheinen vor
dieser einen zurückzutreten. So liest man in einem Briefe aus Bordeaux
vom 17. April 1834 : "Die Lage unsres Landes läßt mich der Zukunft mit
Grauen entgegensehen und dennoch verhindert mich ein ohne Zweifel tadelns-
werthes selbstsüchtiges Gefühl im Grunde meines Herzens sie zu beklagen; denn
man steht auf einem Vulkan und man wird sich schlagen; die Leute von Muth
und Charakter werden sich zeigen und dein Bruder wird zu Grunde gehen
oder aus der Masse hervortreten." Ein ander Mal (1837) schreibt er: "Ich
befinde mich wohl und fühle Neigung mich tüchtig zu schlagen, denn Kon¬
stantine muß mir etwas einbringen." -- Dann wieder, als er an der Hand
eine leichte Wunde erhalten hatte. "Kannst du dir einen Esel denken, der
mich auf vier Schritt fehlte? Hätte er mich in den Arm oder wo anders hin
getroffen, so hätte er mich zum Oberstlieutenant gemacht. Zum Teufel mit dem
Tölpel! Unterdessen wärme ich mich in seinem Burnuß." Das Herbe dieses
Egoismus, der in der drohenden politischen Lage seines Vaterlandes, in dem hei¬
ßen Kampfe der Feldschlacht nur ebensoviel Gelegenheiten zum Avanciren sieht und
weiter nichts, wird nur einigermaßen gemildert durch Aeußerungen, welche dieses
Trachten nach weltlichen Vortheilen eher als väterliche Fürsorge für das künftige
Wohlergehen seiner Familie erscheinen lassen. So schreibt Se. Arnaud 1841 aus
Metz: "So krank ich bin und so große Sorgen mir für die Zukunft meine
Gesundheit macht, so wünsche ich doch nichts sehnlicher, als sobald als möglich
nach Afrika zurückkehren zu können. Es ist besser für meine Kinder, wenn sie
Waisen eines Obersten, als wenn sie Waisen eines Bataillonschefs sind."
"Nur um meiner Kinder wegen" schreibt er an seine Mutter von Ueb Jsly
im December 18L3, "um ihnen einen geehrten Namen zu hinterlassen und
ihnen eine Stellung in der Welt zu verschaffen, nutze ich mich an Geist und
Körper ab und führe ein Leben, um das mich kein Postpferd beneiden wird."
Aber dieser Ehrgeiz, diese Sucht emporzusteigen, ist noch nicht der hervorstechendste
Zug in dem Charakter Se. Arnauds. Er'hat ganz recht, wenn er von sich
sagt , er sei zum Soldaten geboren und er besitze neben einigen Fehlern auch
einige der guten Eigenschaften des Handwerks. Noch mehr, er ist ganz Soldat;
er schwelgt in der Wollust, seine ganze Existenz einzusetzen und mit dem Feinde
um Ruhm und Leben zu spielen, er liebt den Krieg um seiner selbst willen,


Grenzboten. III. -18os. 48

Meunier dem Lieutenant Se. Arnaud an der Spitze einer Compagnie die für
sein Regiment bestimmte Fahne übergab.

Die Julirevolution gab ihn der militärischen Laufbahn zurück. Er war
33 Jahr alt, verheirathet und erst Souslieutenant. Kein Wunder, daß die
Sehnsucht nach Avancement sich sehr häufig und lebhast in seinen Briefen
äußert, so häufig und lebhaft, daß sie fast verletzt, denn es tritt darin weniger
der Ehrgeiz hervor, der nach einem größeren Wirkungskreis trachtet, alö der
Wunsch, seine materielle Lage zu verbessern. Alle andern Sorgen scheinen vor
dieser einen zurückzutreten. So liest man in einem Briefe aus Bordeaux
vom 17. April 1834 : „Die Lage unsres Landes läßt mich der Zukunft mit
Grauen entgegensehen und dennoch verhindert mich ein ohne Zweifel tadelns-
werthes selbstsüchtiges Gefühl im Grunde meines Herzens sie zu beklagen; denn
man steht auf einem Vulkan und man wird sich schlagen; die Leute von Muth
und Charakter werden sich zeigen und dein Bruder wird zu Grunde gehen
oder aus der Masse hervortreten." Ein ander Mal (1837) schreibt er: „Ich
befinde mich wohl und fühle Neigung mich tüchtig zu schlagen, denn Kon¬
stantine muß mir etwas einbringen." — Dann wieder, als er an der Hand
eine leichte Wunde erhalten hatte. „Kannst du dir einen Esel denken, der
mich auf vier Schritt fehlte? Hätte er mich in den Arm oder wo anders hin
getroffen, so hätte er mich zum Oberstlieutenant gemacht. Zum Teufel mit dem
Tölpel! Unterdessen wärme ich mich in seinem Burnuß." Das Herbe dieses
Egoismus, der in der drohenden politischen Lage seines Vaterlandes, in dem hei¬
ßen Kampfe der Feldschlacht nur ebensoviel Gelegenheiten zum Avanciren sieht und
weiter nichts, wird nur einigermaßen gemildert durch Aeußerungen, welche dieses
Trachten nach weltlichen Vortheilen eher als väterliche Fürsorge für das künftige
Wohlergehen seiner Familie erscheinen lassen. So schreibt Se. Arnaud 1841 aus
Metz: „So krank ich bin und so große Sorgen mir für die Zukunft meine
Gesundheit macht, so wünsche ich doch nichts sehnlicher, als sobald als möglich
nach Afrika zurückkehren zu können. Es ist besser für meine Kinder, wenn sie
Waisen eines Obersten, als wenn sie Waisen eines Bataillonschefs sind."
„Nur um meiner Kinder wegen" schreibt er an seine Mutter von Ueb Jsly
im December 18L3, „um ihnen einen geehrten Namen zu hinterlassen und
ihnen eine Stellung in der Welt zu verschaffen, nutze ich mich an Geist und
Körper ab und führe ein Leben, um das mich kein Postpferd beneiden wird."
Aber dieser Ehrgeiz, diese Sucht emporzusteigen, ist noch nicht der hervorstechendste
Zug in dem Charakter Se. Arnauds. Er'hat ganz recht, wenn er von sich
sagt , er sei zum Soldaten geboren und er besitze neben einigen Fehlern auch
einige der guten Eigenschaften des Handwerks. Noch mehr, er ist ganz Soldat;
er schwelgt in der Wollust, seine ganze Existenz einzusetzen und mit dem Feinde
um Ruhm und Leben zu spielen, er liebt den Krieg um seiner selbst willen,


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[0385] Meunier dem Lieutenant Se. Arnaud an der Spitze einer Compagnie die für sein Regiment bestimmte Fahne übergab. Die Julirevolution gab ihn der militärischen Laufbahn zurück. Er war 33 Jahr alt, verheirathet und erst Souslieutenant. Kein Wunder, daß die Sehnsucht nach Avancement sich sehr häufig und lebhast in seinen Briefen äußert, so häufig und lebhaft, daß sie fast verletzt, denn es tritt darin weniger der Ehrgeiz hervor, der nach einem größeren Wirkungskreis trachtet, alö der Wunsch, seine materielle Lage zu verbessern. Alle andern Sorgen scheinen vor dieser einen zurückzutreten. So liest man in einem Briefe aus Bordeaux vom 17. April 1834 : „Die Lage unsres Landes läßt mich der Zukunft mit Grauen entgegensehen und dennoch verhindert mich ein ohne Zweifel tadelns- werthes selbstsüchtiges Gefühl im Grunde meines Herzens sie zu beklagen; denn man steht auf einem Vulkan und man wird sich schlagen; die Leute von Muth und Charakter werden sich zeigen und dein Bruder wird zu Grunde gehen oder aus der Masse hervortreten." Ein ander Mal (1837) schreibt er: „Ich befinde mich wohl und fühle Neigung mich tüchtig zu schlagen, denn Kon¬ stantine muß mir etwas einbringen." — Dann wieder, als er an der Hand eine leichte Wunde erhalten hatte. „Kannst du dir einen Esel denken, der mich auf vier Schritt fehlte? Hätte er mich in den Arm oder wo anders hin getroffen, so hätte er mich zum Oberstlieutenant gemacht. Zum Teufel mit dem Tölpel! Unterdessen wärme ich mich in seinem Burnuß." Das Herbe dieses Egoismus, der in der drohenden politischen Lage seines Vaterlandes, in dem hei¬ ßen Kampfe der Feldschlacht nur ebensoviel Gelegenheiten zum Avanciren sieht und weiter nichts, wird nur einigermaßen gemildert durch Aeußerungen, welche dieses Trachten nach weltlichen Vortheilen eher als väterliche Fürsorge für das künftige Wohlergehen seiner Familie erscheinen lassen. So schreibt Se. Arnaud 1841 aus Metz: „So krank ich bin und so große Sorgen mir für die Zukunft meine Gesundheit macht, so wünsche ich doch nichts sehnlicher, als sobald als möglich nach Afrika zurückkehren zu können. Es ist besser für meine Kinder, wenn sie Waisen eines Obersten, als wenn sie Waisen eines Bataillonschefs sind." „Nur um meiner Kinder wegen" schreibt er an seine Mutter von Ueb Jsly im December 18L3, „um ihnen einen geehrten Namen zu hinterlassen und ihnen eine Stellung in der Welt zu verschaffen, nutze ich mich an Geist und Körper ab und führe ein Leben, um das mich kein Postpferd beneiden wird." Aber dieser Ehrgeiz, diese Sucht emporzusteigen, ist noch nicht der hervorstechendste Zug in dem Charakter Se. Arnauds. Er'hat ganz recht, wenn er von sich sagt , er sei zum Soldaten geboren und er besitze neben einigen Fehlern auch einige der guten Eigenschaften des Handwerks. Noch mehr, er ist ganz Soldat; er schwelgt in der Wollust, seine ganze Existenz einzusetzen und mit dem Feinde um Ruhm und Leben zu spielen, er liebt den Krieg um seiner selbst willen, Grenzboten. III. -18os. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/385>, abgerufen am 28.09.2024.