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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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s'ame -^ax etimelilts seine dramatische Laufbahn begonnen, seit Barreres Gilles
6e mardrs und seit den pnrwisnK von demselben Schriftsteller, konnte das
Vaudeville nicht zu einem Succeß gelangen. In den Händen der Faiseurs
Clairville und Consorten, stirbt sein Repertoir an der Auszehrung. Der Ver¬
such mit Lafond das alte wirkliche VaudevilleprogramM wieder zu beleben,
mag in Berücksichtigung der Fremden vielleicht passend sein, uns Parisern ge¬
währt er wenig Trost. Von den Schauspielern ist mit Ausnahme von Lafond
und Felix nicht viel Gutes zu sagen, und von den Schauspielerinnen, daß sie
darauf angewiesen sind, sich in kurzen Röcken und noch kürzern Mietern zu
zeigen, und eine auf den Ungeschmack eines gewissen Theils des pariser Publi-
cums berechnete Vermählung der lebenden Bilder mit dem Vaudeville an¬
streben. Wenn diese Damen nur das Singen besser könnten, denn ihre Stim¬
men sind falscher als ihr" Waden.

Das Varieletheater ist in eine neue Phase getreten unter der Leitung
des erfahrenen Cogniard. Das ist alles was von dieser Unternehmung zu be¬
richten wäre, denn wir möchten uns nicht zu Bürgen der großen Verheißungen
hergeben, welche der neue Director auf dem Wege unsrer Feuilletonreclamen
uns zukommen läßt. Arrak und der von Alter gebrochene Bouff", der Schö¬
pfer vom pariser Taugenichts, von Michel Perrin, von den "zr>fand5 6"z troupe
sind die schauspielerischen Anziehungskräfte des Vari"t6s. Nicht viel, da beide
ihre Zeit überlebt haben.

Das Palais royal vertritt das in die Farce übergehende Vaudeville und
wenn es dem Beispiele seiner College" folgend das alte Programm wieder
auffrischte, ließe es sich mit ihm leben. Es fehlen ihm allerdings seit dem
Tode von Alexander Thousez und Sainville zwei seiner besten Komiker. Aber
die impertinente, durch die extravaganteste Arm- und Beintelegraphie unter¬
stützte Heiserkeit Grassots, die zimperlich gespreizte Dummheit RavelS, und
Levassors durch komische, aber monotone Grimassen gehobene Schnellzüngigkeit,
sowie die capitale Nase von Hyacinth machen die Farcen des kleinen Theaters
erträglich und man kann eS anch in Begleitung von verheiratheten Damen
besuchen, da die auf Kosten der Moral und des guten Geschmacks genomme¬
nen Licenzen von den wenigsten verstanden werden, da sie im pariser Jargon
vorgetragen werden, der weder aus Meidinger noch aus Mozin gelernt werden
kann. Das Palaisroyaltheater hat überdies noch den Vorzug in unmittel¬
barster Nachbarschaft von den trois fröre" proveno-nix, von Very und Vefour
placirt zu sein. Nach einem Diner, bei dem Champagner Sauterne und
Chateau Lafsitte das große Wort geführt, kann man sich zur Beförderung der
Verdauung der pariser Küche noch diesen Erceß erlauben und beide Rausche
auf einmal verschlafen.

Die vier Vaterländer des Dramas und des Melodramas sind die Porte


s'ame -^ax etimelilts seine dramatische Laufbahn begonnen, seit Barreres Gilles
6e mardrs und seit den pnrwisnK von demselben Schriftsteller, konnte das
Vaudeville nicht zu einem Succeß gelangen. In den Händen der Faiseurs
Clairville und Consorten, stirbt sein Repertoir an der Auszehrung. Der Ver¬
such mit Lafond das alte wirkliche VaudevilleprogramM wieder zu beleben,
mag in Berücksichtigung der Fremden vielleicht passend sein, uns Parisern ge¬
währt er wenig Trost. Von den Schauspielern ist mit Ausnahme von Lafond
und Felix nicht viel Gutes zu sagen, und von den Schauspielerinnen, daß sie
darauf angewiesen sind, sich in kurzen Röcken und noch kürzern Mietern zu
zeigen, und eine auf den Ungeschmack eines gewissen Theils des pariser Publi-
cums berechnete Vermählung der lebenden Bilder mit dem Vaudeville an¬
streben. Wenn diese Damen nur das Singen besser könnten, denn ihre Stim¬
men sind falscher als ihr« Waden.

Das Varieletheater ist in eine neue Phase getreten unter der Leitung
des erfahrenen Cogniard. Das ist alles was von dieser Unternehmung zu be¬
richten wäre, denn wir möchten uns nicht zu Bürgen der großen Verheißungen
hergeben, welche der neue Director auf dem Wege unsrer Feuilletonreclamen
uns zukommen läßt. Arrak und der von Alter gebrochene Bouff«, der Schö¬
pfer vom pariser Taugenichts, von Michel Perrin, von den «zr>fand5 6«z troupe
sind die schauspielerischen Anziehungskräfte des Vari«t6s. Nicht viel, da beide
ihre Zeit überlebt haben.

Das Palais royal vertritt das in die Farce übergehende Vaudeville und
wenn es dem Beispiele seiner College» folgend das alte Programm wieder
auffrischte, ließe es sich mit ihm leben. Es fehlen ihm allerdings seit dem
Tode von Alexander Thousez und Sainville zwei seiner besten Komiker. Aber
die impertinente, durch die extravaganteste Arm- und Beintelegraphie unter¬
stützte Heiserkeit Grassots, die zimperlich gespreizte Dummheit RavelS, und
Levassors durch komische, aber monotone Grimassen gehobene Schnellzüngigkeit,
sowie die capitale Nase von Hyacinth machen die Farcen des kleinen Theaters
erträglich und man kann eS anch in Begleitung von verheiratheten Damen
besuchen, da die auf Kosten der Moral und des guten Geschmacks genomme¬
nen Licenzen von den wenigsten verstanden werden, da sie im pariser Jargon
vorgetragen werden, der weder aus Meidinger noch aus Mozin gelernt werden
kann. Das Palaisroyaltheater hat überdies noch den Vorzug in unmittel¬
barster Nachbarschaft von den trois fröre« proveno-nix, von Very und Vefour
placirt zu sein. Nach einem Diner, bei dem Champagner Sauterne und
Chateau Lafsitte das große Wort geführt, kann man sich zur Beförderung der
Verdauung der pariser Küche noch diesen Erceß erlauben und beide Rausche
auf einmal verschlafen.

Die vier Vaterländer des Dramas und des Melodramas sind die Porte


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[0036] s'ame -^ax etimelilts seine dramatische Laufbahn begonnen, seit Barreres Gilles 6e mardrs und seit den pnrwisnK von demselben Schriftsteller, konnte das Vaudeville nicht zu einem Succeß gelangen. In den Händen der Faiseurs Clairville und Consorten, stirbt sein Repertoir an der Auszehrung. Der Ver¬ such mit Lafond das alte wirkliche VaudevilleprogramM wieder zu beleben, mag in Berücksichtigung der Fremden vielleicht passend sein, uns Parisern ge¬ währt er wenig Trost. Von den Schauspielern ist mit Ausnahme von Lafond und Felix nicht viel Gutes zu sagen, und von den Schauspielerinnen, daß sie darauf angewiesen sind, sich in kurzen Röcken und noch kürzern Mietern zu zeigen, und eine auf den Ungeschmack eines gewissen Theils des pariser Publi- cums berechnete Vermählung der lebenden Bilder mit dem Vaudeville an¬ streben. Wenn diese Damen nur das Singen besser könnten, denn ihre Stim¬ men sind falscher als ihr« Waden. Das Varieletheater ist in eine neue Phase getreten unter der Leitung des erfahrenen Cogniard. Das ist alles was von dieser Unternehmung zu be¬ richten wäre, denn wir möchten uns nicht zu Bürgen der großen Verheißungen hergeben, welche der neue Director auf dem Wege unsrer Feuilletonreclamen uns zukommen läßt. Arrak und der von Alter gebrochene Bouff«, der Schö¬ pfer vom pariser Taugenichts, von Michel Perrin, von den «zr>fand5 6«z troupe sind die schauspielerischen Anziehungskräfte des Vari«t6s. Nicht viel, da beide ihre Zeit überlebt haben. Das Palais royal vertritt das in die Farce übergehende Vaudeville und wenn es dem Beispiele seiner College» folgend das alte Programm wieder auffrischte, ließe es sich mit ihm leben. Es fehlen ihm allerdings seit dem Tode von Alexander Thousez und Sainville zwei seiner besten Komiker. Aber die impertinente, durch die extravaganteste Arm- und Beintelegraphie unter¬ stützte Heiserkeit Grassots, die zimperlich gespreizte Dummheit RavelS, und Levassors durch komische, aber monotone Grimassen gehobene Schnellzüngigkeit, sowie die capitale Nase von Hyacinth machen die Farcen des kleinen Theaters erträglich und man kann eS anch in Begleitung von verheiratheten Damen besuchen, da die auf Kosten der Moral und des guten Geschmacks genomme¬ nen Licenzen von den wenigsten verstanden werden, da sie im pariser Jargon vorgetragen werden, der weder aus Meidinger noch aus Mozin gelernt werden kann. Das Palaisroyaltheater hat überdies noch den Vorzug in unmittel¬ barster Nachbarschaft von den trois fröre« proveno-nix, von Very und Vefour placirt zu sein. Nach einem Diner, bei dem Champagner Sauterne und Chateau Lafsitte das große Wort geführt, kann man sich zur Beförderung der Verdauung der pariser Küche noch diesen Erceß erlauben und beide Rausche auf einmal verschlafen. Die vier Vaterländer des Dramas und des Melodramas sind die Porte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/36>, abgerufen am 22.12.2024.