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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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stieg von seinem Hedschin um die Pfeife wieder aufzunehmen. Aber er konnte nicht
einmal die wenigen Schritte thun, sondern verfiel in Schlaf, sobald er Boden unter
den Füßen hatte. Wir bemerkten noch zu rechter Zeit, daß er fehlte, sonst wäre er
bis zum hellen Tage liegen geblieben und hätte nicht einmal sich erinnert, was mit ihm
vorgegangen war. Doctor Moreau in Tours hat in einem bemerkenswerthen Buche
über die Anwendung des Haschisch in Geisteskrankheiten nachgewiesen, daß fast alle
Visionen und Abspurigkcitcn des Irren sich im Zustande des Halbwachens gleich¬
falls zeigen. Ich kann diese Wahrnehmungen bestätigen, denn ich habe sie an mir
selbst beobachtet. Einst war ich Nachts, in der Wüste am weißen Nil, im Halb¬
schlaf. Ich hörte deutlich eine Hyäne heulen; es war mir genan so, als zöge ich
ein Pistol aus dem Halfter, zielte nach dem Thiere, traf es, und sah, wie es sich
im Sande wälzte. Dann schwirrten mir wieder andere Gedanken durch den Kopf,
aber die Täuschung war vollständig. Ich ritt neben meinem Führer, und sagte:
"Hast du gesehen wie ich die Hyäne geschossen habe?" Er antwortete: "Die Hyäne
habe ich gesehen, nicht aber, daß Du uach ihr geschossen hast." -- "Wie, ich hätte
nicht mit dem Pistol nach ihr geschossen?" -- Er lachte und sprach: "Das ist der
Schlaf. Sich nur deine Pistolen an." Und richtig; sie waren beide noch geladen. Ein
ander Mal war ich gegen Morgen meiner Karawane etwas voraus, machte eine falsche
Bewegung und mein Hedschin drehte sich um. Ich kam aus dem Gleichgewicht,
schlug die Augen auf, und sah nun, wie meine kleine Karawane gerade auf mich
zukam. Ich erkannte sie aber nicht und glaubte, es sei eine andere, welche mei¬
nen Weg kreuze. Ich rief sie an: "Willkommen, Reisende, seid gegrüßt! Woher
kommt ihr?" Die Antwort lautete: "Wir sind Deine Diener." Der Mann,
welcher diese Worte sprach, hatte vollkommen Recht. --

Conversations - und Reisebibliothek, Leipzig, Lorck. -- Es ist zweck¬
mäßig, daß der Herausgeber sür diese Sammlung, die aus eine außerordentlich
große Verbreitung berechnet ist, vorzugsweise ethnographische Schilderungen gewählt
hat, weil es doch immer diejenige Lectüre ist, die mit der geringsten Unbequemlich¬
keit den größten Nutzen verbindet. Unter den Büchern, welche dahin einschlagen,
erwähnen wir zunächst die Skizzen und Bilder aus der Krim, von Steinhart.
Der Verfasser hat sein Werk uach den vorzüglichsten dahin einschlagenden Schrift¬
stellern und Reisenden, Kohl, Moritz Wagner, Koch, Denndoff u. s. w., bearbeitet
und sich bemüht, ein vollständiges geographisch-historisches Gesammtbild daraus zu¬
sammenzusetzen. -- Das neue Paris von Hans Wachen buser erzählt die Reise
des Verfassers in der Art, wie man es von Feuilletonisten überhaupt gewöhnt ist,
mit Lebhaftigkeit, Witz und nicht ohne scharfe Beobachtung. Am ausführlichsten
geht er auf die neuen Bauten ein, durch welche das alte Paris allmälig ganz
untergeht. "Man hat V. Hugo und A. Dumas die Schauplätze ihrer Romantik
demolirt, anstatt der poetischen Lumpen, der Gaunerhöhlen jener alten verschwundenen
Volksquartiere gibt es hinfort nnr Lumpen in Brokat und Gaunerpaläste; an
die Stelle des Gewissens tritt die Speculation, kein Mensch darf sich hinfort soweit
herabwürdigen, hinter zerbrochenen Fensterscheiben, in frostigen Mansarden, auf
kalten Strohsäcken und morschen Feldbetten elend zu sein; denn ,dasür baut die
Regierung Paläste, dafür hat sie alle diese alten Baracken niederreißen lassen,
daß jedermann wenigstens das Recht habe, hinter Damastvorhängcn ans wellen-


stieg von seinem Hedschin um die Pfeife wieder aufzunehmen. Aber er konnte nicht
einmal die wenigen Schritte thun, sondern verfiel in Schlaf, sobald er Boden unter
den Füßen hatte. Wir bemerkten noch zu rechter Zeit, daß er fehlte, sonst wäre er
bis zum hellen Tage liegen geblieben und hätte nicht einmal sich erinnert, was mit ihm
vorgegangen war. Doctor Moreau in Tours hat in einem bemerkenswerthen Buche
über die Anwendung des Haschisch in Geisteskrankheiten nachgewiesen, daß fast alle
Visionen und Abspurigkcitcn des Irren sich im Zustande des Halbwachens gleich¬
falls zeigen. Ich kann diese Wahrnehmungen bestätigen, denn ich habe sie an mir
selbst beobachtet. Einst war ich Nachts, in der Wüste am weißen Nil, im Halb¬
schlaf. Ich hörte deutlich eine Hyäne heulen; es war mir genan so, als zöge ich
ein Pistol aus dem Halfter, zielte nach dem Thiere, traf es, und sah, wie es sich
im Sande wälzte. Dann schwirrten mir wieder andere Gedanken durch den Kopf,
aber die Täuschung war vollständig. Ich ritt neben meinem Führer, und sagte:
„Hast du gesehen wie ich die Hyäne geschossen habe?" Er antwortete: „Die Hyäne
habe ich gesehen, nicht aber, daß Du uach ihr geschossen hast." — „Wie, ich hätte
nicht mit dem Pistol nach ihr geschossen?" — Er lachte und sprach: „Das ist der
Schlaf. Sich nur deine Pistolen an." Und richtig; sie waren beide noch geladen. Ein
ander Mal war ich gegen Morgen meiner Karawane etwas voraus, machte eine falsche
Bewegung und mein Hedschin drehte sich um. Ich kam aus dem Gleichgewicht,
schlug die Augen auf, und sah nun, wie meine kleine Karawane gerade auf mich
zukam. Ich erkannte sie aber nicht und glaubte, es sei eine andere, welche mei¬
nen Weg kreuze. Ich rief sie an: „Willkommen, Reisende, seid gegrüßt! Woher
kommt ihr?" Die Antwort lautete: „Wir sind Deine Diener." Der Mann,
welcher diese Worte sprach, hatte vollkommen Recht. —

Conversations - und Reisebibliothek, Leipzig, Lorck. — Es ist zweck¬
mäßig, daß der Herausgeber sür diese Sammlung, die aus eine außerordentlich
große Verbreitung berechnet ist, vorzugsweise ethnographische Schilderungen gewählt
hat, weil es doch immer diejenige Lectüre ist, die mit der geringsten Unbequemlich¬
keit den größten Nutzen verbindet. Unter den Büchern, welche dahin einschlagen,
erwähnen wir zunächst die Skizzen und Bilder aus der Krim, von Steinhart.
Der Verfasser hat sein Werk uach den vorzüglichsten dahin einschlagenden Schrift¬
stellern und Reisenden, Kohl, Moritz Wagner, Koch, Denndoff u. s. w., bearbeitet
und sich bemüht, ein vollständiges geographisch-historisches Gesammtbild daraus zu¬
sammenzusetzen. — Das neue Paris von Hans Wachen buser erzählt die Reise
des Verfassers in der Art, wie man es von Feuilletonisten überhaupt gewöhnt ist,
mit Lebhaftigkeit, Witz und nicht ohne scharfe Beobachtung. Am ausführlichsten
geht er auf die neuen Bauten ein, durch welche das alte Paris allmälig ganz
untergeht. „Man hat V. Hugo und A. Dumas die Schauplätze ihrer Romantik
demolirt, anstatt der poetischen Lumpen, der Gaunerhöhlen jener alten verschwundenen
Volksquartiere gibt es hinfort nnr Lumpen in Brokat und Gaunerpaläste; an
die Stelle des Gewissens tritt die Speculation, kein Mensch darf sich hinfort soweit
herabwürdigen, hinter zerbrochenen Fensterscheiben, in frostigen Mansarden, auf
kalten Strohsäcken und morschen Feldbetten elend zu sein; denn ,dasür baut die
Regierung Paläste, dafür hat sie alle diese alten Baracken niederreißen lassen,
daß jedermann wenigstens das Recht habe, hinter Damastvorhängcn ans wellen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/326>, abgerufen am 22.12.2024.