Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.Willens bethätigt; er besitzt eine klare Anschauung der Dinge, ist frei von volks¬ Willens bethätigt; er besitzt eine klare Anschauung der Dinge, ist frei von volks¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0325" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100245"/> <p xml:id="ID_951" prev="#ID_950" next="#ID_952"> Willens bethätigt; er besitzt eine klare Anschauung der Dinge, ist frei von volks¬<lb/> tümlichen oder kirchlichen Vorurtheilen und dabei ein feiner Beobachter. Seine<lb/> Auffassung ist ebenso lebendig wie seine Darstellung klar und leicht; er versteht es,<lb/> mit praktischem Sinn auch für scheinbar geringfügige Einzelnheiten Theilnahme zu<lb/> erwecken. Ueberhaupt schildert er unbefangen und freimüthig, was er gesehen hat.<lb/> Die Hauptsache bleibt ihm der Mensch; er hat mit den Bewohnern der Wüste und<lb/> der Nilländer gelebt wie ein Araber oder Ruhe. Den Mohamedanismus in Afrika<lb/> betrachtet er nicht durch ein europäisch gefärbtes Glas, sondern erläutert ihn aus<lb/> dem Boden heraus, auf welchem er entstand, und aus der Eigenthümlichkeit des<lb/> Volkes, durch welches er im Orient zur Herrschaft gelaugte." — Die Sahara übt<lb/> trotz der großen Beschwerlichkeiten und Gefahren, die mit der Reise dahin verknüpft<lb/> sind, einen ganz wunderbaren Zauber aus. Es ist nicht blos die Neugierde oder<lb/> wie mau es nennen will, der Trieb wissenschaftlicher Erkenntniß, der fortwährend<lb/> neue kühne Abenteurer dahin zieht, sondern eine eigenthümlich träumerisch-poetische<lb/> Stimmung, die man dort sucht. „Es ist mit der Wüste," sagt der Verfasser, „wie mit<lb/> dem Meere. Bei lang anhaltendem schlimmen Wetter oder bei Windstillen verwünscht<lb/> der Seemann wol sein Element, aber er möchte schon wieder in See gehen, sobald<lb/> er eben ans Land getreten ist. Die geräuschvolle Stadt ermüdet einen bald, aber<lb/> niemals wird man der Einförmigkeit des Weltmeers oder der Einsamkeit der Wüste<lb/> überdrüssig." Von der Lebhaftigkeit und Anmuth der Schilderungen wird man sich<lb/> die beste Vorstellung machen können, wenn wir hier ein Fragment mittheilen. —<lb/> Oft habe ich auf den Schlaf verzichten müssen und diese Entbehrung ist mir am<lb/> peinlichsten gewesen. Ich spürte allmälig, wie meine Gedanken sich verwirrten; ver¬<lb/> geblich gab ich mir Mühe, mit meinen Führern zu sprechen oder zu singen; ich stieg<lb/> manchmal vom Kameele und wollte eine Strecke weit gehen, besprengte mir auch<lb/> das Gesicht mit Wasser. Aber es schien mir, als ob der Horizont sich ringsum<lb/> gleich einer Mauer emporthürme, der Himmel bildete das Gewölbe eines ungeheuern<lb/> Saales, der von allen Seiten geschlossen war, und die Sterne erschienen mir wie<lb/> Lampen und Kronleuchter und flimmerten mir vor den Augen. Dann fielen diese<lb/> langsam zu, und das Haupt sank herab. Plötzlich fühlte ich, daß ich das Gleich¬<lb/> gewicht verlor, rückte mich dann im Sattel wieder zurecht, versuchte abermals zu<lb/> singen und den Feind, der mich plagte, zu verscheuchen; aber ich konnte kein Wort<lb/> sprechen, sondern nur noch lallen, denn die Stimme versagte mir den Dienst; ich<lb/> verfiel wieder in den früheren Zustand, und kam abermals erst zur Besinnung, wenn<lb/> ich nahe daran war vom Kameel hinabzufallen. Dergleichen Erscheinungen traten<lb/> aber erst nach zwei oder drei durchwachten Nächten ein. Der Mangel an Schlaf<lb/> reizt am Ende das Blut dermaßen, daß man nicht einschlafen kann. Einst war ich<lb/> in Aegypten drei Nächte hintereinander unterwegs, und glaubte dann endlich eines<lb/> ruhigen Schlafes mich erfreuen zu können. Das war aber keineswegs der Fall.<lb/> Ich befand mich im Uebrigen wohl, das Essen schmeckte mir, ich konnte aber nach<lb/> Meiner Ankunft Tag und Nacht keinen Schlummer finden. Am andern Tage ging<lb/> ich ins Bad, um mein Blut zu beruhigen, und es wirkte so vortrefflich, daß ich<lb/> im Ankleidezimmer sogleich in Schlaf verfiel, und bis Sonnenuntergang liegen<lb/> blieb. Einer von meinen Dienern, der nicht so gut die Anstrengungen der Reise<lb/> auszuhalten vermochte, ließ in der dritten Stande seinen Tschibuk herabfallen, und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0325]
Willens bethätigt; er besitzt eine klare Anschauung der Dinge, ist frei von volks¬
tümlichen oder kirchlichen Vorurtheilen und dabei ein feiner Beobachter. Seine
Auffassung ist ebenso lebendig wie seine Darstellung klar und leicht; er versteht es,
mit praktischem Sinn auch für scheinbar geringfügige Einzelnheiten Theilnahme zu
erwecken. Ueberhaupt schildert er unbefangen und freimüthig, was er gesehen hat.
Die Hauptsache bleibt ihm der Mensch; er hat mit den Bewohnern der Wüste und
der Nilländer gelebt wie ein Araber oder Ruhe. Den Mohamedanismus in Afrika
betrachtet er nicht durch ein europäisch gefärbtes Glas, sondern erläutert ihn aus
dem Boden heraus, auf welchem er entstand, und aus der Eigenthümlichkeit des
Volkes, durch welches er im Orient zur Herrschaft gelaugte." — Die Sahara übt
trotz der großen Beschwerlichkeiten und Gefahren, die mit der Reise dahin verknüpft
sind, einen ganz wunderbaren Zauber aus. Es ist nicht blos die Neugierde oder
wie mau es nennen will, der Trieb wissenschaftlicher Erkenntniß, der fortwährend
neue kühne Abenteurer dahin zieht, sondern eine eigenthümlich träumerisch-poetische
Stimmung, die man dort sucht. „Es ist mit der Wüste," sagt der Verfasser, „wie mit
dem Meere. Bei lang anhaltendem schlimmen Wetter oder bei Windstillen verwünscht
der Seemann wol sein Element, aber er möchte schon wieder in See gehen, sobald
er eben ans Land getreten ist. Die geräuschvolle Stadt ermüdet einen bald, aber
niemals wird man der Einförmigkeit des Weltmeers oder der Einsamkeit der Wüste
überdrüssig." Von der Lebhaftigkeit und Anmuth der Schilderungen wird man sich
die beste Vorstellung machen können, wenn wir hier ein Fragment mittheilen. —
Oft habe ich auf den Schlaf verzichten müssen und diese Entbehrung ist mir am
peinlichsten gewesen. Ich spürte allmälig, wie meine Gedanken sich verwirrten; ver¬
geblich gab ich mir Mühe, mit meinen Führern zu sprechen oder zu singen; ich stieg
manchmal vom Kameele und wollte eine Strecke weit gehen, besprengte mir auch
das Gesicht mit Wasser. Aber es schien mir, als ob der Horizont sich ringsum
gleich einer Mauer emporthürme, der Himmel bildete das Gewölbe eines ungeheuern
Saales, der von allen Seiten geschlossen war, und die Sterne erschienen mir wie
Lampen und Kronleuchter und flimmerten mir vor den Augen. Dann fielen diese
langsam zu, und das Haupt sank herab. Plötzlich fühlte ich, daß ich das Gleich¬
gewicht verlor, rückte mich dann im Sattel wieder zurecht, versuchte abermals zu
singen und den Feind, der mich plagte, zu verscheuchen; aber ich konnte kein Wort
sprechen, sondern nur noch lallen, denn die Stimme versagte mir den Dienst; ich
verfiel wieder in den früheren Zustand, und kam abermals erst zur Besinnung, wenn
ich nahe daran war vom Kameel hinabzufallen. Dergleichen Erscheinungen traten
aber erst nach zwei oder drei durchwachten Nächten ein. Der Mangel an Schlaf
reizt am Ende das Blut dermaßen, daß man nicht einschlafen kann. Einst war ich
in Aegypten drei Nächte hintereinander unterwegs, und glaubte dann endlich eines
ruhigen Schlafes mich erfreuen zu können. Das war aber keineswegs der Fall.
Ich befand mich im Uebrigen wohl, das Essen schmeckte mir, ich konnte aber nach
Meiner Ankunft Tag und Nacht keinen Schlummer finden. Am andern Tage ging
ich ins Bad, um mein Blut zu beruhigen, und es wirkte so vortrefflich, daß ich
im Ankleidezimmer sogleich in Schlaf verfiel, und bis Sonnenuntergang liegen
blieb. Einer von meinen Dienern, der nicht so gut die Anstrengungen der Reise
auszuhalten vermochte, ließ in der dritten Stande seinen Tschibuk herabfallen, und
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |