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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Zufluchtsstätten, in Asyle der Armen verwandeln; den Klöstern geben, hieße
der Armuth geben. Der frühere mehrmalige klerikale Minister Herr Baron
d'Anethan hat über diese neue Mode von Mildthätigkeit mehre Broschüren/
der Bischof von Brügge sogar ein dickes Buch geschrieben. Die Mildthätigkeit,
immer die Mildthätigkeit, nichts als die Mildthätigkeit, das ist die schlaue
Maske, womit man die todte Hand verhüllt. ,',!'<? -

Diese beiden schwerwiegenden Fragen: die Veränderung des Wahlgesetzes
und die Wiederherstellung des Rechts der todten Hand, sind es, welche der
nächsten Kammersession ihre Bedeutsamkeit geben, das Land in Aufregung
bringen und die grollenden Parteien in . den hitzigsten Kampf führen werden.
Noch soll der Führer des Cabinets, Herr Dedecker, zaudern; sein Programm
von der Conciliation und der Moderatton würde zu Schanden gemacht; er
fürchtet die gewagten Schritte, die Möglichkeit von gefährlichen Folgen, aber
die katholische Partei drängt, sie hält den Moment für günstig, um die Macht
für lange Zeit zu erobern, und sie droht: Vorwärts! oder wir geben dich aus;
werfe über Bord! oder du wirst darüber geworfen. Daß ein Sturm dann
die unsaubere Tenne plötzlich wieder rein fegen könnte, daß das Land der
politischen Eintracht und Ruhe bedarf, um nahenden Gefahren zu begegnen,
diese drohenden Bilder der Zukunft zeigen sich ihren entbrannten Blicken nicht,
und unwillig wendet der Freund des Vaterlandes sich ab von solchen Blend¬
lingen, die das alte Wort bewahrheiten: Sie haben nichts gelernt und nichts
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Ein englischer Diplomat.

"Den rechten Mann für die rechte Stelle!" heißt die Losung, welche
gegenwärtig durch die englische Presse geht, und diese anspornt zu untersuchen,
ob man bei der Besetzung, wichtiger Staatsposten überall nach der Befähigung
und nicht nach dem Range gefragt hat. In andern Ländern, wo eine freche
Presse nicht das Heiligthum der Bureaukratie antasten darf, wo die Furcht
vor der Amtsehrebeleidigung den guten und schlechten Beamten gleichmäßig
vor Kritik schützt, gibt es nur Staatsdiener, die ihren Platz vollkommen aus¬
füllen, in England dagegen hat man manche zu leicht befunden. Namentlich
hat man diese Erfahrung im diplomatischen Dienste gemacht, denn seit den
großen Congressen im ersten Viertel dieses Jahrhunderts hat man sich auch in
England nach dem Beispiel der Continentalstaaten gewöhnt, lieber Magnaten
mit langen und vornehm klingenden Titeln, als wie früher die einfachen Misters
und Sir James oder Pauls von bescheidener Stellung, aber großem Diensteifer,


Zufluchtsstätten, in Asyle der Armen verwandeln; den Klöstern geben, hieße
der Armuth geben. Der frühere mehrmalige klerikale Minister Herr Baron
d'Anethan hat über diese neue Mode von Mildthätigkeit mehre Broschüren/
der Bischof von Brügge sogar ein dickes Buch geschrieben. Die Mildthätigkeit,
immer die Mildthätigkeit, nichts als die Mildthätigkeit, das ist die schlaue
Maske, womit man die todte Hand verhüllt. ,',!'<? -

Diese beiden schwerwiegenden Fragen: die Veränderung des Wahlgesetzes
und die Wiederherstellung des Rechts der todten Hand, sind es, welche der
nächsten Kammersession ihre Bedeutsamkeit geben, das Land in Aufregung
bringen und die grollenden Parteien in . den hitzigsten Kampf führen werden.
Noch soll der Führer des Cabinets, Herr Dedecker, zaudern; sein Programm
von der Conciliation und der Moderatton würde zu Schanden gemacht; er
fürchtet die gewagten Schritte, die Möglichkeit von gefährlichen Folgen, aber
die katholische Partei drängt, sie hält den Moment für günstig, um die Macht
für lange Zeit zu erobern, und sie droht: Vorwärts! oder wir geben dich aus;
werfe über Bord! oder du wirst darüber geworfen. Daß ein Sturm dann
die unsaubere Tenne plötzlich wieder rein fegen könnte, daß das Land der
politischen Eintracht und Ruhe bedarf, um nahenden Gefahren zu begegnen,
diese drohenden Bilder der Zukunft zeigen sich ihren entbrannten Blicken nicht,
und unwillig wendet der Freund des Vaterlandes sich ab von solchen Blend¬
lingen, die das alte Wort bewahrheiten: Sie haben nichts gelernt und nichts
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Ein englischer Diplomat.

„Den rechten Mann für die rechte Stelle!" heißt die Losung, welche
gegenwärtig durch die englische Presse geht, und diese anspornt zu untersuchen,
ob man bei der Besetzung, wichtiger Staatsposten überall nach der Befähigung
und nicht nach dem Range gefragt hat. In andern Ländern, wo eine freche
Presse nicht das Heiligthum der Bureaukratie antasten darf, wo die Furcht
vor der Amtsehrebeleidigung den guten und schlechten Beamten gleichmäßig
vor Kritik schützt, gibt es nur Staatsdiener, die ihren Platz vollkommen aus¬
füllen, in England dagegen hat man manche zu leicht befunden. Namentlich
hat man diese Erfahrung im diplomatischen Dienste gemacht, denn seit den
großen Congressen im ersten Viertel dieses Jahrhunderts hat man sich auch in
England nach dem Beispiel der Continentalstaaten gewöhnt, lieber Magnaten
mit langen und vornehm klingenden Titeln, als wie früher die einfachen Misters
und Sir James oder Pauls von bescheidener Stellung, aber großem Diensteifer,


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[0308] Zufluchtsstätten, in Asyle der Armen verwandeln; den Klöstern geben, hieße der Armuth geben. Der frühere mehrmalige klerikale Minister Herr Baron d'Anethan hat über diese neue Mode von Mildthätigkeit mehre Broschüren/ der Bischof von Brügge sogar ein dickes Buch geschrieben. Die Mildthätigkeit, immer die Mildthätigkeit, nichts als die Mildthätigkeit, das ist die schlaue Maske, womit man die todte Hand verhüllt. ,',!'<? - Diese beiden schwerwiegenden Fragen: die Veränderung des Wahlgesetzes und die Wiederherstellung des Rechts der todten Hand, sind es, welche der nächsten Kammersession ihre Bedeutsamkeit geben, das Land in Aufregung bringen und die grollenden Parteien in . den hitzigsten Kampf führen werden. Noch soll der Führer des Cabinets, Herr Dedecker, zaudern; sein Programm von der Conciliation und der Moderatton würde zu Schanden gemacht; er fürchtet die gewagten Schritte, die Möglichkeit von gefährlichen Folgen, aber die katholische Partei drängt, sie hält den Moment für günstig, um die Macht für lange Zeit zu erobern, und sie droht: Vorwärts! oder wir geben dich aus; werfe über Bord! oder du wirst darüber geworfen. Daß ein Sturm dann die unsaubere Tenne plötzlich wieder rein fegen könnte, daß das Land der politischen Eintracht und Ruhe bedarf, um nahenden Gefahren zu begegnen, diese drohenden Bilder der Zukunft zeigen sich ihren entbrannten Blicken nicht, und unwillig wendet der Freund des Vaterlandes sich ab von solchen Blend¬ lingen, die das alte Wort bewahrheiten: Sie haben nichts gelernt und nichts VBrgessM!7!»«jr, ; uno ^n^is'^l ?»;üG chi>it<»?uns nznttü! »ff Ein englischer Diplomat. „Den rechten Mann für die rechte Stelle!" heißt die Losung, welche gegenwärtig durch die englische Presse geht, und diese anspornt zu untersuchen, ob man bei der Besetzung, wichtiger Staatsposten überall nach der Befähigung und nicht nach dem Range gefragt hat. In andern Ländern, wo eine freche Presse nicht das Heiligthum der Bureaukratie antasten darf, wo die Furcht vor der Amtsehrebeleidigung den guten und schlechten Beamten gleichmäßig vor Kritik schützt, gibt es nur Staatsdiener, die ihren Platz vollkommen aus¬ füllen, in England dagegen hat man manche zu leicht befunden. Namentlich hat man diese Erfahrung im diplomatischen Dienste gemacht, denn seit den großen Congressen im ersten Viertel dieses Jahrhunderts hat man sich auch in England nach dem Beispiel der Continentalstaaten gewöhnt, lieber Magnaten mit langen und vornehm klingenden Titeln, als wie früher die einfachen Misters und Sir James oder Pauls von bescheidener Stellung, aber großem Diensteifer,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/308>, abgerufen am 22.12.2024.