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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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durch Oestreich zu Land nach Deutschland geschafft wird, wo sie einen guten
Markt findet; aber dennoch ist der Preis voriges Jahr wegen der vermehrten
Transportkosten merklich gesunken. Ich werde jetzt die Verluste, welche dieses
eine Gut im vorigen Jahre erlitten hat, im Einzelnen angeben. Das durchschnitt¬
liche Einkommen beläuft sich auf 6000 Pfund Sterling (circa 40,000 Thaler),
wovon -1300 Pfund (10,000 Thaler) an die Regierung als Zinsen für Hypo¬
theken bezahlt werden müssen. Von Leinsamen wurden voriges Jahr ungefähr
1300 Quarter (5, 6 berliner Scheffel) erbaut, die an Ort und Stelle ungefähr
60 Schillinge per Quarter gelten. Von diesen ist auch kein einziger Scheffel
verkauft worden und der Verlust bei diesem Artikel allein beläuft sich daher
auf 1200 Pfund, (8000 Thaler). Von Weizen wurde fast dieselbe Quantität
erzeugt. Der durchschnittliche Preis desselben ist 12 Schilling den Quarter;
jetzt kann man aber nur eine beschränkte Quantität zu 8 Schilling los werden.
Aber selbst angenommen, daß sämmtlicher Weizen zu diesem Preis verkauft
würde, so wäre der Verlust immer noch 300 Pfund (2000 Thaler). Da dies
jedoch nicht der Fall ist, muß man mindestens 300 Pfund annehmen. Die
Wollpreise waren voriges Jahr durchschnittlich 13 Procent und manchmal so¬
gar 20 Procent unter ihrer gewöhnlichen Höhe; für die gewöhnlich verkaufte
Quantität wurden dies Mal 1400 Pfund (9400 Thaler) bezahlt, so daß wir
wieder einen Verlust von mehr als 200 Pfund (beinahe 1300 Thaler) haben.
Auf demselben Gute befinden sich ungefähr 18,000 Schafe, von denen für ge¬
wöhnlich alljährlich 2000 wegen ihres Talgs und ihrer Felle zu einem Durch¬
schnittspreis von 7 Schilling (2'/z Thaler) per Stück verkauft werden; da es
aber sehr schwer hält, Talg auszuführen, ist der Preis auf 3 Schilling ge¬
sunken, wodurch dem Grundbesitzer wieder 200 Pfund entgehen. Aus dieser
Darlegung ersieht man, daß das Einkommen dieses einen Gutsbesitzers sich in¬
folge der durch die Blockade des asowschen und des schwarzen Meeres einge¬
tretenen Handelsstockung um mehr als ein Drittel vermindert; und da" die
gleichen Verhältnisse im ganzen südlichen Rußland bestehen, so kann man
sich einen Begriff von der Höhe machen, welche der Gesammtverlust erreicht.
Allerdings haben einige Gutsbesitzer ihre Bodenproducte zu fast nomineller
Preisen an Kaufleute abgesetzt, welche auf die Ergebnisse der wiener Konferenzen
speculirten, große Massen Getreide aufkauften und nach den verschiedenen
Häfen des Südens schafften, um sie sogleich verschicken zu können, wie die
Konferenzen den Frieden herbeiführten. Die bei den letzten Erpeditümen im
asowschen Meere vernichteten ungeheuren Getreidevorräthe gehörten nicht der
russischen Regierung, sondern Privatspeculcmten, wenigstens der größte Theil.
Freilich wären sie aller Wahrscheinlichkeit nach später von der Regierung zur
Ernährung für die Truppen mit Beschlag belegt worden, und ihre Vernich¬
tung war daher dem Kriegszweck ganz entsprechend.


durch Oestreich zu Land nach Deutschland geschafft wird, wo sie einen guten
Markt findet; aber dennoch ist der Preis voriges Jahr wegen der vermehrten
Transportkosten merklich gesunken. Ich werde jetzt die Verluste, welche dieses
eine Gut im vorigen Jahre erlitten hat, im Einzelnen angeben. Das durchschnitt¬
liche Einkommen beläuft sich auf 6000 Pfund Sterling (circa 40,000 Thaler),
wovon -1300 Pfund (10,000 Thaler) an die Regierung als Zinsen für Hypo¬
theken bezahlt werden müssen. Von Leinsamen wurden voriges Jahr ungefähr
1300 Quarter (5, 6 berliner Scheffel) erbaut, die an Ort und Stelle ungefähr
60 Schillinge per Quarter gelten. Von diesen ist auch kein einziger Scheffel
verkauft worden und der Verlust bei diesem Artikel allein beläuft sich daher
auf 1200 Pfund, (8000 Thaler). Von Weizen wurde fast dieselbe Quantität
erzeugt. Der durchschnittliche Preis desselben ist 12 Schilling den Quarter;
jetzt kann man aber nur eine beschränkte Quantität zu 8 Schilling los werden.
Aber selbst angenommen, daß sämmtlicher Weizen zu diesem Preis verkauft
würde, so wäre der Verlust immer noch 300 Pfund (2000 Thaler). Da dies
jedoch nicht der Fall ist, muß man mindestens 300 Pfund annehmen. Die
Wollpreise waren voriges Jahr durchschnittlich 13 Procent und manchmal so¬
gar 20 Procent unter ihrer gewöhnlichen Höhe; für die gewöhnlich verkaufte
Quantität wurden dies Mal 1400 Pfund (9400 Thaler) bezahlt, so daß wir
wieder einen Verlust von mehr als 200 Pfund (beinahe 1300 Thaler) haben.
Auf demselben Gute befinden sich ungefähr 18,000 Schafe, von denen für ge¬
wöhnlich alljährlich 2000 wegen ihres Talgs und ihrer Felle zu einem Durch¬
schnittspreis von 7 Schilling (2'/z Thaler) per Stück verkauft werden; da es
aber sehr schwer hält, Talg auszuführen, ist der Preis auf 3 Schilling ge¬
sunken, wodurch dem Grundbesitzer wieder 200 Pfund entgehen. Aus dieser
Darlegung ersieht man, daß das Einkommen dieses einen Gutsbesitzers sich in¬
folge der durch die Blockade des asowschen und des schwarzen Meeres einge¬
tretenen Handelsstockung um mehr als ein Drittel vermindert; und da" die
gleichen Verhältnisse im ganzen südlichen Rußland bestehen, so kann man
sich einen Begriff von der Höhe machen, welche der Gesammtverlust erreicht.
Allerdings haben einige Gutsbesitzer ihre Bodenproducte zu fast nomineller
Preisen an Kaufleute abgesetzt, welche auf die Ergebnisse der wiener Konferenzen
speculirten, große Massen Getreide aufkauften und nach den verschiedenen
Häfen des Südens schafften, um sie sogleich verschicken zu können, wie die
Konferenzen den Frieden herbeiführten. Die bei den letzten Erpeditümen im
asowschen Meere vernichteten ungeheuren Getreidevorräthe gehörten nicht der
russischen Regierung, sondern Privatspeculcmten, wenigstens der größte Theil.
Freilich wären sie aller Wahrscheinlichkeit nach später von der Regierung zur
Ernährung für die Truppen mit Beschlag belegt worden, und ihre Vernich¬
tung war daher dem Kriegszweck ganz entsprechend.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/290>, abgerufen am 22.12.2024.