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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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halb weniger schön, weil es jetzt mit geringerer Mühe und kleinern Kosten
genossen werden kann, weil es jetzt leicht zu finden und jedermann zugänglich
ist? Wenn ein Reiz darin liegt, Schwierigkeiten zu überwinden, so finden
sich dergleichen in einer fremden Landschaft beim Bergsteigen und Durchwandern
der Städte ohnedies noch in genügender Anzahl. Wer es vorzieht, stundenlang
in der Irre umherzulaufen, vielleicht bei dem Sehenswerthesten vorbeizugehen,
und nur durch Zufall das zu finden, weshalb er gereist ist, dem sollen diese
Bücher nicht empfohlen sein, auch dem nicht, der es für vortheilhaft hält,
schlechter zu logiren, gute Reisegelegenheiten zu versäumen und sich selbst in
einem fortdauernden Hader mit den hohen Ansprüchen, welche Gewinnsucht
überall an den Reisenden macht, die Laune zu verderben. Er mag als Sonder¬
ling auf Seitenpfaden wallen und nach der Weise einer sentimentalen Zeit die
Poesie des Reiselebens da suchen, wo sie nicht zu finden ist, in einem un¬
nützen Kampfe mit den Schwächen der Menschen und den Zufälligkeiten der
Natur. Glücklicherweise ist die Zahl solcher, welche in anspruchsvoller Ab¬
geschlossenheit das verachten, was für einen tüchtigen mittlern Durchschnitt
menschlicher Bildung und menschlicher Bedürfnisse berechnet ist, bei uns nur
gering. Auch die Zahl derer ist unter uns Deutschen nicht groß, welche sich
zu Sklaven der rothen Bücher machen und in dem Bestreben, alles zu
sehen, was auf ihrer Straße angemerkt ist, die Fähigkeit des Genusses
verlieren.

Der hohe Grad von Trefflichkeit, zu welchem die Neisebücher von Bä-
deker gekommen sind, ist allerdings die Folge vieljähriger Reisen, Mühen und
Arbeiten des verdienten Mannes. Und unter dem Vielen, was sie auszeichnet,
sind besonders zwei Eigenschaften rühmend hervorzuheben, die klare Uebersicht-
lichkeit, in welche das reiche Material geordnet ist und die große Sicherheit
und Zuverlässigkeit der zahllosen statistischen Angaben über Beschaffenheit der
Gasthöfe, Preise, Führer und was sonst dazu hilft, den Reisenden vor Un¬
behagen zu schützen. Wahrscheinlich denkt das reisende Publicum nicht daran,
welchen Versuchungen die Verfasser der rothen Bücher ausgesetzt sind und daß
eine nicht gewöhnliche Energie und Integrität dazu gehört, um alle die capti-
virenden Versuche von Hotelbesitzern abzuhalten und die starken Vorwürfe,
welche gekränkte Speculanten dem Verfasser eines Reisebuchs in das Haus
schicken, mit Ruhe zu ertragen. Wenn ein bekannter Verfasser von Reisebüchern
seine Reisememoiren schreiben wollte, so würde er eine Menge von kleinen
Abenteuern zu berichten haben. Es ist bekannt, daß Herr Bädeker bei
weitem den größten Theil der zahllosen Beobachtungen, welche er in den
Reisebüchern mittheilt, selbst gemacht und auch da, wo er die englischen Neise¬
bücher von Murray zu Grunde legte, überall selbst die mitgetheilten That¬
sachen revidirt hat. Auf seinen Reisen wird er wahrscheinlich oft in der Lage


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halb weniger schön, weil es jetzt mit geringerer Mühe und kleinern Kosten
genossen werden kann, weil es jetzt leicht zu finden und jedermann zugänglich
ist? Wenn ein Reiz darin liegt, Schwierigkeiten zu überwinden, so finden
sich dergleichen in einer fremden Landschaft beim Bergsteigen und Durchwandern
der Städte ohnedies noch in genügender Anzahl. Wer es vorzieht, stundenlang
in der Irre umherzulaufen, vielleicht bei dem Sehenswerthesten vorbeizugehen,
und nur durch Zufall das zu finden, weshalb er gereist ist, dem sollen diese
Bücher nicht empfohlen sein, auch dem nicht, der es für vortheilhaft hält,
schlechter zu logiren, gute Reisegelegenheiten zu versäumen und sich selbst in
einem fortdauernden Hader mit den hohen Ansprüchen, welche Gewinnsucht
überall an den Reisenden macht, die Laune zu verderben. Er mag als Sonder¬
ling auf Seitenpfaden wallen und nach der Weise einer sentimentalen Zeit die
Poesie des Reiselebens da suchen, wo sie nicht zu finden ist, in einem un¬
nützen Kampfe mit den Schwächen der Menschen und den Zufälligkeiten der
Natur. Glücklicherweise ist die Zahl solcher, welche in anspruchsvoller Ab¬
geschlossenheit das verachten, was für einen tüchtigen mittlern Durchschnitt
menschlicher Bildung und menschlicher Bedürfnisse berechnet ist, bei uns nur
gering. Auch die Zahl derer ist unter uns Deutschen nicht groß, welche sich
zu Sklaven der rothen Bücher machen und in dem Bestreben, alles zu
sehen, was auf ihrer Straße angemerkt ist, die Fähigkeit des Genusses
verlieren.

Der hohe Grad von Trefflichkeit, zu welchem die Neisebücher von Bä-
deker gekommen sind, ist allerdings die Folge vieljähriger Reisen, Mühen und
Arbeiten des verdienten Mannes. Und unter dem Vielen, was sie auszeichnet,
sind besonders zwei Eigenschaften rühmend hervorzuheben, die klare Uebersicht-
lichkeit, in welche das reiche Material geordnet ist und die große Sicherheit
und Zuverlässigkeit der zahllosen statistischen Angaben über Beschaffenheit der
Gasthöfe, Preise, Führer und was sonst dazu hilft, den Reisenden vor Un¬
behagen zu schützen. Wahrscheinlich denkt das reisende Publicum nicht daran,
welchen Versuchungen die Verfasser der rothen Bücher ausgesetzt sind und daß
eine nicht gewöhnliche Energie und Integrität dazu gehört, um alle die capti-
virenden Versuche von Hotelbesitzern abzuhalten und die starken Vorwürfe,
welche gekränkte Speculanten dem Verfasser eines Reisebuchs in das Haus
schicken, mit Ruhe zu ertragen. Wenn ein bekannter Verfasser von Reisebüchern
seine Reisememoiren schreiben wollte, so würde er eine Menge von kleinen
Abenteuern zu berichten haben. Es ist bekannt, daß Herr Bädeker bei
weitem den größten Theil der zahllosen Beobachtungen, welche er in den
Reisebüchern mittheilt, selbst gemacht und auch da, wo er die englischen Neise¬
bücher von Murray zu Grunde legte, überall selbst die mitgetheilten That¬
sachen revidirt hat. Auf seinen Reisen wird er wahrscheinlich oft in der Lage


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/275>, abgerufen am 22.12.2024.